- Perspektivwechsel: Was Arbeitnehmende bei ihrer Rückkehr in den Job benötigen
- Warum die Wiedereingliederung ein elementarer Personalprozess ist
- Darum lohnt sich eine Wiedereingliederung für Unternehmen
- Vorbereitet sein: Diese Arten der Wiedereingliederung sind erprobt
- Fazit: Was HRler bei der Wiedereingliederung beachten müssen
- Weiterführende Quellen
Wiedereingliederung
Perspektivwechsel: Was Arbeitnehmende bei ihrer Rückkehr in den Job benötigen
Unter Wiedereingliederung versteht man einen Prozess, der immer dann beginnt, wenn Arbeitnehmende nach mehreren Monaten wieder an ihren Arbeitsplatz zurückkehren. Ziel ist es, dass sie innerhalb von sechs Wochen bis sechs Monaten wieder voll arbeitsfähig sind. Eine Verlängerung auf bis zu zwölf Monate ist möglich.
Die Gründe für eine längere Abwesenheit vom Arbeitsplatz sind vielfältig und nicht immer negativ. Mutterschaftsurlaub, Elternzeit oder Langzeiturlaub sind positive Ereignisse im Leben eines Arbeitnehmenden, die mit einer Pause von der Arbeit einhergehen. Bei der Wiedereingliederung geht es in erster Linie darum, die Mitarbeitenden wertschätzend aufzunehmen und auf den neuesten Stand zu bringen. Nach einer Elternzeit oder einem Mutterschaftsurlaub empfiehlt sich beispielsweise eine Wiedereingliederung in Form eines Onboardings - ein Begrüßungsgespräch, ein Status-quo-Meeting mit neuen Informationen und die Besprechung neuer Aufgaben unter Berücksichtigung einer reduzierten Arbeitszeit.
Anders sieht es aus, wenn Beschäftigte aufgrund von Überforderung aus dem Arbeitsleben aussteigen. Eine Studie der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin hat gezeigt, dass psychische Belastungen ihren Ursprung entweder im beruflichen und/oder im privaten Kontext haben. Ein prominentes Beispiel für berufliche Belastungen ist der Burnout. Eine von Statista durchgeführte Studie unter AOK-Versicherten zählte allein im Jahr 2021 194.000 Personen, die an Burnout erkrankt waren. Die Statistik zeigt auch, dass sich die Zahl der Burnout-Betroffenen in den letzten Jahren fast verdreifacht hat.
Präventive Maßnahmen des Gesundheitsmanagements rücken damit in den Fokus der Aufmerksamkeit von Arbeitgebern.
Die BAuA-Studie zeigt auch, wie Unternehmen reagieren sollten, wenn präventive Maßnahmen versagen: Bei der Rückkehr ergeben sich zwei mögliche Handlungsfelder für die Personalabteilungen. Es gibt Mitarbeitende, die bei der Rückkehr ein hohes Maß an Unterstützung benötigen. Andere brauchen vor allem eines: Wertschätzung. Sie rückt die eigene Selbstwirksamkeit wieder ins rechte Licht.
Warum die Wiedereingliederung ein elementarer Personalprozess ist
Wiedereingliederungsprozesse unterstützen dabei ein systematisches Vorgehen. Die unterschiedlichen Lebenssituationen und Abwesenheitsgründe zeigen aber auch, dass jede Wiedereingliederung anders ist und Unternehmen flexibel bleiben müssen.
Dies ist jedoch nicht immer einfach. Ein Anspruch auf Wiedereingliederung besteht nach § 167 Abs. 2 SGB IX und ist gleichzeitig an Voraussetzungen geknüpft. Diese gilt es zu erfüllen:
- Bescheinigte Arbeitsunfähigkeit des Mitarbeitenden
- Die Dauer der Auszeit geht über sechs Wochen hinaus
- Der Mitarbeitende kehrt in die alte Position zurück
- Eine ärztliche Bescheinigung bestätigt die erneute Belastbarkeit des Beschäftigten
- Der Mitarbeitende ist gesetzlich versichert und besitzt einen Geldleistungsanspruch bei der eigenen Krankenkasse oder einem Rehabilitationsträger
Eine Wiedereingliederung ist daher nur möglich, wenn die Belastbarkeit langfristig gesichert ist. Doch wie hoch ist die tatsächliche Belastung? Eine Studie der Internationalen Vereinigung für Soziale Sicherheit aus dem Jahr 2017 zeigt, dass die unterste Belastungsgrenze bei 45 Prozent liegt. So hoch ist die Belastung bei einer beruflichen Rehabilitation. Deutlich höher sind die Quoten bei alternativen Rehabilitationen. So liegt die Belastungsgrenze bei einer stationären Rehabilitation bei 60 Prozent, bei einer ambulanten Rehabilitation sogar bei 75 Prozent.
Während der Wiedereingliederung sind die betroffenen Mitarbeitenden übrigens weiterhin krankgeschrieben. Das bedeutet auch: Der Arbeitgeber zahlt in dieser Zeit keinen Lohn und es besteht auch kein Anspruch auf Ausgleichsmaßnahmen wie Urlaub, Überstunden oder Freizeitausgleich. Stattdessen erhalten die Betroffenen Krankengeld. Die Höhe ist von Fall zu Fall unterschiedlich. Möglich sind bis zu 90 % des ursprünglichen Nettogehalts.
Darum lohnt sich eine Wiedereingliederung für Unternehmen
Jedes Unternehmen ist verpflichtet, ein Eingliederungsmanagement anzubieten. Sich Zeit für die Wiedereingliederung zu nehmen, ist aber nicht nur eine Pflicht, sondern auch eine Chance für die Unternehmen.
Die Studie der Internationalen Vereinigung für Soziale Sicherheit zeigt auch, dass eine Wiedereingliederung kurzfristig für eine höhere Produktivität sorgt. Langfristig minimiert ein qualitatives Wiedereingliederungsmanagement die Anzahl der Fehltage und die Fluktuationsrate. Angesichts des Fachkräftemangels ist der Verbleib des Mitarbeiters im Unternehmen als wirtschaftlicher Erfolg zu werten.
Vorbereitet sein: Diese Arten der Wiedereingliederung sind erprobt
Wenn Mitarbeitende nach längerer Krankheit in Absprache mit dem Arzt an den Arbeitsplatz zurückkehren, gilt es, vorbereitet zu sein. Die Maßnahmen der Personalabteilungen im Rahmen der Rehabilitation zielen in erster Linie auf den Erhalt des Arbeitsplatzes ab. Rehabilitationsmaßnahmen wie Berufsvorbereitung durch Beratung, berufliche Bildung und Workshops schließen sich daran an.
Leistungen allein reichen jedoch nicht aus, um den Wiedereinstieg zu unterstützen. Für die soziale Stabilität braucht es eine direkte Bezugsperson aus der Personalabteilung, die als Mentor:in, Vertraute:r und Stütze zugleich agiert.
Die Ausgestaltung der Wiedereingliederung erfolgt in Abstimmung mit dem Arzt. Generell wird zwischen dem Hamburger Modell und dem Betrieblichen Eingliederungsmanagement (BEM) unterschieden. Während Schwerbehinderte und gesetzlich Versicherte Anspruch auf Wiedereingliederung nach dem Hamburger Modell haben, steht Privatversicherten nur das betriebliche Eingliederungsmanagement zur Verfügung.
Hamburger Modell mit Stufenplan
Sozialversicherte Arbeitnehmende, die krankheitsbedingt arbeitsunfähig sind, finden über das Hamburger Modell den Weg zurück ins Arbeitsleben. Die Grundlage dafür ist in § 74 SGB V und § 44 SGB IX geregelt. Eine Verpflichtung zur Durchführung des Hamburger Modells besteht übrigens nicht. Zur Durchführung des Stufenplans ist jedoch eine ärztliche Empfehlung erforderlich. Auch die Arbeitszeit unterliegt der ärztlichen Entscheidung.
Die Grundidee des Hamburger Modells besteht darin, die Arbeitszeit schrittweise so zu erhöhen, dass sie am Ende der im Arbeitsvertrag vereinbarten Arbeitszeit entspricht. Um dies zu gewährleisten, enthält das Modell Überlegungen zu folgenden Fragen:
- Beginn und Ender der Wiedereingliederungsmaßnahmen
- Zeit, Dauer und Arbeitsumfang der jeweiligen Stufe
- Rücktrittsrechte aus der Wiedereingliederung
Die wöchentliche Dauer und die stufenweise Erhöhung der Arbeitszeit sind im Einzelfall festzulegen. In den meisten Fällen beginnt die Wiedereingliederung mit einer täglichen Arbeitszeit von vier Stunden und wird stufenweise auf eine Vollzeitbeschäftigung von acht Stunden erhöht.
Während der stufenweisen Wiedereingliederung stehen die Betroffenen in direktem Kontakt mit ihren Ärzten. Diese überprüfen die Belastbarkeit und den Erholungszustand. Die Einbeziehung des Betriebsrates kann sinnvoll sein, da dieser die betrieblichen Abläufe am besten kennt. Die Wiedereingliederung gilt als erfolgreich, wenn die Betroffenen nach Abschluss - mit oder ohne Verlängerung des Stufenplans - wieder voll einsatzfähig sind. Der Versuch der Wiedereingliederung ist gescheitert, wenn eine Vertragspartei vorzeitig abbricht, die Genesung nicht voranschreitet oder die Abwesenheit während der Durchführung mehr als sieben Tage beträgt.
Betriebliches Eingliederungsmanagement
Das Hamburger Modell ist Teil des betrieblichen Eingliederungsmanagements. Die Wiedereingliederung muss jedoch nicht zwingend stufenweise erfolgen. Bei Privatversicherten ist dies gar nicht möglich. Es bedarf daher alternativer Ansätze.
Diese richten sich sowohl an Leistungen zur medizinischen Rehabilitation als auch an Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben.
Leistungen zur medizinischen Rehabilitation wie Physiotherapie, Ergotherapie, Psychotherapie und Medikamente sind keine Leistungen, die der Arbeitgeber übernimmt. Arbeitgeber unterstützen jedoch die Wiedereingliederung in das Arbeitsleben durch Leistungen wie:
- Umgestaltung des Arbeitsplatzes passend zur neuen Situation
- Gestaltung flexiblerer Arbeitszeitmodelle auch nach erfolgreichem Abschluss der Wiedereingliederung
- Schulungen und Weiterbildungen, um nach der Rückkehr den Wissenstransfer zu begleiten
Unterstützende Begleitpersonen wie Mentor:in, Vertrauensperson oder Coach für einen erleichterten Start zurück ins Arbeitsleben.
Ein betriebliches Eingliederungsmanagement ist erforderlich, wenn Mitarbeitende länger als sechs Wochen krankgeschrieben sind. Der nächste Schritt ist ein Erstkontakt. Dieser wird von der Personalabteilung durchgeführt und soll vor allem einfühlsam und unterstützend sein. Der Aufbau einer Vertrauensbasis bildet die Grundlage für den Beginn der Wiedereingliederung. Hier ist Fingerspitzengefühl gefragt. Fühlt sich die Person wohler, wenn der oder die Partner:in mit am Gespräch teilnimmt? Dann gilt es, diesen Wunsch zu respektieren.
Denn hier geht es explizit darum, den aktuellen Stand zu erfragen und Druck abzubauen. Erst danach laden die Unternehmen zu einem Informationsgespräch ein. Ziel ist es, den Mitarbeitenden Wege zur Wiedereingliederung aufzuzeigen. Die Maßnahmen können jederzeit abgelehnt werden.
Es folgt das Eingliederungsgespräch, in dem Umfang, Art, Dauer, Leistungen und Pflichten der Wiedereingliederung festgelegt werden. Es kann sinnvoll sein, externe Personen in das Gespräch einzubeziehen. Diese dienen nicht nur als neutrale Bezugsperson, sondern unterstützen auch mit ihrem Fachwissen.
Ist eine Wiedereingliederung notwendig, werden alle weiteren Maßnahmen eingeleitet.
Fazit: Was HRler bei der Wiedereingliederung beachten müssen
Erfolg und Misserfolg liegen bei der Wiedereingliederung nahe beieinander. Nur weil Maßnahmen und Leistungen als wirksam gelten, heißt das noch lange nicht, dass sie auch funktionieren. Zu viele kritische Variablen wie Belastungsgrenze, Krankheit, Motivation und Passung der Aufgaben spielen eine Rolle. Um die Gesundheit der Mitarbeitenden wiederherzustellen, braucht es sowohl Arbeit im Unternehmen als auch ausserhalb im privaten Umfeld.
Mit dem Wiedereingliederungsmanagement übernimmt das Personalwesen daher eine unterstützende Rolle im Genesungsprozess einer Person. Gelingt die Wiedereingliederung nicht, bleibt die betroffene Person arbeitsunfähig. Eine erneute Rehabilitation oder ein späterer Wiedereingliederungsversuch sind dann Optionen. Auch eine vorzeitige Berentung ist im Einzelfall nicht auszuschließen. Gelingt sie jedoch, ergeben sich zahlreiche positive Aspekte: Die Mitarbeitenden schöpfen neuen Lebensmut, sind motivierter, produktiver und gesundheitlich stabiler. Um dies zu erhalten, ergänzen weiterführende Maßnahmen im Rahmen des Betrieblichen Gesundheitsmanagements. So leisten Personaler:innen ihren Beitrag dazu, dass Mitarbeitende auch langfristig gesund bleiben.
Im Wiedereingliederungsfall gilt es somit folgende Fragen zu stellen:
- Ist eine Wiedereingliederung überhaupt gewünscht?
- Wer ist die Vertrauensperson und wer gibt ärztliche Hilfestellung?
- Welche Maßnahme ist für den Betroffenen geeignet?
- Sind alle Voraussetzungen erfüllt?
- Passt der Wiedereingliederungsplan zum Krankheitsverlauf des Patienten?
- Benötigt es eine zeitliche Verlängerung der Wiedereingliederung?
Weiterführende Quellen
- Statista Studie 2021: https://de.statista.com/statistik/daten/studie/239872/umfrage/arbeitsunfaehigkeitsfaelle-aufgrund-von-burn-out-erkrankungen/
- Psychische Erkrankungen in der Arbeitswelt: Betriebliche Wiedereingliederung aus der Perspektive der Zurückkehrenden (BAuA Studie): https://www.personalwirtschaft.de/news/hr-organisation/baua-studie-gibt-unternehmen-handlungsanweisen-fuer-die-wiedereingliederung-von-mitarbeitern-nach-psychischen-krisen-96931/
- Bundesministerium des Inneren und für Heimat - Hamburger Modell: https://www.bmi.bund.de/SharedDocs/downloads/DE/veroeffentlichungen/themen/oeffentlicher-dienst/beamte/hamburger-modell.pdf?__blob=publicationFile&v=2
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