- Status quo - wie transparent sind Gehälter aktuell?
- Skepsis gegenüber der Gehaltstransparenz
- Gehaltstransparenz auf EU-Ebene: Was sagt das Gesetz?
- Entgelttransparenzgesetz
- Lohntransparenz-Richtlinie
- Was sind Auswirkungen der Gehaltstransparenz?
- Optimierte Auswahl im Recruiting
- Fazit: Über Gehalt spricht man nicht, wird zum Auslaufmodell
- Weiterführende Quellen
Gehaltstransparenz
Welche Berufsgruppen gut bezahlt sind und welche nicht, ist mittlerweile gut erforscht. Der Stepstone Gehaltsreport 2024 kürte Ärzt:innen aktuell wieder zur spitzenverdienenden Berufsgruppe. Wie aber sieht es mit den Gehältern der eigenen Kolleg:innen aus? Diese bleiben uns meist unbekannt. Selbst bei der Bewerbung auf neue Stellen ist das Gehalt noch lange Zeit die mysteriöse Unbekannte, die erst gegen Ende des Bewerbungsprozesses konkretisiert wird.
Einen offeneren Umgang mit dem Gehalt wünschen sich schon heute viele Arbeitnehmende. Bereits in 2017 bestätigten dies 37 Prozent der Befragten einer Xing Studie. In einer Kienbaum Studie stieg diese Zahl sogar auf 71 Prozent. Heute sind es vor allem junge Menschen auf dem Arbeitsmarkt, die eine erhöhte Transparenz aktiv einfordern.
Die Lohntransparenz-Richtlinie soll auf EU-Ebene nun fairere Prozesse und Gehälter bewirken. Davon profitieren vor allem Arbeitnehmende.
Status quo - wie transparent sind Gehälter aktuell?
Noch immer sind Unternehmen in Deutschland nicht verpflichtet, die Gehälter offenzulegen, es sei denn, der Tarifvertrag fordert dies ein. Der Gender Pay Gap als Maß für die Gleichstellung von Frauen und Männern macht deutlich, wie viel Nachholbedarf wir in Sachen Lohntransparenz noch haben.
In 2024 liegt der Gender Pay Gap, die Gehaltsdifferenz zwischen Männern und Frauen, auf Bundesebene bei 12,4 Prozent. Deutlich aussagekräftiger ist der bereinigte Gender Pay Gap, der die Gehaltsunterschiede bei gleicher Qualifikation, Verantwortung und mit ähnlichem Lebenslauf misst. Dieser liegt bei 5,5 Prozent.
Bemerkenswert ist dabei, dass der Gender Pay Gap mit wachsender Führungsverantwortung als auch Berufserfahrung steigt. Genau in den Bereichen, in denen Männer und Frauen beide karriereambitioniert sind und die Unterschiede nicht auf Faktoren wie Familie oder kürzere Arbeitszeiten zurückzuführen sind.
Skepsis gegenüber der Gehaltstransparenz
Inwiefern sich diese Transparenz auf den Gender Pay Gap auswirkt, ist umstritten. Eine Studie der Harvard-Dozentin Zoë Cullen ergab zuletzt, dass „Gehaltstransparenz Löhne um 7 bis 25 Prozent drückt“, so das Handelsblatt. Dies sei der Fall, da Unternehmen dann unterdurchschnittliche Löhne ausweisen würden, so die Studie.
Das funktioniert jedoch nur so lange, wie die Konkurrenz die eigene Bezahlung noch nicht offenlegt. Sobald alle im Wettbewerb Gehälter transparent machen, ergibt sich ein neues Gleichgewicht am Markt, welches dann auch zu einem geringeren Gender Pay Gap führt.
Gehaltstransparenz auf EU-Ebene: Was sagt das Gesetz?
Die Debatte über die Lohntransparenz wird vor allem durch die Forderung angeheizt, in Stellenanzeigen die Gehälter bzw. Gehaltsspannen anzugeben. Statistiken von Indeed zeigen, dass die Gehaltstransparenz EU-weit von 2010 bis 2023 stieg. Im Vergleich zu Ländern wie der UK, Frankreich und der Niederlande belegt Deutschland den letzten Platz. Während 72 Prozent der Stellenausschreibungen in der UK Gehaltsangaben enthalten, sind es in Deutschland nur minimale 20 Prozent.

In Deutschland betrifft das vor allem Stellen in den Bereichen Chemieingenieurwesen, Lagerhaltung sowie Produktion und Fertigung – vor allem also in den Jobs, in denen Gehälter tarifbezogen sind. Tendenziell sinkt die Lohntransparenz mit steigendem Einkommen bzw. mit Fortschreiten der Karriere.
Entgelttransparenzgesetz
Mit dem am 06. Juli 2017 in Kraft getretenen Entgelttransparenzgesetz verfolgt der Bund das Ziel, Entgeltstrukturen von Beschäftigten gemäß des Prinzips „Gleicher Lohn für gleiche oder gleichwertige Arbeit“ anzugleichen.
Die Inhalte des Gesetzes erhöhen in erster Linie aber nicht die Informationen zum Gehalt der eigenen Kolleg:innen. Vielmehr geht es darum, ein Bewusstsein für Entgelte zu entwickeln und so die Rechtssicherheit sowie Klarheit zu stärken. Das wiederum macht Entgeltbenachteiligung sichtbar und erhöht die Chancen, gegen unfaire Gehaltsunterschiede vorzugehen.
Drei Instrumente sind hier relevant für Arbeitgeber:
- Individueller Auskunftsanspruch: In Betrieben mit mehr als 200 Beschäftigten haben die Mitarbeitenden das Recht zu erfahren, nach welchen Kriterien und Verfahren ihr Entgelt sowie gleiche oder gleichwertige Tätigkeiten im Unternehmen festgelegt werden. Um den Datenschutz zu wahren, schließt der Auskunftsanspruch die Angabe konkreter Gehaltsdetails von Kolleg:innen aus.
- Betriebliche Prüfverfahren: Privatbetriebe mit mehr als 500 Beschäftigten sind aufgefordert, betriebliche Prüfverfahren hinsichtlich der Einhaltung des Entgeltgleichheitsgebots durchzuführen.

- Bericht zur Entgeltgleichheit: Arbeitgeber, die nach HGB lageberichtspflichtig sind und über 500 Beschäftigte verfügen, sind zudem gesetzlich verpflichtet, einen Bericht zur Entgeltgleichheit abzugeben.

Eine gängige Praxis ist dies in den Unternehmen übrigens nicht. So haben nach Berichten des Handelsblatts in den Jahren 2019 bis 2022 nur vier Prozent der berechtigten Arbeitnehmenden den Auskunftsanspruch geltend gemacht. Grund hierfür könnte sein, dass das Entgelttransparenzgesetz vor allem Angestellte befähigt, Transparenz einzufordern. Hemmnisse vor der Reaktion des Arbeitgebers und Unwissenheit sprechen dagegen. Es braucht eine Regelung, die Unternehmen in die Verantwortung nimmt, für mehr Transparenz zu sorgen.
Lohntransparenz-Richtlinie
Während sich das Entgelttransparenzgesetz auf deutsche Unternehmen ab einer bestimmten Anzahl an Beschäftigten richtet, gibt es seit dem Juni 2023 eine neue Richtlinie – diesmal europaweit.
Ziel der Lohntransparenz-Richtlinie ist es, Lohndiskriminierung in Unternehmen sichtbar zu machen und dem entgegenzuwirken. Wie die Umsetzung der Richtlinie genau erfolgt, ist noch unklar. Fest steht aber: Sie kommt. Binnen drei Jahren seit Inkrafttreten der Richtlinie müssen die Länder diese auf Landesebene umsetzen. Spätestens im Jahr 2026 sind Gehälter in Deutschland transparenter als je zuvor.
Gleichzeitig nimmt die Richtlinie Betriebe stärker in die Verantwortung. Die Entgelttransparenz bedeutet für Unternehmen die Pflicht, Offenlegungs- und Informationspflichten nachzukommen. So wird festgestellt, ob im Unternehmen eine Gender Pay Gap vorhanden ist oder nicht.
Tatsächliche Sanktionen drohen erst mit der Lohntransparenz-Richtlinie. Beispielsweise müssen Organisationen künftig Maßnahmen ergreifen, wenn das Lohngefälle mehr als fünf Prozent beträgt. Das Gesetz verpflichtet dann aktiv gegen den Gender Pay Gap vorzugehen.
Was sind Auswirkungen der Gehaltstransparenz?
Obwohl Beschäftigte mehr Transparenz fordern, ergreifen 2024 nur wenige Unternehmen Maßnahmen zur Förderung der Lohntransparenz. Laut des Gehaltsreports von Stepstone sehen es 47,7 Prozent der Befragten als nicht nötig an. Und wenn Transparenz geplant ist, dann in den Bereichen Gehaltsrichtlinien (16,5 Prozent) und gleicher Bezahlung für gleiche Arbeit (15,6 Prozent) – also die Themen, die durch das Gesetz ohnehin verpflichtend sind.
Die Auswirkungen der Lohntransparenz-Richtlinie beeinflussen sowohl den Umgang von Arbeitgebern als auch von Arbeitnehmern mit dem Thema „Man spricht (nicht) über das Gehalt“.
Optimierte Auswahl im Recruiting
Den größten Einfluss auf Prozesse hat die Lohntransparenz bei jenen, die noch nicht im Unternehmen arbeiten. Talente auf dem Arbeitsmarkt erhalten so schon in der Stellenanzeige einen Blick auf die mögliche Gehaltsspanne. Die größte Gefahr sehen Recruiter:innen diesbezüglich in der Gehaltszufriedenheit. So bewerben sich Talente erst gar nicht auf Stellen, die sie als schlecht bezahlt werten.
Letztlich sind das die Kandidat:innen, die spätestens im Rahmen des Bewerbungsprozesses ihr Interesse am Job ohnehin verlieren.
Wie verändern sich Recruiting-Prozesse?
Mit Blick auf die Time-to-Hire können rückläufige Bewerbungsraten sogar von Vorteil sein. Auf die Stellen bewerben sich nur jene, die bereits mit den Konditionen einverstanden sind. Das verändert Recruitingprozesse elementar und bringt sie in der Folge wieder zurück zum Menschen. Statt über Lohn zu verhandeln, liegt der Fokus wieder auf dem Fit zum Unternehmen. Das ist der wichtigste Punkt, um Talente zu finden, die sich langfristig mit der Employer Brand verbunden fühlen.
Übrigens: Arbeitnehmende müssen sich keine Sorgen machen, dass die Gehaltsangaben in den Stellenanzeigen künftig nach unten korrigiert werden. Einer der größten Vorteile für Talente ist der entstehende Wettbewerbsfaktor. Firmen, die miteinander in Konkurrenz stehen, können zukünftig ihre Gehälter nicht mehr geheim halten. Um die verbleibenden qualitativen Talente am Arbeitsmarkt nicht an die Konkurrenz zu verlieren, sind attraktive Konditionen, und dazu zählt auch das Gehalt, unumgänglich.
Stellenanzeigen müssen im Zuge dessen noch optimierter sein. Das Gehalt als Filterkriterium wird jetzt einen noch höheren Stellenwert bei der Suche nach Jobs haben. Arbeitgeber, die zwar ein durchschnittliches Gehalt aufrufen, dafür aber überzeugende Corporate Benefits bieten, die das Gehalt wieder ausgleichen, müssen bei der Erstanzeige Talente noch passgenauer ansprechen, beispielsweise durch Active Sourcing.
Gestärkte Employer Brand
Unter Mitarbeitenden fördert die Lohntransparenz das Arbeitsklima. Unternehmen mit fairem Lohn vermeiden Missgunst sowie Neid und minimieren so Konkurrenzgedanken. Tatsächlich wirkt sich der offene Austausch über Gehälter bereits motivierend auf Arbeitnehmende aus. So ergab eine Studie der Ohio State University laut kununu, dass das Stresslevel von Angestellten um bis zu 15 Prozent sank, sobald Unternehmen im Rahmen der Studie offen über Gehälter gesprochen haben.
Daran ist schon sichtbar: Mitarbeitende verstehen Gehaltstransparenz als offene Politik. Verhandlungen sind dann obsolet, da sich das Gehalt an klaren Kriterien bemisst, die für alle gelten. Diese setzt der Markt. Das wiederum bedeutet für Unternehmen eine Planbarkeit. Ressourcen wie Geld sind dann klar budgetierbar.
Ein offener Umgang mit Gehaltszahlen ist auch für Entwicklungsperspektiven innerhalb des Betriebs von Relevanz. Im Idealfall werden Feedbackgespräche in Zukunft genutzt, um neben den zukünftigen Arbeitsaufgaben auch das damit verbundene Gehalt zu besprechen.
Fazit: Über Gehalt spricht man nicht, wird zum Auslaufmodell
Mit Inkrafttreten der Lohntransparenz-Richtlinie ist das Gehalt offiziell kein Tabuthema mehr. Unternehmen sind dann verpflichtet, Gehälter gegenüber bestimmten Zielgruppen offenzulegen, beispielsweise in Form einer Gehaltsspanne in Stellenausschreibungen.
Für Unternehmen ist es die Chance, Gehälter fair zu verteilen, Ungerechtigkeiten zu senken und gegenüber dem Wettbewerb mit attraktiven Arbeitsbedingungen inklusive hoher Bezahlung zu brillieren. Aufgrund des Wettbewerbsgedankens ist im Durchschnitt eine höhere Bezahlung zu erwarten. Diese motivieren nicht nur, sondern geben auch ein gutes Gefühl, dass die Teamkolleg:innen gehaltlich nicht bevorteilt werden.
Wie in der Unternehmenskommunikation verhält es sich demnach auch mit der Lohntransparenz. Je offener Unternehmen über das Thema Geld sprechen, desto mehr positionieren sie sich und geben den eigenen Talenten bestenfalls gute Gründe, am Arbeitgeber festzuhalten. Wer fair, gleichwertig und transparent Lohn auszahlt, begünstigt auch eine positive Arbeitsatmosphäre – der Kern der Employer Brand.
Weiterführende Quellen
- Stepstone Gehaltsreport 2024: https://persoblogger.de/2024/01/17/stepstone-gehaltsreport-2024-gehaltstransparenz-immer-wichtiger
- Xing Studie zur Gehaltstransparenz: https://www.new-work.se/de/newsroom/pressemitteilungen/xing-studie-die-deutschen-befuerworten-gehaltstransparenz
- Harvard-Studie: Transparente Gehälter: https://www.businessinsider.de/gruenderszene/business/harvard-studie-gehaltstransparenz/
- KPMG - EU-Richtlinie zur Lohntransparenz: https://kpmg.com/at/de/home/insights/2023/06/eu-richtlinie-zur-lohntransparenz.html
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