Rebellion ist out, Konformität in. Mit der Aufmüpfigkeit alter Tage haben die deutschen 14- bis 17-Jährigen nichts mehr am Hut. Nicht länger ist es verpönt, mit der Herde zu laufen. Was vor Jahren noch undenkbar schien, ist nun offenbar möglich: im Mainstream zu schwimmen. Zu dieser Erkenntnis gelangt jedenfalls das Heidelberger Sinus-Institut, das nach 2008 und 2012 nun bereits zum dritten Mal Deutschlands Jugendlichen auf den Zahn gefühlt hat. Und auch wenn diese stärker zusammenrücken, gibt es die Jugend freilich nicht. Die jungen Leute leben nicht nur in unterschiedlichen Lebenswelten, sondern haben namentlich ob ihrer religiösen oder kulturellen Wurzeln abweichende Ansichten.
Überraschende Koketterie mit der Normalität
Ihr sehnlichstes Verlangen ist es, zu sein wie die anderen. Wollten die Jugendlichen unlängst noch nicht in der grauen Masse untergehen, verständigen sie sich nun auf einen Wertekanon, der sich keinen Deut von jenem der Erwachsenen unterscheidet. In ihren Werten drückt sich der Wunsch nach Halt und Orientierung aus. Gemeinschaft und Familie stehen bei ihnen nicht weniger hoch im Kurs als emotionale und materielle Sicherheit oder wirtschaftliche Stabilität. Es gehört zu ihrem Wesen, sich anzupassen und sich durch Fleiß, Leistung und Bescheidenheit hervorzutun. Gleichzeitig wollen sie aber wie eh und je nicht auf die Selbstverwirklichung verzichten, herrlich und in Freuden leben und alle Freiheiten der Welt haben.
In Zeiten zunehmender Unsicherheit ist es scheint’s opportun, den Schulterschluss mit der älteren Generation zu suchen. Im Lichte der Tatsache, dass der Mainstream weit breiter aufgestellt ist als in der Vergangenheit, fällt es den Jugendlichen freilich um ein Bedeutendes leichter, mit den Erwachsenen handelseins zu werden. Während früher dem Sohnemann lediglich die Beastie Boys und seinem Alten Herrn die Oberkrainer ins Haus kamen, einigen sich nun beide auf Coldplay.
Im Kampf gegen Fundamentalismus und Institutionalisierung
Dieses Wir-Gefühl ist speziell Jugendlichen mit Migrationshintergrund wichtig. Nicht von ungefähr distanzieren sich die jungen Muslime nachdrücklich vom radikalen Islamismus. Ihre entschiedene Ablehnung religiös begründeter Gewalt ist Ausdruck ihrer gewollten Normalität. Sie möchten akzeptiert und integriert sein. Und ihr Wunsch scheint in Erfüllung zu gehen. Die Religionszugehörigkeit ist für Jugendliche kein Hinderungsgrund, Freundschaften zu schließen. Lediglich die religiöse Gesinnung stellen christliche Jugendliche nicht so offen zur Schau wie muslimische. Weder gibt der Glaube ihrem Alltag das Gepräge noch sind sie über die Maßen institutionell eingebunden. Die Mitgliedschaft in einer Religionsgemeinschaft ist für christliche Jugendliche mitnichten zwingend. Außer an Feiertagen und zu besonderen Anlässen wie ihrer Firmung sind sie in der Kirche kaum anzutreffen.