Prof. Dr. Anja Lüthy ist seit 2001 BWL-Professorin an der TH Brandenburg und gründete während der Corona-Pandemie das Frauennetzwerk #FemaleHRexcellence. In diesem Netzwerk befinden sich inzwischen 20 HR-Frauen, die es sich zur Aufgabe gemacht haben, den Anteil von Frauen in HR-Spitzenpositionen zu erhöhen. Wie sie das machen und was Ihre Beweggründe dazu sind? Lesen Sie selbst.
Sie sind Gründerin des Frauennetzwerkes #FemaleHRexcellence. Was steckt hinter dem Frauennetzwerk und warum ist es entstanden?
Seit 19 Monaten begleitet uns nun schon die Corona-Pandemie. Relativ schnell habe ich mich Ende März 2020 einer Gruppe von HR-Expertinnen und -Experten mit dem Namen #KeineHRAlleinZuhaus angeschlossen. Diese wöchentlichen Zoom-Meetings waren für mich sehr bereichernd. Ende 2020 entstand meine Idee, ein rein weibliches HR-Expertinnen-Netzwerk zu gründen, das sich 14-tägig online trifft. Meine Idee ist es, die weibliche HR-Kompetenz in der DACH-Region zu bündeln.
Heute besteht das Netzwerk aus 20 handverlesenen HR-Frauen, die ich alle einzeln angesprochen habe. Die Frauen kannte ich bis Januar 2020 nur aus der virtuellen Welt, weil sie dort sehr sichtbar sind und die verschiedensten HR-Themen kontinuierlich verbreiten.
Seit 10 Monaten treffen wir uns 14-tägig mittwochs über Zoom für 90 Minuten und tauschen uns aus. Wir unterstützen uns gegenseitig und erhalten auch von externen Gästinnen, die wir regelmäßig einladen, wichtige Inspirationen. Darüber hinaus treffen wir uns alle 14 Tage dienstags für eine Stunde ab 20 Uhr in „Clubhouse“ und führen Interviews mit ausgewiesenen HR-Expertinnen.
Persönlich habe ich die meisten Frauen erstmals Mitte Oktober 2021 getroffen, als ich sie alle nach Berlin eingeladen habe. Bis dahin hatten wir schon 20 Zoom-Meetings zusammen verbracht. Ich bin stolz und sehr froh, wie viele tolle HR -Frauen ich bis heute bei #FemaleHRexcellence vernetzt habe.
Welche Themen möchten Sie mit #FemaleHRexcellence in Zukunft angehen?
Wir haben Anfang 2021 drei Themenfelder aufgegriffen: Unser Mentoring-Programm mit dem Namen #FemaleHRexcellenceBoost ist im September 2021 gestartet. HR-Frauen können sich im Rahmen ihrer Karriereplanung oder sonstiger beruflicher Fragestellungen an uns wenden. Sie bekommen eine passende Mentorin aus unserem Netzwerk an die Seite gestellt, mit der sie sich austauschen können.
Als zweites Projekt haben wir die Gründerin des Vereins Zeltschule e.V., Jacqueline Flory aus München, online zu uns eingeladen. Sie hat uns erzählt, wie sie seit 2015 nach und nach an der syrisch-lybischen Grenze Zelte als Schulen aufgebaut hat, damit Frauen und Mädchen vor Ort Zugang zu Bildung haben. Wir unterstützen diesen Verein finanziell.
Neben unserer #FemaleHRexcellence-Webseite, die nun fast fertig ist, und unseren bereits erwähnten Clubhouse Night Talks überlegen wir, nächstes Jahr zusammen ein Buch zu schreiben. Es könnte sich damit befassen, wie Frauen im HR-Bereich Karriere machen können. Dabei wollen wir auch unsere eigenen Berufsbiographien und unser HR-Expertenwissen vorstellen.
Sie nutzen die Social-Media-Plattform „Clubhouse“ für Ihre #FemaleHRexcellence-Sessions. Wie erfolgsversprechend empfinden Sie diese Plattform?
Mein Wunsch ist es, mit unseren #FemaleHRexcellence Night Talks ein beliebtes Format mit vielen Stamm-Zuhörerinnen und -Zuhörern zu schaffen. Clubhouse als Plattform ist für uns perfekt, da dort nichts aufgezeichnet wird und wir völlig offen sprechen können. Gerade diese intime Atmosphäre und die ungefilterten Gespräche genießen wir sehr. Wir hatten bisher 13 Clubhouse Night Talks und unsere Gästinnen können sich sehen lassen. So waren beispielsweise schon Simone Menne, die erste weibliche Finanzvorständin der Lufthansa, Dr. Wiebke Ankersen, Geschäftsführerin der Allbright Stiftung, und Marion Rövekamp, Vorständin Personal und Recht der EWE AG bei uns auf Clubhouse.
Einer Ihrer inhaltlichen Schwerpunkte sind Caring Companies als attraktive Arbeitgeber. Was charakterisiert eine Caring Company?
Wenn wir einen Frauenanteil von 50 Prozent in den Führungsetagen anstreben, benötigen wir die passende Unternehmenskultur mit der entsprechenden Haltung, Familien zu unterstützen. Der Grundgedanke einer sogenannten Caring Company ist, dass Arbeitgeber eine Kultur schaffen, die Müttern und natürlich auch Vätern Arbeitsbedingungen bieten, die es ihnen ermöglichen, ihr Familien- und Berufsleben stressfrei miteinander zu verbinden. Dazu gehört beispielsweise die Möglichkeit, zeitlich und räumlich völlig flexibel zu arbeiten. Entsprechend der Lebensphasen der Mitarbeiter*innen sollten die Anzahl der zu arbeitenden Stunden pro Woche frei gestaltet werden können. Auf Vorstandsebene kann zum Beispiel Top-Job-Sharing umgesetzt werden – zwei Frauen teilen sich eine Vorstandsposition. Bisher ist dies leider noch absolut unüblich in Deutschland.
Was muss sich in der Leadership noch ändern?
Leadership hat sich in der Arbeitswelt in den letzten 30 Jahren um 180 Grad gewandelt. Wir haben Gott sei Dank keine kontrollierenden und cholerisch veranlagten Führungskräfte mehr, die das Gefühl, Macht zu haben, lieben und entsprechend autoritär führen.
Die Zukunft liegt meiner Meinung nach in empathischem, individuellen Führungsverhalten. Gerade in Zeiten von Remote-Arbeiten ist der regelmäßige Dialog mit den Vorgesetzten ganz wichtig, um die Mitarbeiterzufriedenheit stabil hoch zu halten.
Bei vielen Führungskräften vermisse ich immer noch adäquates Einfühlungsvermögen in die Mitarbeiterinnen, also empathisches Verhalten. Die Gallup-Studien belegen seit Jahren, dass 75 Prozent der Arbeitnehmenden aufgrund des schlechten Führungsverhaltens ihres unmittelbaren Vorgesetzten kündigen. Ich gewinne, wenn ich jungen Frauen zuhöre, immer wieder den Eindruck, dass viele Vorgesetzte heute zu wenig empathisch sind und sich beispielsweise gar nicht für die Karriereplanung einzelner Mitarbeiterinnen interessieren.
Welche zukünftigen Veränderungen sehen Sie im HR-Bereich hinsichtlich der Rolle der Frauen? Auf welchen Change dürfen wir uns freuen?
Ich freue mich sehr, dass es mir seit Jahren an der TH Brandenburg gelingt, viele junge Frauen bereits im zweiten Semester ihres BWL-Studiums für den HR-Bereich zu begeistern und zu gewinnen. Während des Sommersemesters 2021, das komplett online über Zoom stattfinden musste, habe ich 12 Frauen aus meinem #FemaleHRexcellence-Netzwerk zu Gastvorträgen in meine Personalvorlesung eingeladen. Daraus haben sich für die Studierenden empirische Projekte, Bachelorarbeiten, Praktika und wahrscheinlich auch Jobs nach ihrem Studium ergeben.
Mein Ziel ist es, dass viel mehr Vorstandspositionen in Deutschland mit Frauen besetzt werden. Bisher arbeiten sowohl in den DAX-Vorständen als auch in den Topetagen von jüngeren Startup Unternehmen viel zu wenige Frauen. Ich schließe mich voll und ganz den Geschäftsführern der Allbright Stiftung, Dr. Wiebke Ankerssen und Christian Berg an. Sie kritisieren seit Jahren, dass bei den Unternehmen, die in den vergangenen 15 Jahren gegründet wurden, der Frauenanteil im Vorstand nur bei 5,4 Prozent liegt. Bei den 160 Unternehmen aus Dax, MDax und SDax sind es nur 12,6 Prozent. Ich wünsche mir, dass bis zum Jahr 2030 Vorstandspositionen in großen und in kleineren Unternehmen zumindest bis zu 30 Prozent mit Frauen besetzt sind.
Sie haben einen Wunsch frei: Worauf sollen Unternehmen zukünftig beim Employer Branding achten, um die Kommunikation gendergerecht und generationenübergreifend zu gestalten?
Ich bin der festen Überzeugung, dass Unternehmen zukünftig viel diverser werden müssen und auch im Sinne von LGBTQ+ alle Zielgruppen kreativer ansprechen sollten, wenn sie neue Mitarbeiterinnen suchen. Der demografische Wandel und der damit einhergehende Fachkräftemangel stellen die Arbeitswelt vor wahnsinnige Herausforderungen. Im Jahr 2030 werden etwa 3 Millionen Babyboomer den Arbeitsmarkt verlassen und ihre Stellen müssen nachbesetzt werden. Wie das funktionieren soll, ist noch unklar. Ich denke aber, dass Unternehmen, die wirklich attraktive Arbeitgeber für potenzielle Mitarbeiter*innen sind, mit ihrer eigenen Belegschaft gemeinsam den Nachwuchs suchen und finden können. Employer Branding ist meiner Meinung nach nur mit den eigenen Mitarbeitenden als freiwillige Botschafter des Unternehmens erfolgreich. Als Corporate Influencer erzählen nämlich die eigenen Mitarbeitenden auf den unterschiedlichen Social-Media-Plattformen den jeweiligen Zielgruppen, wie angenehm ihre Chefinnen sind, wieviel Freude das Arbeiten an ihrem Arbeitsplatz macht, welchen Spirit ihre Teams haben und welche Karrieremöglichkeiten es in ihrem Unternehmen gibt.
Möchten Sie mehr über Prof. Dr. Anja Lüthy erfahren? Sie finden sie auch hier:
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