Wie schafft es Bosch, die eigenen Rekrutierungsprozesse so zu bündeln, dass sie mit dem People Acquisition Campus in kürzester Zeit datengetriebene Personalentscheidungen treffen und bereits große Effizienzgewinne erzielen konnten? Das verraten Karin Bauder-Zilly (Lead HR Marketing & Analytics) und Daniel Mustapic (HR Specialist – Data Analytics & Recruiting) im Interview.
Ihr habt euch von einer dezentralen zu einer zentralen Organisationseinheit entwickelt: Wie gelang es euch, auf einem bis dato leeren Feld, die Data Analytics Journey zu bauen?
Karin: Für uns war von Beginn an klar, dass wir die Prozesse holistisch aufbauen möchten. Wir betrachten also Personalmarketing und Recruiting nicht getrennt voneinander. Das macht unsere Personalprozesse von Anfang an messbar – die Grundvoraussetzung, um langfristig Optimierungsbedarfe zu identifizieren und Qualität und Effizienz zu erhöhen. Diese Prozesse entwickeln wir stetig weiter: Im letzten Jahr war für uns messbar, wie wirksam unsere Personalmarketing-Maßnahmen bis zum Klick der Kandidaten auf „bewerben“ waren. Seit diesem Jahr können wir nun die Candidate Journey bis zur abgeschlossenen Bewerbung und darüber hinaus alle weiteren Schritte bis zur Einstellung nachvollziehen.
Daniel: Diese Maßnahmen haben wir unter anderem als Reaktion auf den gestiegenen Fachkräftebedarf ergriffen. Für uns war daher klar, dass wir einen datenbasierten Prozess aufbauen möchten, der eine qualitative und objektive Personalauswahl sichert.
Auf welchen Messgrößen basiert die Data Analytics Journey?
Daniel: Das kommt ganz auf den Kontext an: Anstatt möglichst viele Daten zu sammeln, haben wir mit kleineren Use-Cases begonnen und so nach und nach diejenigen Daten herausgefiltert, die für unseren Rekrutierungsprozess am relevantesten sind.
Karin: Wir konzentrieren uns schon bei der Erhebung der Daten auf deren Relevanz. Die Daten sollen allen Recruitern zur Verfügung stehen. Zu diesem Zweck haben wir zielgruppenspezifische Dashboards entwickelt, welche die Daten kontextspezifisch in Form von Kennzahlen darstellen. Viel interessanter als die Messgrößen an sich sind aber oft die Abweichungen. Aus ihnen lassen sich Handlungsschlüsse ziehen. Sie zeigen beispielsweise, dass eine Stellenanzeige durch eine kleine Veränderung des Wordings häufiger von Bewerbenden angeklickt wird und sich diese dann auch tatsächlich am Ende bewerben. Heute sehen wir auf einen Blick, welche Auswirkungen unsere Optimierung hat und wie wir so die gesamte Journey verbessern können.
Wie beeinflussen Entscheidungen auf Datenbasis das Recruiting?
Karin: Ohne Daten werden die meisten Prozesse basierend auf Brancheninsights, entwickelten Strategien oder nach Bauchgefühl getroffen. Daten machen Entscheidungen valide und begründbar, auch gegenüber Stakeholdern wie dem Hiring Manager und auch dem Kandidaten selbst. Hinzu kommt ein Überraschungseffekt: Manche vorher getroffenen Annahmen wurden durch den datenbasierten Rekrutierungsprozess eindeutig widerlegt. Daten beim Personalauswahlprozess zu nutzen, macht die Auswahl also fairer, transparenter und ist somit für Personalerinnen und Personaler insbesondere bei einer hohen Anzahl von Bewerbenden eine große Unterstützung - ohne dass dies bedeutet, dass die KI über eine Besetzung entscheidet.
Daniel: Ein konkretes Beispiel, welches mir hierzu einfällt, ist die Identifikation von schwer zu besetzenden Stellenprofilen. Mithilfe eines intelligenten Algorithmus sind wir hier in der Lage, uns vom Bauchgefühl zu lösen, indem dieser die Stellen anhand von unterschiedlichen Kriterien bewertet. Identifiziert der Algorithmus beispielsweise, dass eine Stelle aufgrund eines schlechten Wordings zu lange unbesetzt bleibt, können wir Maßnahmen ergreifen und das Wording entsprechend verbessern.
Karin: Datenbasierte Personalauswahl verbessert den Prozess nachweislich – zum Beispiel hinsichtlich der Anzahl der eingehenden Bewerbungen.
Wie ethisch korrekt können Datenentscheidungen überhaupt sein?
Karin: Mit qualitativ hochwertigen Daten legen wir die Basis für ethisch korrekte Entscheidungen. Das objektive Verfahren bietet zum Beispiel den Vorteil, dass es im Bewerbungsprozess hier keinen Unconscious Bias gibt – sprich, unbewusste Denkmuster werden durchbrochen. Wir haben Verfahren entwickelt, die auf Kriterien wie Kompetenzen basieren, um die Vergleichbarkeit von Bewerberinnen und Bewerbern zu gewährleisten.
Daniel: Die Daten sind kein Ersatz für unsere Eignungsdiagnostik. Diese Aufgabe und die damit verbundene Verantwortung bleibt wie bisher bei der Entscheiderin oder dem Entscheider.
Die Data Analytics Journey ist noch immer im Aufbau. Was sind eure nächsten Schritte?
Karin: Wir können zunehmend anhand von Vergangenheitsdaten Entscheidungen für die Zukunft ableiten. Im Bereich der Predictive Analytics wollen wir für die Planung einer neu zu besetzenden Stelle schon im Vorfeld ermitteln können, mit welcher Vakanzzeit wir rechnen müssen und wie schwer die Stelle zu besetzen sein wird.
Daniel: Dieser beschriebene Use-Case setzt eine große Menge an validen Daten voraus, daher werden wir weiter an unserer integrierten Datenbasis für Predictive Analytics und zukünftige Automatisierungen arbeiten.
Karin, du hast einen Wunsch frei: Welche Entscheidung würdest du immer mit deinem Bauchgefühl treffen?
Karin: Ich liebe Zahlen, Daten, Fakten und diese sind für mich auch überhaupt nicht negativ behaftet. Sollten diese rein hypothetisch gesprochen eine Lösung ergeben, die mein Bauchgefühl verneint, würde ich immer ein Vetorecht einräumen.
Daniel, auch du hast einen Wunsch frei. Wann würdest du Entscheidungen nie mit dem Bauchgefühl, sondern auf Datenbasis treffen?
Daniel: Valide Daten dienen für mich als Leitplanken. Ich bin ein absoluter Verfechter von datenbasierten Entscheidungen und würde diese immer bevorzugen.
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