Personalmarketing für Call Center ist eine komplexe Sache. Denn über die Branche sind viele Vorurteile im Umlauf, die nicht immer stimmen. Wie setzen sich Arbeitgeber gegenüber Talenten dennoch ins rechte Licht? Beispiele aus der Praxis zeigen, wie’s geht.
Call Center haben ein Imageproblem. Zum Beispiel im Bereich der Telefonakquise für die Neukundengewinnung halten sich viele Vorurteile gegenüber Call Center Jobs hartnäckig. Zu den gängigsten gehören diese:
- Mitarbeiter sind nicht gut ausgebildet und lesen hauptsächlich vom Script ab!
- Mitarbeiter werden gezielt dazu angeleitet, Gespräche manipulativ zu führen.
- Call Center Agents brauchen eine aggressive Persönlichkeit.
- Telefonakquisiteure sind unseriös - es geht nur ums schnelle Geldmachen, nicht um Qualität.
- Call Center Agents verdienen wenig und arbeiten viel.
Viele der Vorurteile gegenüber der Arbeit in Call Centern gehören in das Reich der Klischees und Geschichten. In die Köpfe eingebrannt haben sie sich aber dennoch. Und wer will schon bei einem Arbeitgeber arbeiten, dem ein solcher Ruf vorauseilt?
Worum geht es bei einem Call Center?
Dabei geht es bei der Arbeit in einem seriösen Call Center nicht um aggressive Anrufe und das Verkaufen um jeden Preis. Stattdessen geht es um hochwertige Produkte, die dem Kunden in einem Fachgespräch nähergebracht werden müssen.
Dafür bedarf es Sachkenntnis, Geduld, einer hohen Empathie, Überzeugungskraft, Selbstbewusstsein, Vertrauen, einer guten Rhetorik, einer hohen Frustrationstoleranz und Eigenmotivation. In vielen Call Centern sind die Themen so spezifisch, dass dort von vornherein nur Hochqualifizierte arbeiten können. In diesen Bereichen stimmen dann meist auch Gehalt, Arbeitszeit und die Work Life Balance.
Warum es Call Center als Arbeitgeber schwer haben
Aufgrund ihres schlechten Images müssen sie sich Call Center in ihrem Personalmarketing noch mehr ins Zeug legen als andere, um Talente von den eigenen Arbeitgeberqualitäten zu überzeugen.
Und dabei stehen sie unter erheblichen Druck, wie aus dem Whitepaper „Herausforderung Mitarbeitersuche“ von mobileJob.com hervorgeht. Darin heißt es: „Unternehmen aus der Call Center Branche leiden derzeit am meisten unter dem viel zitierten Fachkräftemangel. Call Center Agenten sind weitaus gefragter als Ingenieure, IT-Experten oder Naturwissenschaftler, denen oftmals und fälschlicherweise die Hauptrollen im sogenannten War for Talents zugeschrieben wird.“
Call Center: Der War for Talents tobt hier besonders
In den Top Ten der am häufigsten gesuchten Berufe in Deutschland nehme der Call Center Agent die klare Spitzenposition ein. „Telefonverkäufer in Call Centern stehen in der Bedarfshierarchie deutscher Arbeitgeber deutlich vor Pflegekräften, Servicekräften in Dienstleistungsunternehmen, Software-Entwicklern und Wirtschaftsprüfern.“ Ein durchdachtes Personalmarketing ist also gerade für Call Center wichtig, um Klischees zu entkräften, die eigenen Mehrwerte in den Vordergrund zu rücken und Arbeitnehmer zu gewinnen. Aber wie?
Das hat sich auch der Call Center Betreiber buw gefragt. Vor vier Jahren suchte man rund 500 neue Kundenberater für dessen neu eröffneten Standort in Wuppertal. Allerdings waren sich die Personalmarketing Verantwortlichen durchaus bewusst, dass die wohl größte Hürde, neue Mitarbeiter zu finden, darin bestand, dass dem Beruf des Servicemitarbeiters ein bitterer Beigeschmack anhaftet und dieser viel zu oft unterschätzt wird. Das traf allerdings so gar nicht auf die gesuchten buw-Mitarbeiter zu, die sich intensiv mit technischen Themen auskennen mussten, um Kunden zum Beispiel beim Einrichten eines DSL-Anschlusses zu beraten.
Personalmarketing für Call Center: Von der Idee zur Umsetzung
Eine Personalmarketing-Kampagne war gefragt, die genau diese Botschaft transportierte: Arbeiten bei buw ist anders, als gängige Vorurteile gegenüber der Branche es vermuten lassen. Die Kampagne sollte einprägsam und individuell sein und gleichzeitig viele Menschen ansprechen.
Der Arbeitgeber setzte zunächst auf einen Mix aus verschiedenen Kanälen:
- Zielgruppengesteuerte SEA- und Social-Media-Maßnahmen
- Schaltungen von Stellenanzeigen auf den für das Unternehmen relevantesten Jobbörsen und Jobsuchmaschinen
Beispiele aus der Praxis
Allerdings kristallisierte sich heraus: Das geht nicht auf. Über das WWW konnten gerade einmal 40 Prozent der Stellen besetzt werden. Ein paar Kandidaten kamen auch über traditionelle Printanzeigen herein, die in der Tagespresse geschaltet worden waren.
Doch auch das reichte nicht. Es musste noch ein richtiger Eyecatcher her. Die Wahl fiel auf das Wahrzeichen Wuppertals, dem eine hohe Aufmerksamkeit gewiss war: Die Schwebebahn. Eine Schwebebahn wurde gebrandet und transportierte die Botschaft nach dem mitarbeitersuchenden Call Center in einem großen Umkreis an potenzielle neue Mitarbeiter.
Personalmarketing für Call Center: Eyecatcher der besonderen Art
Der Arbeitgeber ging aber noch weiter und baute die Schwebebahn an dem Tag der Eröffnung seiner neuen Dependance zu einem „schwebenden Callcenter“ um. Zusammen mit dem Oberbürgermeister und vielen weiteren geladenen Gästen wurde die Eröffnung öffentlichkeitswirksam begangen.
Der Arbeitgeber schaffte es, sich auf diese Weise, vom Wettbewerb abzuheben. Er präsentierte sich als innovativ, aufgeschlossen, ideenreich und entfernte sich so vom verbreiteten Ausbeuter-Image seiner Branche.
Der Plan ging mehr als auf. In kürzester Zeit flatterten mehr als 1500 Bewerbungen ein. So erreichte das Unternehmen sein erstes Etappenziel bereits zwei Monate früher als ursprünglich geplant. Gerade der aufmerksamkeitsstarke Außenauftritt kam bei der Bevölkerung an und wurde von den Bewerbern immer wieder positiv hervorgehoben.
Klassische Personalmarketing Kanäle stoßen an ihre Grenzen
Doch nicht immer muss für ein erfolgreiches Personalmarketing für Call Center eine ganze Schwebebahn gebrandet und umgebaut werden. Dass es bereits mit deutlich weniger Aufwand im Personalmarketing für Call Center Großes geleistet werden kann, zeigt das Beispiel des Call Center Betreibers SNT.
Auch er setzte in seinem Personalmarketing auf klassische Kanäle: Die Schaltung von Stellenanzeigen, Social Media und den Besuch von Karrieremessen. Als besonderer Touchpoint zum Bewerber kristallisierte sich für ihn im Jahr 2011 jedoch das Werkzeug des Mitarbeiterempfehlungsprogramms heraus.
Mitarbeiter als Markenbotschafter einsetzen
Inzwischen kommt das Tool immer stärker in der Personalbeschaffung an. Vor acht Jahren war es aber noch nicht besonders verbreitet. Somit war der Arbeitgeber seiner Zeit nicht nur voraus, er nutzte auch die Macht, die Mitarbeiter haben, die als Markenbotschafter auftreten.
Die Idee: Wer könnte potenziellen Talenten authentischer von den guten Bedingungen und Möglichkeiten beim eigenen Brötchengeber berichten, wenn nicht die eigenen Mitarbeiter, die für den Arbeitgeber Jobs empfehlen? Die Hoffnung: Auf diese Weise würden sich bestehende Vorurteile gegenüber der Branche schnell in Luft auflösen. Eingesetzt wurde das Programm nicht nur intern, sondern auch auf den hauseigenen Social Media Kanälen. Der Erfolg ließ nicht lange auf sich warten.
Die Beispiele der beiden Call Center Agenturen zeigen: Personalmarketing funktioniert auch in schwierigen Umfeldern. Wichtig dabei sind zwei Dinge: Die Idee sollte möglichst öffentlichkeitswirksam sein und der Arbeitgeber sollte sich authentisch verkaufen. Dann gehen Personalexperten von folgendem Ergebnis aus: Ende gut alles gut.