Über Fehler spricht man nicht. Gerade im Employer Branding – wo jeder Fehler richtig teuer werden kann – hat sich diese „Weisheit“ über Jahre manifestiert. Doch warum eigentlich? Ein Erklärungsversuch.
Es ist der Wahnsinn. Egal mit wem ich aus der Branche rede – egal in welchem Pitch ich sitze. Alle sind SUPER erfolgreich. Nur selten finde ich PersonalerInnen, die ehrlich sagen „Naja, bei uns gibt es schon die 2-3 Probleme.“ Meist wird es als Verbesserung, als Optimierung oder gar als gewollt verkauft. Seltsam, wenn man bedenkt, dass Fehler eigentlich total klasse sind.
Das Problem: Ich war’s nicht!
„Das Problem sitzt immer vor dem Computer“ hört man seit vielen Jahren. Meist lachen die IT-Jungs und Mädels dabei noch etwas frech, auch wenn der Spruch nun echt schon in die Jahre gekommen ist. Im Grunde haben sie aber recht: Meist (ja, nicht immer) sind menschliche Faktoren verantwortlich für das Scheitern von Projekten und gesetzten Zielen.
Spannend zu beobachten ist dieser Sachverhalt auch in der HR-Szene. In den meisten Analysen die wir durchführen finden wir ganz offensichtliche Fehler, die nur durch menschliches Handeln verursacht werden. Abzustellen sind diese Fehler aber erst dann, wenn die Verursacher das auch erkennen. Quasi sehen: „Hey, das könnte auch an mir oder uns liegen.“
Das Problem dahinter ist das Thema Gesichtsverlust. Da Employer Branding meist schon innerhalb der Vorstände hart erkämpft werden muss, möchte man ungern zugeben, dass hier etwas falsch lief. Es gibt jedoch nur eine Handvoll von wirklich sehr guten Employer Brand Managern in Deutschland – die Fehlerquote muss also relativ hoch sein. Und das ist verdammt gut so!
Warum Fehler echt geil sind
Warum ist es also gut, dass wir alle Fehler machen? Klar, das Offensichtliche: Durch die begangenen Fehler sehen wir Optimierungsbedarf (da, ich schreibe es selber) an Stellen, die wir vielleicht sonst ganz schwer entdeckt haben. Unsere Arbeitgebermarke zeigt uns also deutlich: „Schau da hin! Da ist ein Problem! Das hast du verursacht! Behebe es!“
Nicht ganz so offensichtlich ist der zweite Grund: Der Employer Branding Prozess an sich. Wer Arbeitgebermarketing auch heute noch als „Projekt“ ansieht versteht die Wirksamkeit nicht. Employer Branding gehört fest in (fast) jede Unternehmensstrategie. Es beginnt mit Firmengründung und endet erst dann, wenn es das Unternehmen nicht mehr gibt. Bei Corporate Marketing würde doch auch keiner sagen „Na, lass uns das bis Dezember abgeschlossen haben“
Durch den dauerhaften Gedanken muss Employer Branding zwangsläufig Fehler verursachen. Keine Unternehmensstrategie ist perfekt. Keine Branding Prozess ist perfekt. Nur wir HRler erwarten, dass unsere Arbeitgebermarke keine Schwäche hat. Eigentlich paradox, oder?
Der dritte Grund liegt in der Natur der Sache an sich. Employer Branding ist auch auf Schwächen (bzw. „Ecken und Kanten“) ausgelegt. Nur durch dieses Polarisieren, das Anderssein und die Abgrenzung wird ein Brand wirklich lebendig. Er bekommt eben die gewünschten Ecken und Kanten. Er wird etwas schmutzig und gefällt daher. Es mag doch auch keiner einen anderen Menschen, der immer aalglatt und korrekt ist. Ist doch langweilig.
Arroganz als Anreiz
Leider gibt es in unserer Branche auch einige Ausnahmen. Klar, es gibt die PersonalerInnen, die sich die Fehler nicht eingestehen wollen und können. Das halte ich für absolut normal und eine gute Agentur findet immer einen Weg, diese Problemchen charmant anzusprechen. Dafür sind wir alle Menschen und können den Mund aufmachen, um was zu sagen.
Es gibt aber eben auch diese andere Seite. Die Personen, die aus reiner Selbstüberschätzung keine gutgemeinten und sinnvollen Ratschläge annehmen wollen. Meist sind es – sorry Jungs – ältere Männer in gehobenen Positionen, die so sehr von sich überzeugt sind, dass es keine Möglichkeit zum Austausch gibt.
Alle guten Ideen, alle sinnvollen Analysen oder alle anderen Meinungen werden als „Unsinn“, „Falsch“ oder gar „Lächerlich“ abgewiesen. Natürlich funktionieren bei diesen Personen auch alle Employer Branding Maßnahmen. Jedes Event – auch wenn es noch so pseudo-divers ist – wird gefeiert. Richtige Maßstäbe (qualifizierten Bewerbungen, Einstellungsquoten, cost per hire etc.) können nicht angewandt werden. Es sei ja alles „subjektiv“ und der Erfolg gebe einen recht. Natürlich: wenn man Erfolg daran misst, wie viele Klicks auf der Karriere-Website, wie viele Event-Teilnahmen oder wie viele Awards man gewinnt, ist das absolut korrekt. Wenn man aber Erfolg im Sinne des Employer Brandings misst, wird das Eis sehr schnell sehr dünn.
Entspannt euch
Zum Schluss noch eine unaufgeforderte Weisheit aus vielen Jahren Employer Branding: entspannt euch. Ihr werdet alle Fehler machen. Genauso wie ich Fehler gemacht habe und sicherlich auch noch welche machen werde. Der große Unterschied ist nur: jeder Fehler macht klüger und etwas besser. Man sollte die Bereitschaft haben aus Fehlern zu lernen und ehrlich die eigene Arbeitgebermarke zu betrachten. Dann wird man mit jedem weiteren Schritt weniger Fehler machen.