Wenn es um Fragen rund um die perfekte Bewerbung, die Vermittlung eines guten ersten Eindrucks oder der Erstellung von überzeugenden Bewerbungsunterlagen geht, ist Selma Kuyas die Ansprechperson Nummer Eins im deutschsprachigen Raum. Selma ist Expertin in den Bereichen Selbstmarketing & Bewerbung und unterstützt Bewerbende bei deren Jobsuche mit individuellen Selbstmarketing-Kampagnen.

Wir haben Selma zu Dos and Don'ts bei Bewerbungen und zur Zukunft von Bewerbungsverfahren befragt.
Mit welcher Bewerbungsstrategie werden Bewerbende zur Wunschkandidatin bzw. zum Wunschkandidaten?
Aus meiner Sicht gibt es zwei Aspekte, die zu berücksichtigen sind. Zunächst müssen sich die Bewerber fragen, wie das Unternehmen von ihnen profitieren kann. Welchen Mehrwert bringen sie an den Tisch? Das gilt es in der Bewerbung glasklar aufzuzeigen. Um das zu erkennen, also was man alles zu bieten hat, muss man sich allerdings intensiv mit sich selbst befassen. Hinzukommt der folgende Aspekt: Die meisten Bewerber suchen irgendeinen Job um die Lebenskosten zu bestreiten. Jedoch birgt das langfristig die Gefahr, dass sie beruflich unzufrieden werden. Wer sich selbst gut kennt, weiß was sie oder er anzubieten hat, wird sich auch auf Stellen bewerben, die ihn fordern und beruflich erfüllen.
Darum bedarf es meiner Meinung nach zwei Aspekten, um ein Wunschkandidat zu sein.
Man sollte dem Unternehmen erfolgreich vermitteln, dass man die Lösung für dessen Problem bietet. Denn jede Stellenausschreibung, jedes Jobinserat gibt es nur, weil ein Unternehmen ein Problem hat. Ein Problem im Sinne von Ressourcenmangel: Man- oder eben Womanpower. Darum kann ich den Bewerbern mit auf den Weg geben: Macht diese Selbstreflektion – Wer bin ich? Was möchte ich wirklich? – und präsentiert dann die Lösung des Problems, das das Unternehmen hat. Zusätzlich sollte man als Bewerber unbedingt Selbstreflexion betreiben um zu erkennen, ob der angebotene Job wirklich das bietet, was man selbst will.
Viele Unternehmen können sich mittlerweile für individuelle und innovative Bewerbungen begeistern – Standard war gestern. Welche positiven Entwicklungen kannst du bei Bewerbungen wahrnehmen?
Ich kann nicht direkt wahrnehmen, was die HR-Welt gerne hätte. Was ich aber wahrnehme ist, dass es eine Diskrepanz gibt zwischen den Bewerbungsprozessen aus Recruiter-Sicht und dem, was die Bewerber gerne präsentieren möchten. Die Digitalisierung ist auch im Bewerbungsprozess angekommen. Das heißt, es wird sehr viel mit Automatisierung gearbeitet. Das bedeutet, dass die Informationen des Bewerbers automatisch in Systeme eingepflegt werden und es kann sogar sein, dass ein System eine Vorauswahl trifft. Es gibt auch schon Start-ups, die mittels künstlicher Intelligenz versuchen, den Bewerbungsprozess so wertfrei und vorurteilsfrei wie möglich zu gestalten. Das ist die HR-Seite.
Bei dem Bewerber ist es aber so, dass der klassische Lebenslauf Oldschool ist und ausgedient hat. Ein Bewerber wird kaum Chancen haben aufzufallen, wenn dieser nur aufzählt, was er oder sie alles kann. Das beeindruckt nicht mehr und sticht auch nicht aus der Masse heraus.
Mein Ansatz kommt aus dem Marketing, denn ich versuche ein Gesamtpaket zu gestalten. Ich nenne es keine Bewerbung, sondern eine Selbstmarketing-Kampagne, in der ich als Bewerber dafür sorge, dass meine Bewerbung ansprechend wirkt. Das hat mit Layout, Design und Farben zu tun. Der Inhalt sollte so aufbereitet sein, dass ich das Leben des Lesers – der ja meine Zielgruppe ist – so einfach, wie möglich mache. Dieser kann dann mit den Informationen die ich liefere, eine Bewertung machen.
Darum ist mein Ansatz, dass der Inhalt und die Verpackung einer Bewerbung auffallen müssen. Es ist nicht damit getan, dass sie kreativ und visuell designt wirkt, sondern der Inhalt ist das, was zählt. Hier muss der Bewerber wegkommen von der Berufsbiographie hin zu einer Darstellung der Problemlösung und der eigenen Vision in Zusammenhang mit der Stellenausschreibung. Eine Bewerbung kann somit als Verkaufsflyer von sich selbst bezeichnet werden.
In vielen Köpfen gibt es sicher noch immer das Verständnis:Eine perfekte Bewerbung kann an einer Lücke im Lebenslauf scheitern. Was würdest du Bewerbenden bei einer Lücke im Lebenslauf raten? Sollte diese im Bewerbungsschreiben oder Vorstellungsgespräch angesprochen werden oder sollten sie lieber schweigen? Wie schlimm sind Lücken im Lebenslauf wirklich?
Es liegt auf der Hand, dass mit Corona tausende Menschen auf der Welt ihre Jobs verloren haben. Die Pandemie hat auch die Wirtschafts- und Handelswelt durcheinandergeschüttelt. Solche Personen werden wahrscheinlich eine größere Lücke haben und das ist für mich eine Chance. Es ist eine Chance auch der HR-Welt zu zeigen, dass eine Lebenslauflücke nichts ist, was ein Bewerberprofil abwerten sollte.
Das spiegelt einfach das Leben wider. Egal, ob jemand ein Kind bekommen hat oder eine Krankheit hatte: Es ist das Leben und ich möchte vom Lücken vertuschen müssen oder sich dafür rechtfertigen, wegkommen. Das gebe ich auch meinen Coachees mit auf den Weg. Sie sollen selbstbewusst dazu zu stehen, dass es ihr Leben ist. Es ist schließlich nicht möglich Beruf und Privatleben zu trennen. Wenn ich beim Snowboarden einen Sturz hatte, wird es mein Berufsleben tangieren.
Daher ist mein Ratschlag, die Lücke keinesfalls zu vertuschen. Seid stattdessen selbstbewusst und steht zu euren Lücken. Bewerber sollten es vermeiden, die Lücken als „Stellensuche“ oder „Arbeitslos“ zu umschreiben. Das wirkt eher so, als hätte der Bewerber in dieser Zeit nur Absagen erhalten. Stattdessen empfehle ich, dass eine Lücke mit ein bis zwei Sätzen im Lebenslauf erklärt wird. Was hat man in der Zeit getan? Ein neues Hobby, der Besuch eines Kurses oder das Erlernen einer neuen Fähigkeit stellen Kompetenzen dar. Diese Skills ermöglichen es, dass die Lücke kein Stolperstein mehr darstellt.
Daher wünsche ich mir ganz fest, das Recruiter und Personaler Lebenslauflücken als das Leben akzeptieren und nicht als ein Versagen oder Scheitern. Bewerber müssen hier jedoch den Anfang machen und selbstbewusst zu der Lücke zu stehen, aber auch aufzeigen, welche Skills in der Zeit erworben wurden.
Bewerbungen sind meist nicht fehlerfrei. Welche Fehlerquellen treten deiner Meinung nach am häufigsten auf?
Die häufigste Fehlerquelle hat weniger mit der Formatierung, Rechtschreibefehlern oder einer falschen Ansprache zutun. Die häufigsten Fehler, die ich sehe, sind inhaltlich. Ich bemerke, dass Bewerber nicht darauf eingehen, wer sie selbst sind. Sie erzählen nur von ihren Features, aber nicht von den Benefits. Ich denke, dass ein Buchstabenverdreher in der heutigen, digitalen Welt kein Ausschlusskriterium, wie vor 50 Jahren darstellt. Deshalb finde ich es wichtig, dass Bewerber den Fokus auf den Inhalt ihrer Message legen. Der Bewerber sollte daher nicht nur sagen, was er zu bieten hat, sondern auch wie er Aufgaben erledigt und warum.
Unsicherheit im Vorstellungsgespräch oder beim Verfassen des Bewerbungsschreibens resultiert meist aus einem falschen Mindset des Bewerbenden. Wie können Bewerbende mehr Selbstsicherheit gewinnen? Was sind deine Tipps?
Mein erster Vorschlag ist: Du solltest als Bewerber über die Bücher gehen und reflektieren, wer du bist, was du kannst und was du bisher erreicht hast. Wenn das dann in der Bewerbung als Angebot an den Arbeitgeber aufgearbeitet wird, dann wird ein Bewerber auch gelassen in das Jobinterview reingehen. Das Jobinterview ist eigentlich nur eine Validierung der Bewerbung. Es geht um das Zwischenmenschliche und somit darum, dass der Personaler die Überzeugung und Energie des Bewerbenden spürt. Wenn du als Bewerber diese Vorarbeit gemacht und dich reflektiert hast, dann wirst du dich selbst auch im Gespräch präsentieren können. Auf Fragen, wie die drei ausgeprägtesten Stärken, werden Bewerber dann schnell antworten können, da die Vorarbeit dazu bereits geleistet wurde.
Dann gibt es natürlich auch gewisse Vorkehrungen, die Bewerber treffen können. Beispielsweise sollten sie darauf achten, dass sie früh genug beim Vorstellungsgespräch sind. Am Tag zuvor können sie sich bereits ansehen, welche Route sie nehmen müssen, wann der Bus oder Zug fährt, um so keine Hektik aufkommen zu lassen. Was natürlich auch super wichtig ist, ist es vor dem Gespräch den eigenen Körper zu beeinflussen. Das heißt Power-Posing. Hierbei können Bewerber eine selbstbewusste Haltung vor dem Spiegel einnehmen. Auch, wenn man sich eventuell doof vorkommt: es funktioniert. Es gibt Studien, die bewiesen haben, dass Personen die dies vor dem Vorstellungsgespräch machen, mehr Erfolg hatten und selbstbewusster wirkten. Du als Bewerber erzwingst mit dieser selbstbewussten Haltung eine Änderung des Mindsets. Das würde ich unbedingt empfehlen.
Ein weiterer Tipp von mir für Online-Jobinterviews in den eigenen vier Wänden: stehen. Wenn ich hier im Interview bin oder Coachings halte, stehe ich immer. Warum? Weil der Brustkorb offen ist, ich mehr Luft habe und die Stimme eine andere Resonanz hat. Zudem fühle ich mich geerdet und kann mit meinem Körper so meine Ausstrahlung beeinflussen. Daher fände ich es auch so cool, wenn Vorstellungsgespräche nicht in einem Sitzungszimmer am Tisch stattfinden würden, sondern beispielsweise beim Spazierengehen. Dadurch würde der Bewerber die ganze Situation anders erleben. Es wäre wie ein unkompliziertes Gespräch, während der Bewerbung.
Mittlerweile gibt es viele Bewerbungsformen: Bewerbungsschreiben, Videobewerbung, Bewerbung per Sprachnachricht und der direkte Pitch am Telefon. Welche Bewerbungsformen sind für dich zukunftsfähig und was für Bewerbungsformen könnten zukünftig hinzukommen?
Ich kann Social Media empfehlen. Es ist most underrated und somit die Möglichkeit, die am wenigsten Beachtung bei Stellensuchenden und Bewerbern findet. Sie unterschätzen das Potenzial von Social Media massiv. Hier spreche ich nicht nur von LinkedIn, ich spreche auch von Instagram und TikTok. Auf diesen Kanälen können sich Bewerber klasse positionieren und auf sich aufmerksam machen. Ich verfolge immer den Ansatz: Werde gefunden und gehe nicht suchen. Es ist viel angenehmer und gleichzeitig viel effizienter.
Dieses „Werde gefunden“ hat auch damit zu tun, dass die Rekrutierung immer digitaler wird. Active Sourcing und somit das aktive Suchen von Unternehmen nach passenden Kandidaten ist bereits automatisiert. Hier werden Daten herangezogen, die auf Social-Media-Plattformen gefunden werden. Wer dort aber nicht präsent ist bzw. nicht weiß, das Hashtags oder Keywords verwendet werden müssen, hat geringe Chancen gefunden zu werden. Es liegt aber in der Verantwortung von jedem selbst, sich das nötige Wissen zu holen.
Ich habe beispielsweise auch einen Blog, indem ich Anleitungen gebe, wie der digitale, verdeckte Arbeitsmarkt angegangen werden kann. Studien in Deutschland sagen zudem, dass 60 Prozent der Stellen unter der Hand vergeben werden und somit in diesem verdeckten Arbeitsmarkt. Dann ist doch klar, dass der Anteil an Zeit, die insgesamt in die Bewerbung investiert wird, für diesen verdeckten Stellenmarkt doppelt so groß sein sollte, wie für die Online-Stellenbörse. Eine Studie von TalentWorks konnte beweisen, dass die eigene Chance bei einer Online-Stellenbörse bei mageren 2 Prozent liegt, dass man selbst einen Job bekommt.
Es geht daher darum, dass die Bewerber von heute sich nicht mehr als Bittsteller wahrnehmen, sondern als Dienstleister.
Welchen EINEN Tipp würdest du Bewerbenden geben, wenn du nur einen geben dürftest?
Ganz klar digital visibel zu werden. Es gibt ganz viele Leute, die auf Social-Media-Plattformen nicht präsent sind. Ich weiß aus erster Hand, aus meiner Erfahrung, dass sich das Recruiting immer mehr in die digitale Sphäre verlagern wird. Es gibt so viele neue Innovationen auf dem Markt und da muss ein Bewerber präsent sein und gefunden werden können. Wenn ich meinen Namen in Google eingebe, ist die erste Position im Suchergebnis das eigene LinkedIn-Profil. Das ist unglaublich wertvoll. Es gibt ganz viele Unternehmen, die tausende Euro investieren, um auf Position Nummer Eins zu sein. Du als Bewerber bekommst das aber kostenlos. Glaube nicht, dass ein Personaler, der Interesse an dir als Kandidat hat, dich nicht googlen oder zumindest auf LinkedIn suchen würde.
Wer heute auf Social Media als Fachkraft noch nicht präsent ist, muss das dringend ändern. Der CV und die Bewerbung werden aussterben. Auf einem CV gibt es schließlich nicht viel mehr Informationen als im LinkedIn-Profil. Die Unternehmen werden sich irgendwann entscheiden, ob sie die Papierbewerbungen noch haben möchten oder digital werden. Daher ist der Tipp ganz klar: Werde präsent auf Social-Media-Plattformen wie LinkedIn oder Xing.
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Auch ihr ganz persönliches Selbstmarketing hat Selma perfektioniert und gehört so zu den „LinkedIn Top Voices 2020“. Auf ihrem Blog, ihrem Instagram-Channel, auf YouTube, Facebook und in ihrem Podcast gibt sie zudem weiterführende Tipps an ihre Community.