Eva Stock ist Head of Business Relations bei Jobufo und spricht darüber hinaus als Speakerin, Bloggerin und Autorin immer wieder über HR-Themen, unter anderem auf ihrem persönlichen Blog HRISNOTACRIME. Wir haben sie zu ihrer Meinung, dem Umgang von Jobufo mit neuen Bewerbungstrends und der strategischen Ausrichtung des Recruiting Assistant im Hinblick auf digitale Bewerbungsformen befragt. Lesen Sie hier Teil 2 des Interviews.
Nicht jedem fällt das Auftreten vor einer Kamera leicht. Haben Bewerbende mit perfekten Qualifikationen aber einem unsicheren Verhalten vor der Kamera nicht einen Nachteil gegenüber anderen Bewerbenden, wodurch geeignete Kandidatinnen und Kandidaten den Unternehmen verwehrt bleiben?
Die Prämisse lautet: Wir zwingen niemanden, ein Video aufzunehmen, um sich zu bewerben. Ziel ist, dass jeder sich so bewerben kann, wie es sich richtig anfühlt für die Person. Ich finde es ganz wichtig, dass niemand gezwungen wird, sich über eine bestimmte Art zu präsentieren, die ihr oder ihm nicht richtig liegt. Unser Ziel ist es, dass mit Jobufo jeder seine perfekte Bewerbung erstellen kann – die auch gleichzeitig den Ansprüchen der Recruiterinnen und Recruiter genügt. Es gibt aber definitiv bestimmte Vorbehalte gegenüber der Videobewerbung, nach dem Motto: Für den extrovertierten Vertriebler ist es mit Sicherheit ein super Tool, aber ITler machen sowas nicht (um auch nochmal ein paar Klischees zu bedienen).
Aus unserer Erfahrung erstellen die introvertierten Kandidatinnen und Kandidaten in der Regel schneller ihr “perfektes” Bewerbungsvideo, weil sie sich sehr darauf konzentrieren, was sie in ihren eigenen Worten rüberbringen möchten. Die oder der Extrovertierte achtet hingegen eher darauf, wie er oder sie sich präsentiert, wie die Optik ist und ob noch ein smartes Zwinkern im Auge im Video eingebaut werden kann. Am Ende stehen bei beiden Persönlichkeitstypen sehr gute Videos – aber sie transportieren eben eine andere Persönlichkeit, was ja das Spannende daran ist.
Es gibt auch immer mehr Kandidatinnen und Kandidaten, die humorvoll mit den Videos umgehen und beispielsweise Outtakes dazu schneiden. Das zeigt, wie sehr sich der Umgang mit dem Medium verändert – und das im Übrigen nicht nur in einer jungen Zielgruppe. Ich finde es beruhigend zu sehen, dass Bewerbende bereit sind, sich etwas zu trauen und auch humorvoll mit dem “strengen Akt” des Bewerbens umgehen. Wer sich selbst nicht zu ernst nimmt und bereit ist, mit Fehlern umzugehen, hat auf dem Arbeitsmarkt der Zukunft sehr gute Chancen. Und wer sich mit der Option nicht wohlfühlt, kann –zumindest mit dem Recruiting Assistant – immer auch auf eine alternative Bewerbungsform zurückgreifen.
Inwiefern werden neue Bewerbungsformen, wie die Bewerbung per Video, Sprachnachricht oder via WhatsApp, die Bewerbungsprozesse für die HR-Abteilungen verändern?
Durch neue Bewerbungsformen entsteht ein direkter und weniger anonymisierter Kontakt zu Bewerbenden. Die formalen Schwellen, die vorherrschen, werden einfach abgebaut. Im Bestfall ist es so, dass ich als HRlerin oder HRler die Kandidatin oder den Kandidaten schon mit der Bewerbung kennenlerne in Form einer Sprachnachricht oder eines Videos.
Was aber auch Unternehmen immer deutlicher wird: Auch sie hinterlassen mit dem Anbieten neuer Bewerbungsformen einen bleibenden Eindruck bei Kandidatinnen und Kandidaten. Als Recruiterin oder Recruiter oder Unternehmen ist es daher sinnvoll, auch selbst ein kurzes Video zu produzieren, um klarzustellen, warum es gut ist, sich auf die eine oder andere Art zu bewerben. Das baut Hürden ab und verändert die Kommunikationswege. Kandidatinnen und Kandidaten werden direkter adressiert und das ohne formale Hürden in Form von Formularen oder kilometerlangen Karriereseiten. Ein direkter Kontakt ist so von Beginn an möglich und unterstützt damit nachhaltiges Recruiting.
Jedes Unternehmen hat in der Regel ein standardisiertes Bewerbermanagementsystem. Wie kann die Videobewerbung dort eingebunden werden?
Ich kann leider noch nicht zustimmen, dass bereits in jedem Unternehmen ein standardisiertes Bewerbermanagementsystem vorhanden ist. Ich hoffe aber, dass die Pandemie hier viele Unternehmen zum Umdenken gebracht hat, beziehungsweise merke ich davon schon erste Anzeichen. Aber ansonsten trifft die Frage genau einen Nerv: Viele auf dem Markt befindliche Tools schaffen es eben nicht, nahtlos an jedes beliebige Bewerbermanagementsystem anzudocken – es gibt da meist ein paar Partner-Systeme, aber ansonsten müssen sich die Personalerinnen und Personaler auf einer Extra-Plattform anmelden. Dass wir mit unserem Jobufo Recruiting Assistant an jedes Bewerbermanagementsystem andocken können, ist ein wichtiges Alleinstellungsmerkmal für uns. Und ehrlich gesagt war das auch ein Grund, weshalb ich aus der operativen HR-Arbeit zu einem Dienstleister gewechselt bin. Ich will, dass die HR-Arbeit ein Stück einfacher wird – und nicht komplizierter. Unser Recruiting Assistant kann ohne IT-Aufwand an das vorhandene System angedockt werden und das ist so einfach, dass jede HR-Abteilung das selbst machen kann. Das Zweite ist natürlich die Frage nach der Standardisierung. Die innovative Bewerbung soll am Ende so im System ankommen, dass sie mit anderen “herkömmlichen” vergleichbar ist. Auch hier machen wir uns als Anbieter beständig Gedanken und wollen es auch für die HR-Seite so angenehm wie möglich machen. Dabei hilft uns das Feedback unserer Kundinnen und Kunden und aus unserem HR-Netzwerk. Wir wollen am Ende eine Lösung, die beide Seiten weiterbringt: HR und Bewerberinnen und Bewerber.
Sind Videobewerbungen wirklich für jede Stelle geeignet?
Wir haben mittlerweile über 150 Kundenunternehmen und über 150.000 Stellenanzeigen in unserer Datenbank. Wir haben mit Jobufo vor gut fünf Jahren als App angefangen, die damals vor allem auf junge Zielgruppen und rein auf die Videobewerbung ausgerichtet war. Das hat sich aber über die Dauer, die wir am Markt sind, komplett geändert. Neue Bewerbungsformen sind im Trend und das nicht nur bei Berufseinsteigerinnen und -einsteigern oder Young Professionals. Auch gestandene Expertinnen und Experten und Führungskräfte nutzen unser Angebot, weil sie etwas von sich und ihrer Persönlichkeit transportieren möchten.
Auf der einen Seite gibt es natürlich eher extrovertierte Berufszweige wie den Vertrieb, Front-Office-Tätigkeiten oder das Arbeiten im Callcenter. Hier steht und fällt vieles mit der Stimme, der Präsenz und dem gesamten Auftreten. Das wissen die Bewerberinnen und Bewerber auch und nutzen daher gerne das Medium Video oder Sprachnachricht. Doch auch in der IT und im Tech-Bereich ist es heutzutage so, dass die Jobs vielfältig sind und unterschiedliche Herausforderungen an die Menschen stellen. Und auch in dieser Branche gibt es extrovertierte und introvertierte Persönlichkeiten. Alle beschäftigen sich aber gerne mit neuen Technologien und digitalen Tools. Da kann man mit einem interaktiven Bewerbungsprozess natürlich als Arbeitgeber ganz anders punkten.
Neue Bewerbungsformen wie z. B. die Videobewerbung sind somit nicht nur für eine Zielgruppe geeignet und sie werden auch nicht nur von einer Zielgruppe genutzt. Wir sehen, dass wir von Schülerpraktikantinnen und -praktikanten bis hin zu Führungskräften alle Bewerbenden im Pool haben – und das auch branchenübergreifend. Der Trick ist, dass man als Arbeitgeber für jede Zielgruppe eine Antwort haben sollte – bereits mit der Bewerbung. Daher haben wir den Recruiting Assistant auch vielfältig gestaltet. Unsere ganze Welt funktioniert doch mittlerweile individualisiert und personalisiert. Ich kann das suchen, was zu mir passt: Egal ob beim Shopping oder beim Banking. Warum nicht im Bewerbungsprozess? Warum setzt man da auf die immer gleichen Mechanismen?! Das zu ändern, ist unser großes Ziel mit Jobufo.
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