- Was kennzeichnet den situativen Führungsstil?
- Was kennzeichnet den situativen Führungsstil?
- Welche Kernkompetenzen besitzen situative Führungskräfte?
- Führen nach Reifegrad: Die vier Stufen
- Was sind Vor- und Nachteile des situativen Führungsstils?
- Welche Voraussetzungen müssen im Unternehmen erfüllt sein, um situativ führen zu können?
- Fazit: Führungsverhalten an die Entwicklung von Mitarbeitenden anpassen
- Weiterführende Quellen
Situative Führung
Der situative Führungsstil lenkt den Fokus auf die individuellen Fähigkeiten sowie auf die Bereitschaft und Erfahrung von Mitarbeitenden. Diese Form von Führung holt jeden einzelnen Mitarbeitenden dort ab, wo er oder sie sich gerade befindet. Statt starr zu leiten, gehen Vorgesetzte je nach Situation flexibel auf den Einzelnen ein. Führungsaufgaben verändern sich demnach mit der Entwicklung des Talents. Die Wissenschaft spricht hier auch vom Reifegrad einer Person.
Mal dirigierend, ein anderes Mal beratend, fördernd oder delegierend: Der situative Führungsstil vereint mehrere Ansätze miteinander.
Was kennzeichnet den situativen Führungsstil?
Was kennzeichnet den situativen Führungsstil?
Wie ein Team-Lead seine Mitarbeitenden leitet, ist im situativen Führungsstil von der individuellen Situation abhängig. Die Herangehensweise beruht auf der Annahme, dass es nicht die eine perfekte Managementform gibt. Die Theorie dahinter: Mitarbeitende eines Teams befinden sich in verschiedenen Entwicklungsstufen – Fähigkeiten, Erfahrungswerte und die Leistungsbereitschaft unterscheiden sich zwischen jedem Einzelnen.
Führungskräfte orientieren sich nach dem Modell bei der Wahl ihres Stils am Reifegrad einer Person. Ist die Person unmotiviert, ungelernt oder doch hochmotiviert und arbeitet selbstbestimmt? Je nach Antwort ändert sich die Rolle der Führungskräfte für die bestimmte Person. Durch gezieltes Reagieren auf die Situation fördern sie ihre Talente im Team effizient. Statt sich auf die Schwächen zu konzentrieren, beruhen Entscheidungen auf den Stärken einer Person. So übernehmen Mitarbeitende immer so viel Verantwortung, wie sie in der Situation bereit sind zu tragen.
Situative Führung nach Hersay und Blanchard
Das situative Führungsmodell stützt sich auf die Situational-Leadership-Theory von Paul Hersay und Ken Blanchard. Die Hypothese: Entscheidungen auf Leitungsebene sind umso erfolgreicher, je flexibler Führungskräfte auf die individuellen Gegebenheiten einer Situation reagieren.
Nach dem Modell von Hersay und Blanchard durchlaufen die Mitarbeitenden eine Art Lebenszyklus. Dieser besagt, dass sie zu Beginn der Zusammenarbeit weder willig noch fähig sind, ihre Aufgaben selbstständig zu erledigen. Im Laufe des Lebenszyklus entwickeln sie sich zu Talenten, die willig und fähig sind.
Führungskräfte könnten entsprechend mit Fortlauf des Zyklus vom Micromanagement ins Makromanagement wechseln. Hersay und Blanchard nennen es nicht Micro- und Makromanagement, sondern aufgaben- oder beziehungsorientiertes Führen. Der Vergleich zu den einzelnen Management-Disziplinen führt jedoch zur Kernaussage: Mitarbeitende erhalten mit steigender Entwicklung bzw. höherem Reifegrad mehr und mehr Freiräume.
Der situative Führungsstil im Spannungsfeld zu anderen Führungsstilen
Im Vergleich zu anderen Führungsstilen gibt es bei der situativen Führung kein richtig oder falsch. Führungskräfte können sich aus allen bereits vorhandenen Stilen bedienen und je nach Situation das eigene Verhalten anpassen. Charakteristisch für den situativen Führungsstil ist der Fördergedanke. Durch Flexibilität und Befähigung sollen Führungskräfte ein Umfeld schaffen, welches die Entwicklung von Mitarbeitenden bestärken. Möglichst flexibel reagieren sie dann auf die jeweilige Gegebenheit und richten Lösungen im Interesse des Mitarbeitenden aus.
Warum sich modernes Leadership durch situatives Führen auszeichnet
In der Realität lassen sich Lebens- uns Arbeitswelten nicht in Modellen erschließen. Die Realität ist weitaus komplexer: Je nach Aufgabe, Position oder Umständen im Leben benötigen Mitarbeitende mehr oder weniger Führung.
Reduzieren Unternehmen das situative Führungsmodell auf dessen Kernaussage – Mitarbeitende entlang der eigenen Entwicklung zu fördern – ist moderne Führung mit diesem möglich. Die flexiblen Spielräume des Stils ermöglichen es erst, auf die individuellen Bedürfnisse eines jeden Mitarbeitenden einzugehen. Führung bedeutet in diesem Sinne nur so stark zu leiten, wie Mitarbeitende es benötigen. Gute Führungskräfte wissen somit, wann sie kontrollieren müssen und wann sie Talenten eine grüne Spielwiese bieten müssen, um erfolgreich zu sein.
Praxisbeispiele zeigen, wie unterschiedlich Führung im situativen Modell aussehen könnte:
- Dirigierend: Wenn ein neues Mitglied in das Team aufgenommen wird, muss es zunächst in die Verantwortungen und Bereiche der neuen Aufgabe eingewiesen werden.
- Teilhabend: Bereits vorhandene Teammitglieder kennen die eigenen Aufgabenbereiche. Sie sind darauf angewiesen, dass Führungskräfte informierend tätig sind und die Gesamtziele im Auge behalten.
- Beratend: Übernehmen Mitarbeitende neue Projekte in einem bereits bekannten Bereich, benötigen sie ihre Führungskräfte, um Meinungen, Tipps oder Impulse einzuholen.
- Delegierend: Die Zusammenarbeit mit kreativen Freelancer:innen soll Unternehmensbereiche outsourcen. Flexibilität ist hier die Grundvoraussetzung, damit sie ihre Expertise zugunsten des Unternehmens einsetzen.
In den einzelnen Phasen greifen Führungskräfte wieder verschiedene Führungsstile auf. Sind sie dirigierend tätig, handeln sie häufig autokratisch und autoritär. Nehmen Sie hingegen aktiv an der Entwicklung des Mitarbeitenden teil, zeigen sich Grundzüge des charismatischen und kooperativen Führungsstils im Verhalten.
Beratend tätig zu sein, bedeutet für Führungskräfte wiederum empathisch zu sein. Und sobald sie nur noch Verantwortung delegieren, lassen sie den Laissez-Faire-Stil durchblicken. Nach diesem Muster lernen Mitarbeitende ihre Führungskraft zunächst als autoritäre Instanz kennen. Im Verlauf der Zeit entwickeln sie sich im Laissez-Faire-Stil ins komplette Gegenteil.
Die Grundzüge des Modells sind somit nicht 1:1 in der Realität umzusetzen. Bleiben Führungskräfte ihrer Linie treu und sind dennoch offen für die Herausforderungen der jeweiligen Situation, nutzen sie das volle Potenzial des situativen Führens.
Welche Kernkompetenzen besitzen situative Führungskräfte?
Kernkompetenzen der Führungskräfte beziehen sich auf die Fähigkeit, innerhalb eines gesetzten Rahmens möglichst flexibel auf die individuellen Bedürfnisse des Gegenübers zu reagieren. Dabei dürfen sie die Aufgaben und Ziele nicht aus den Augen verlieren.
Beziehungsorientierte und aufgabenorientierte Führungsmodelle stehen sich im situativen Führungsmodell diesbezüglich gegenüber.
Bei den aufgabenorientierten Herangehensweisen setzen Vorgesetzte an Aufgaben geknüpfte Ziele und Erwartungen voraus. Führungskräfte sind in diesem Fall entweder dirigierend oder delegierend tätig. Er bietet sich beispielsweise an, wenn Mitarbeitende noch viele Informationen benötigen, aber auch wenn sie selbstbestimmt handeln. Dann beschränkt sich die Führungsrolle darauf, Verantwortung zuzuweisen, Ziele zu definieren und Deadlines zu setzen.
Kernkompetenzen für aufgabenorientiertes Führen:
- zielorientiertes Denken
- resilientes Auftreten
- problemlösende Fähigkeiten
- hohes Maß an Selbstreflektion
- Projektmanagement-Fähigkeiten
- Die Fähigkeit, Komplexität zu reduzieren
- argumentationsstark
Bei der beziehungsorientierten Herangehensweise sind hingegen soziale Kompetenzen gefragt. Eine konstruktive Feedbackkultur, ein offener Austausch zwischen Team-Lead und Teammitglied sowie eine emotionale Intelligenz sind hier Kompetenzen, die Führungskräfte mitbringen. In diesem Szenario beraten sie ihre Talente oder nehmen an ihrer Arbeitswelt aktiv teil – sei es durch Zuarbeit, Informationsbereitstellung, Empathie oder durch bestärkende Worte.
Kernkompetenzen für beziehungsorientiertes Führen:
- empathisches Auftreten
- Wahrnehmen einer Vorbildsfunktion
- Auftreten als Teamplayer
- verhandlungssicher und durchsetzungsfähig
Führen nach Reifegrad: Die vier Stufen
Das Modell von Hersay und Blanchard unterteilt die Mitarbeiterführung in vier verschiedene Entwicklungsstufen: geringer, mittlerer, höherer und hoher Reifegrad. Von ihnen ist abhängig, in welchem Verhältnis Führungskräfte aufgaben- und beziehungsorientiert eigene Mitarbeitende entwickeln.
Geringer Reifegrad: Aufgaben dirigieren
Gemäß des Modells sind Mitarbeitende, die einen geringen Reifegrad aufweisen, weder willig noch fähig, ihre Verantwortungen ohne leitende Instanz umzusetzen. Übertragen wir die Annahmen des Modells in realitätsnahe Umgebungen, könnte die Probezeit eine Führungssituation sein, in der ein Talent nur einen geringen Reifegrad besitzt. Im Onboarding erwirbt das Talent weiterführende Fähigkeiten. Die Motivation zu arbeiten, ist zwar da, die Unsicherheit jedoch noch hoch.
Den situativen Führungsstil setzen Vorgesetzte hier aufgabenorientiert um. Während sich das Talent noch an die neuen Gegebenheiten im Job gewöhnt, benötigt es klare Strukturen. Diese definiert die Führungskraft durch klare Vorgaben, Deadlines, Leistungskontrollen und einem realistischen Erwartungsmanagement.
Aufgaben der Führungskraft bei geringem Reifegrad:
- Detaillierte Übersichten zur einzelnen Aufgabe bereitstellen
- Anforderungen zuteilen und einarbeiten
- Arbeitspläne entwickeln und Aufgaben für den Mitarbeitenden priorisieren
- Ziele und Fristen klar definieren
- Erfolge aufzeigen und Feedback geben
Mittlerer Reifegrad: Talente überzeugen
Im Laufe der Zeit wird das Talent zum festen Teammitglied. Es ist nun willig, jedoch noch nicht fähig – so das Modell. Das Talent möchte sich somit aktiv weiterentwickeln, es fehlen jedoch noch die passenden Fähigkeiten. Aufgaben- und beziehungsorientierte Verhaltensweisen der Führungskraft halten sich hier die Waage. Führungskräfte geben hier bereits etwas Kontrolle auf Aufgabenebene ab, fordern sie hingegen auf Beziehungsebene aktiv ein.
In diesem Beispiel würde die Führungskraft weiterhin Verantwortung klar verteilen und kontrollieren, den Mitarbeitenden aber auch in dessen Entwicklung bestärken. Auf sozialer Ebene könnte dies in Form der Bewilligung eines Coachings erfolgen oder durch regelmäßige Feedbackgespräche, welche die Lernkurve des Mitarbeitenden beschleunigen.
Aufgaben der Führungskraft bei mittlerem Reifegrad:
- Aufzeigen, wie die einzelne Aufgabe auf das große Ganze wirkt
- Zusätzliche Aufgaben und Einweisungen bereitstellen
- Seminare und Weiterbildungen offerieren
- Regelmäßiges Feedback zur Zusammenarbeit geben
- Mitarbeitende in ihrer Tätigkeit und Entwicklung ermutigen
Höherer Reifegrad: Talente beraten
Mittlerweile ist das Talent fähig, die eigenen selbstständig Verantwortung zu übernehmen. An Selbstvertrauen fehlt es aber beispielsweise, um die eigenen Aufgaben vor dem Vorstand zu präsentieren. Hier verschiebt sich das Gleichgewicht zwischen Aufgaben- und Beziehungsebene wieder. Führungskräfte wissen, dass das Talent die zugeteilten Verantwortungen zuverlässig bewältigt. Kontrollen finden jetzt weniger statt. Das Talent erhält mehr Verantwortung.
Aufgaben der Führungskraft finden nun vorwiegend auf Beziehungsebene statt. In einer beratenden Funktion bestärken Vorgesetzte ihre Talente. Mentoring-Ansätze, aber auch wertschätzend lobendes Feedback oder das Suggerieren von Rückhalt fördern hier die Entwicklung des Mitarbeitenden.
Aufgaben der Führungskraft bei höherem Reifegrad:
- Aktiv Fragen stellen und zuhören
- Mitarbeitende motivieren und befähigen
- Empathisch führen
- Lösungen bei Problemen erarbeiten
Hoher Reifegrad: Aufgaben delegieren
Erfolgreiche Führung nach dem situativen Modell endet im vierten Reifegrad. Der Mitarbeitende ist nun willig und fähig zu arbeiten. Das Modell suggeriert an dieser Stelle, dass aufgaben- und beziehungsorientierte Anforderungen für Führungskräfte nun auf ein Minimum beschränkt sind. Sie müssen nun nur noch Verantwortungen delegieren und die passenden Freiräume zur Bearbeitung schaffen. Mitarbeitende sind quasi ausgelernt.
Aufgaben der Führungskraft bei hohem Reifegrad:
- Erfolge anerkennen und wertschätzen
- Gelegenheiten und neue Herausforderungen anbieten
- Mitarbeitenden selbst für Führungspositionen vorbereiten
- Mitarbeitende zu innovativen Ansätzen ermutigen
Was sind Vor- und Nachteile des situativen Führungsstils?
Die Führungskraft greift beim situativen Führungsstil nur so weit in die Aufgaben eines Mitarbeitenden ein, wie dieser Unterstützung benötigt – sei es auf operativer oder sozialer Ebene. Vorteile ergeben sich hier vor allem aus der Anpassungsfähigkeit des eigenen Führungsverhaltens. Teamleads bleiben so flexibel, wie sie auf Situationen reagieren und in welcher Weise sie Mitarbeitende leiten. Managen sie Mitarbeitende nur im benötigten Umfang an, erhöht dies auch die Selbstbefähigung des Mitarbeitenden.
Richtig umgesetzt, wirkt sich ein situativer Führungsstil motivierend und leistungsstärkend aus.
Der Erfolg der situativen Führung steht und fällt jedoch mit der Führungskompetenz des Vorgesetzten. Flexibilität in der Führung bedeutet Feingefühl zu beweisen und ein gutes Gespür dafür zu haben, was die eigenen Mitarbeitenden im unmittelbaren Moment benötigen. Das Urteilsvermögen der Führungskraft muss demnach sehr ausgeprägt sein. Zeitgleich muss die Führungskraft mehrere Führungsstile beherrschen. Während einige Mitarbeitende in agilen Umfeldern besser arbeiten, benötigen andere wiederum klare Hierarchien und Aufgabenzuweisungen.
Eine Führungskraft muss in dem Sinne aufpassen, dass sie zwar anpassungsfähig ist, jedoch glaubwürdig und authentisch bleibt. Dies ist der Schlüsselfaktor, um das Vertrauen von Mitarbeitenden zu gewinnen. Eine Führungskraft, die vom empathischen in einen autoritären Führungsstil wechselt, schürt Unsicherheit unter den Mitarbeitenden.
Statt zwischen Führungsstilen zu schwanken, müssen Vorgesetzte Strategien entwickeln, die sich in einem Stil zusammenfassen lassen. Kommunikation offenbart, welche Reaktion in der jeweiligen Situation notwendig ist.
Welche Voraussetzungen müssen im Unternehmen erfüllt sein, um situativ führen zu können?
Der situative Führungsstil ist von zwischenmenschlicher Kommunikation geprägt. Die Basis für offene und ehrliche Gespräche mit Mitarbeitenden ist eine Vertrauenskultur. Diese Vertrauenskultur ist von konstruktiven Feedbackgesprächen in beide Richtungen geprägt. Entwicklungsorientierte Unternehmensstrukturen, die Weiterbildungsangebote einschließen, sind ebenfalls von Vorteil. Allgemein muss das Unternehmen jedoch flexible und anpassungsfähige Rahmenbedingungen schaffen. Nur wer in agilen Umfeldern situativ führt, ist auch erfolgreich.
Fazit: Führungsverhalten an die Entwicklung von Mitarbeitenden anpassen
Beim situativen Führen gibt es kein richtig oder falsch. Genau hier liegt die Herausforderung: Ein hohes Urteilsvermögen, Selbstreflektion und Kommunikationsgeschick sind die Kernkompetenzen einer situativen Führungskraft. In agilen Umfeldern können Führungskräfte ihre Mitarbeitenden so befähigen und in ihrer Entwicklung stärken. Sowohl aufgaben- als auch beziehungsorientierte Maßnahmen sind hier erfolgsbringend. Das Erfolgsrezept des Führungsstils besteht darin, zu erkennen, ob Mitarbeitende aktuell eher Anleitung oder Befähigung benötigen.
Nicht für jede Führungskraft ist dieser Führungsstil jedoch geeignet. Sowohl die eigenen Kompetenzen als auch die Rahmenbedingungen des Unternehmens entscheiden darüber, welcher Führungsstil geeignet ist.
Weiterführende Quellen
- WPGS - Reifegradmodell: https://wpgs.de/fachtexte/fuehrung-von-mitarbeitern/das-reifegradmodell-der-fuehrung/
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