- Was ist das Schwerbehindertengesetz - Definition und Bedeutung
- Darum lohnt es sich, Menschen mit Schwerbehinderung zu beschäftigen
- Diese Förderungen stehen Unternehmen zu
- Wer gilt als schwerbehindert?
- Welche Rechte und Pflichten sind für Unternehmen zu beachten?
- Welche Ansprüche besitzen Schwerbehinderte gegenüber Arbeitgebern?
- Fazit: Das Schwerbehindertengesetz als Basis für die Integration und Rehabilitation
- Weiterführende Quellen
Schwerbehindertengesetz
Das Schwerbehindertengesetz bildet die rechtliche Grundlage für die Integration und Teilhabe schwerbehinderter Menschen am Arbeitsleben. Mit Schwerbehinderten im Team fördern Unternehmen Gleichstellung, Chancengleichheit und Vielfalt im Arbeitsverhältnis. Dabei sind Rechte und Pflichten zu beachten.
Was ist das Schwerbehindertengesetz - Definition und Bedeutung
Unternehmen mit mindestens 20 Arbeitsplätzen sind gesetzlich verpflichtet, schwerbehinderte Menschen zu beschäftigen, wobei eine Schwerbehindertenvertretung deren Rechte vertritt. Dieser Rechtsanspruch ergibt sich aus dem Schwerbehindertengesetz, kurz SchwbG. Das vom Sozialverband Reichsbund (heute Sozialverband Deutschland) erkämpfte Gesetz ist seit dem 25. Januar 1974 in Kraft. Es richtet sich ausnahmslos an alle behinderten Personen in Deutschland.
Das Schwerbehindertenrecht soll sicherstellen, dass Schwerbehinderte die gleichen Chancen auf einen Arbeitsplatz haben wie Personen ohne Einschränkungen - diese fallen jedoch trotz vorhandener Gesetzeslage geringer aus. Im Jahr 2021 waren laut Bundesagentur für Arbeit über 172.000 schwerbehinderte Menschen in Deutschland arbeitslos. Das entspricht einer Arbeitslosenquote von 11,5 Prozent. So berichtet die Süddeutsche, dass im Jahr 2021 „weniger als die Hälfte aller Betriebe ihrer gesetzlichen Verpflichtung zur Beschäftigung Schwerbehinderter nachkommen“.
Die Einstellungsbarrieren sind folglich trotz der gesetzlichen Ansprüche hoch. Insgesamt zeigt die Arbeitsmarktdynamik jedoch einen Aufschwung in der Beschäftigung schwerbehinderter Menschen.
Darum lohnt es sich, Menschen mit Schwerbehinderung zu beschäftigen
Die Hürden für die Beschäftigung schwerbehinderter Menschen sind in über 50 Prozent der deutschen Unternehmen so hoch, dass sie die gesetzliche Beschäftigungspflicht nicht erfüllen und stattdessen Ausgleichsabgaben in Kauf nehmen. Neuere Zahlen der Personalwirtschaft zeigen, dass dies im Jahr 2023 mehr als 100.000 Betriebe betrifft.
Für die Unternehmen bietet die Beschäftigung von Schwerbehinderten jedoch hohe Vorteile. In erster Linie erweitert die Einbeziehung schwerbehinderter Menschen in Bewerbungsverfahren den vorhandenen Talentpool. An Qualifikationen mangelt es ihnen nicht: Sie sind den Fachkräften ebenbürtig und verfügen laut Bundesagentur für Arbeit im Jahr 2021 sogar über einen höheren Anteil an abgeschlossenen Berufsausbildungen als Arbeitslose ohne Einschränkungen. Vor dem Hintergrund des Fachkräftemangels lohnt sich eine Einstellung übrigens doppelt: Schwerbehinderte Menschen sind in der Regel loyale Arbeitnehmende, die in einem wertschätzenden Arbeitsverhältnis lange kreativ und einfühlsam in Teams mitarbeiten.
Unabhängig vom Fachkräftemangel steigt die Relevanz der Corporate Social Responsibility in Unternehmen. Wer in Employer Branding Kampagnen mit Diversität, Inklusion und Chancengleichheit wirbt, muss diese auch leben, um authentisch zu bleiben. Der Fokus liegt dabei auf der Authentizität der gelebten Werte, denn die Einstellung von Schwerbehinderten ist kein Aushängeschild für die nächste Marketingkampagne.
Fest steht jedoch, dass Schwerbehinderte die Vielfalt in Unternehmen erhöhen und gerade in Zeiten des Fachkräftemangels und des demografischen Wandels als Arbeitskräfte schon aus betriebswirtschaftlicher Sicht dringend zu berücksichtigen sind. Je nach Berufsgruppe erleichtern New-Work-Ansätze wie Remote Work, Home-Office oder die Einbindung digitaler Assistenzprogramme die Etablierung schwerbehindertengerechter Arbeitsplätze.
Diese Förderungen stehen Unternehmen zu
Schwerbehindertengerechte Arbeitsbedingungen sind für Unternehmen mit Kosten verbunden. Diese schrecken häufig von einer Einstellung ab. Die Arbeitgeber müssen die Kosten aber nicht alleine tragen. Sowohl für die Ausbildung als auch für die Einstellung schwerbehinderter Menschen gibt es Hilfen in Form von Zuschüssen. Förderanträge können bei der Agentur für Arbeit gestellt werden.
Die Förderungen beinhalten folgende Kostenblöcke:
- Kosten für die Berufsausbildung
- Einsatz von Ausbildungsassistenz
- Investitionskosten für die Schaffung von Arbeitsplätzen
- Eingliederungskosten
- Kosten für die Probebeschäftigung
- Einsatz von Arbeitsassistenzen
- Einsatz von Dolmetscherinnen und Dolmetscher
Zuschüsse und Prämien werden den Unternehmen je nach Förderung entweder anteilig oder zu 100 Prozent gewährt.
Wer gilt als schwerbehindert?
Gemäß § 1 SchwbG muss der Grad der Behinderung mindestens 50 Prozent betragen, um als schwerbehindert zu gelten. Gleichgestellt sind nach dem Gesetz Personen mit einem Grad der Behinderung von mindestens 30 Prozent - sofern sie ohne die Gleichstellung einen Arbeitsplatz nicht erlangen oder nicht behalten können. Wann dies der Fall ist, regelt § 156 SGB IX im Sozialgesetzbuch.
Die Gleichstellung von behinderten mit schwerbehinderten Personen gilt nicht in allen Punkten. So bestehen zwar grundsätzlich die gleichen Rechte und Pflichten in der Behandlung durch die Unternehmen, jedoch haben Gleichgestellte keinen Anspruch auf Zusatzurlaub, unentgeltliche Förderung oder besondere Altersrente.
Ob eine Person als gleichgestellt gilt, entscheidet nicht der Arbeitgeber, sondern die Bundesagentur im Rahmen des Gleichstellungsverfahrens nach Paragraf 2 Abs. 3 SGB IX und Paragraf 151 Abs. 2 und 3 SGB IX.
Welche Rechte und Pflichten sind für Unternehmen zu beachten?
Bereits ab dem Zeitpunkt der Bewerbung entstehen Rechte und Pflichten, die Arbeitgeber gegenüber Schwerbehinderten besitzen.
Diskriminierungsverbot im Einstellungsverfahren
Die Pflichten eines Arbeitgebers gegenüber Menschen mit Behinderungen bestehen bereits vor der Einstellung und unabhängig davon, ob der Arbeitgeber zur Erfüllung einer Beschäftigungsquote verpflichtet ist.
Hier greifen zwei Szenarien:
- Pflicht zur Prüfung der grundsätzlichen Eignung schwerbehinderter Menschen für eine Stelle
- Die Pflicht, Schwerbehinderte zu einem Vorstellungsgespräch einzuladen
Bereits vor der Stellenausschreibung ist der Arbeitgeber verpflichtet, die Eignung der ausgeschriebenen Stelle für Schwerbehinderte zu prüfen. Diese Prüfung erfolgt in Zusammenarbeit mit dem Betriebs- oder Personalrat und der Schwerbehindertenvertretung. Ist eine Einstellung grundsätzlich möglich, muss die Stelle vor der Ausschreibung bei der Bundesagentur für Arbeit gemeldet werden. Geschieht dies nicht, liegt bereits eine Diskriminierung nach § 1 AGG (Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz) in Verbindung mit § 163 Abs. 1 SGB IX vor.
Im zweiten Schritt sind die Pflichten zu beachten, die mit der Bewerbung einer schwerbehinderten Person einhergehen. Unternehmen des öffentlichen Dienstes sind nach § 7 AGG verpflichtet, den Bewerbenden zu einem Vorstellungsgespräch einzuladen. Ausnahmen bestehen, wenn unabhängig von der Behinderung und der qualitativen Eignung dringende Gründe vorliegen.
Unternehmen der freien Wirtschaft sind dagegen verpflichtet, die Bewerbung unverzüglich dem Betriebsrat und der Schwerbehindertenvertretung zur Prüfung weiterzuleiten. Ablehnende Entscheidungen sind rechtswidrig, wenn sie gegen die Stellungnahme des Betriebsrats und der Schwerbehindertenvertretung ergehen und eine Beschäftigungspflicht nach § 5 SchwbG besteht.
Beschäftigungsquote und Behindertenausgleichsabgaben
Nicht jedes Unternehmen in Deutschland ist verpflichtet, die Beschäftigungsquote nach dem Schwerbehindertengesetz zu erfüllen. Nach dem SGB IX sind Arbeitgeber mit mindestens 20 Arbeitsplätzen verpflichtet, mindestens 5 Prozent der Stellen mit schwerbehinderten Personen zu besetzen. Das SchwbG regelt darüber hinaus, dass private Arbeitgeber, sowie Arbeitgeber des öffentlichen Dienstes, bereits ab 16 Arbeitsplätzen mindestens 6 Prozent der Arbeitsplätze an Schwerbehinderte vergeben müssen.
Für Kleinunternehmen gelten gesonderte Regelungen. So muss in Unternehmen mit mindestens 20 und höchstens 40 Beschäftigten mindestens eine Person mit schwerer Behinderung beschäftigt werden. Unternehmen mit mindestens 40 und höchstens 60 Arbeitsplätzen sind hingegen verpflichtet, zwei schwerbehinderte Menschen zu beschäftigen.
Kommen Unternehmen dieser Verpflichtung nicht nach, werden Ausgleichsabgaben nach § 11 Schwerbehindertengesetz fällig. Die Höhe der Ausgleichsabgabe bemisst sich jährlich neu auf Basis der jahresdurchschnittlichen Beschäftigungsquote eines Betriebes.
Laut Bundesagentur für Arbeit liegen die Höhen der Abgaben aktuell bei:
- 3-5 Prozent: 140 Euro
- 2-3 Prozent: 245 Euro
- < 2 Prozent: 360 Euro
Zukünftig werden die zu leistenden Ausgleichszahlungen nach Ansicht der Personalwirtschaft deutlich höher ausfallen, um Inklusion und Integration bundesweit zu fördern.
Die Arbeitgeber sind verpflichtet, einmal jährlich bis zum 31.03. die erforderlichen Daten zu übermitteln und die Ausgleichsabgabe an das Integrationsamt zu überweisen.
Bereitstellung eines behindertenfreundlichen Arbeitsplatzes
Die Pflichten des Arbeitgebers zur behinderungsgerechten Gestaltung des Arbeitsplatzes ergeben sich aus § 164 Abs. 4 SGB IX. Dazu gehören auch notwendige Veränderungen des Arbeitsplatzes, die inklusiv, aber nicht ausschließlich baulicher Natur sind. Die Integrationsämter sowie die Bundesagentur für Arbeit unterstützen Arbeitgeber sowohl beratend als auch finanziell. Die Bereitstellung eines behindertenfreundlichen Arbeitsplatzes schließt im Zweifelsfall auch Assistenzen oder Dolmetscher:innen ein, die bei der Arbeit bzw. Kommunikation helfen.
Abschließend sei darauf hingewiesen, dass der Arbeitgeber auch die Sicherheit schwerbehinderter Menschen am Arbeitsplatz besonders zu prüfen hat. Der Betriebs- oder Personalrat und die Schwerbehindertenvertretung werden in die vorgeschriebene Gefährdungsbeurteilung einbezogen, um die Risiken am Arbeitsplatz möglichst zu minimieren. Ansprüche hierzu ergeben sich u.a. aus § 178 Abs. 2 SGB IX.
Gesonderte Regelungen zum Kündigungsschutz
Schwerbehinderte Menschen genießen als arbeitnehmende Personen nach Ablauf der ersten sechs Monate eines Arbeitsverhältnisses einen besonderen Kündigungsschutz. In dieser Zeit kann der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis ohne Angabe von Gründen kündigen, sofern es sich nicht um eine einvernehmliche Kündigung oder um ein befristetes Beschäftigungsverhältnis handelt. Ausnahmen bestehen auch bei einer Eigenkündigung durch die schwerbehinderte Person bzw. hat ein:e behinderte:r Angestellte (>58 Jahre) Anspruch auf eine Abfindung.
Nach § 16 SchwbG beträgt die Kündigungsfrist außerhalb der Probezeit mindestens vier Wochen.
Der Arbeitgeber kann eine Kündigung zudem nicht allein aussprechen. Der Betriebs- oder Personalrat, die Schwerbehindertenvertretung sowie das Integrationsamt sind an der Entscheidung zu beteiligen. Das Integrationsamt entscheidet nach §§ 15 ff. SchwbG abschließend über die Kündigung der schwerbehinderten Person. Es setzt sich jedoch für eine Einigung ein, indem es Mittel und Wege aufzeigt, wie der Arbeitsplatz erhalten werden kann.
- Genehmigt das Integrationsamt die Kündigung, muss diese binnen vier Wochen (ordentliche Kündigung) oder unverzüglich (außerordentliche Kündigung) nach Bestätigung erfolgen.
- Lehnt das Integrationsamt die Kündigung ab, können Unternehmen binnen vier Wochen dem Urteil widersprechen.
Welche Ansprüche besitzen Schwerbehinderte gegenüber Arbeitgebern?
Es ist Teil der unternehmerischen Sorgfaltspflicht, behindertengerechte Arbeitsbedingungen zu schaffen. Das Schwerbehindertengesetz enthält notwendige Handlungsfelder, die von den Unternehmen zu beachten sind.
- Anspruch auf Nachteilsausgleiche: Schwerbehinderten steht gemäß §§ 47 f. SchwbG Anspruch auf 5 Tage Zusatzurlaub im Jahr sowie finanzielle Unterstützung bei der Beschaffung von Hilfsmitteln oder technischen Arbeitshilfen zu.
- Anspruch auf Fort- und Weiterbildung: § 14 Abs. 2 SchwbG verpflichtet die Unternehmen, die Fähigkeiten schwerbehinderter Menschen voll auszuschöpfen. Dazu gehört nicht nur der leistungsgerechte Einsatz, sondern auch das Angebot von Fort- und Weiterbildungsmaßnahmen. Zuschüsse lassen sich für die Fort- und Weiterbildung beantragen.
- Eingliederungshilfe und Rehabilitation: Auch für schwerbehinderte Menschen gibt es betriebliche Eingliederungsverfahren. In diesem Fall ist das Integrationsamt einzuschalten. Es informiert, berät und unterstützt bei Bedarf.
- Anspruch auf Teilzeitbeschäftigung: Ein Anspruch auf Teilzeitarbeit besteht gemäß § 81 Abs. 5 SHB IX immer dann, wenn es aufgrund der Schwere der Behinderung notwendig ist.
[3] https://www.arbeitsagentur.de/datei/dok_ba013802.pdf
[4] https://www.verdi.de/service/fragen-antworten/++co++b26ca9b8-a312-11e0-7513-00093d114afd#:~:text=Schwerbehinderte%20Arbeitnehmer%20haben%20gegenüber%20dem,Arbeitgeber%20seine%20Zustimmung%20nicht%20verweigern.
Fazit: Das Schwerbehindertengesetz als Basis für die Integration und Rehabilitation
Schwerbehinderte Personen sind Teil der Arbeitswelt in allen Branchen und Arbeitsumfeldern. Das Schwerbehindertengesetz in Verbindung mit den Inhalten des Sozialgesetzbuches (SGB) und des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes (AGG) stellen sicher, dass eine Integration und Gleichstellung erfolgt und besondere Rechte der Zusammenarbeit sowohl für Arbeitgeber als auch für behinderte Menschen bestehen.
Weiterführende Quellen
- Betriebe beschäftigen zu wenige Schwerbehinderte - Süddeutsche Zeitung: https://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/arbeitsmarkt-betriebe-beschaeftigen-zu-wenige-schwerbehinderte-dpa.urn-newsml-dpa-com-20090101-230419-99-373216
- Statistiken der Agentur für Arbeit: https://statistik.arbeitsagentur.de/DE/Statischer-Content/Statistiken/Themen-im-Fokus/Menschen-mit-Behinderungen/generische-Publikation/Arbeitsmarktsituation-schwerbehinderter-Menschen.pdf
- Schwerbehinderte Menschen in Betrieb - Agentur für Arbeit: https://www.arbeitsagentur.de/datei/dok_ba013802.pdf
- Informationen zur Gleichstellung - Agentur für Arbeit: https://www.arbeitsagentur.de/datei/informationsblatt-antrag-auf-gleichstellung_ba038351.pdf
- Expertenforum Arbeitsrecht: https://efarbeitsrecht.net/arbeitgeberpflichten-bei-bewerbungen-schwerbehinderter-menschen/
- behinderung.org - Schwerbehindertengesetz: https://behinderung.org/gesetze/schwbg.htm
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