Gesine Schulz berät als HR Consultant Talente, vermittelt wertvollen HR Content als Speakerin, führt leidenschaftlich gerne Workshops durch und ist insbesondere für ihren TikTok Auftritt bekannt. Mit ihren TikToks als „die Personalabteilung“ begeistert Gesine mittlerweile über 27.500 Follower. Im Interview haben wir mit ihr über ihren Erfolg auf TikTok gesprochen und über Möglichkeiten, wie Unternehmen TikTok für sich nutzen können.
Spaß ist dein Motivator hinter deinem TikTok Auftritt. Würdest du sagen, dass dir deine Leidenschaft als Improtheaterspielerin bei deinem Auftritt auf TikTok hilft? Wenn ja, warum?
Tatsächlich hilft mir das Improtheater unglaublich, um auf TikTok aktiv zu sein. Als Improtheaterspielerin bist du jemand, der keine Angst davor hat, sich vor Leuten zu präsentieren und auch bereit ist, in Rollen zu schlüpfen. Das können auch unangenehme Rollen sein. Viele Leute sind sehr schüchtern, wenn es darum geht, dämlich oder faul zu wirken. Als Improspieler empfindest du das als normal. Du machst es für den Witz und den Spaß auf der Bühne und daher hilft es schon sehr, keine Angst vor dem Publikum zu haben.
Im Improvisationstheater gibt es eine Methode, die ich sehr spannend finde: Assoziation. Du lernst schnell zu assoziieren. Das kannst du im Businessalltag sehr gut gebrauchen, wenn du ein Thema, einen Text oder bei TikTok einen Sound bekommst. Durch die Assoziation kann beispielsweise ein TikTok Sound direkt auf das eigene Themengebiet, Produkt bzw. die eigene Nische assoziiert werden. Das ist ein guter Weg, um Content zu kreieren, der dann auch zu einem passt. Du musst Ideen, die vorhanden sind, adaptieren können.
Wie stark hat dein Self-Branding auf TikTok deine Arbeit verändert? Welchen Tipp würdest du Personalerinnen und Personalern basierend auf deinen Erfahrungen geben, wenn Sie mit HR-TikTok-Content starten möchten?
Ich glaube, grundsätzlich ist es bei jedem Kanal, den du überlegst, neu zu bespielen – sei es Instagram, TikTok oder Clubhouse – wichtig, sich zu fragen, ob man überhaupt sichtbar sein möchte und ob man eine Person ist, die das auch aushält und mit einer Meinung nach außen gehen möchte.
Ist dies der Fall, sollte sich weiterhin gefragt werden, ob man auch die Konsistenz liefern kann, die der Kanal erfordert. Es ist harte Arbeit, insbesondere TikTok. Ich habe acht Monate lang jeden Tag mindestens ein Video produziert und das neben meinem Job. Die Arbeit, die hinter einem solchen Channel steckt, darf nicht vergessen werden.
Regelmäßiges Posten ist auf Social-Media-Kanälen extrem wichtig und darauf muss man Bock haben. Viele geben nach einer Weile auf und genau das ist das Problem. Schafft man es wirklich, nach einem Monat nicht bereits aufzugeben?
Auch die Zielstellung hinter dem Kanal sollte sich vor Augen geführt werden. Warum will ich das machen? Will ich es machen, weil alle das machen? Oder mache ich das für mein Personal Branding? Mache ich das, um Meinungsmacher zu werden? Diese Fragen muss man sich stellen und sich dann eine Strategie ableiten. Zu verkopft sollte man jedoch nicht an die Sache herangehen.
Wahrscheinlich spielt die Konsistenz auch wegen des Algorithmus auf TikTok eine große Rolle…
Bei TikTok ist die Besonderheit, dass der Algorithmus relativ schonungslos ist, wenn man pausiert. Ich spreche gerne von einer TikTok Emotionskurve. Es gibt Wochen, die extrem gut laufen und dann gibt es wieder Tage oder Wochen, die nur wenige Views generieren. Da muss man sich teilweise auch wieder motivieren. Wenn dann mal wieder ein Peak kommt, freut man sich. Aber diese Emotionskurve ist ganz normal und damit muss man umgehen können. Hier verhält sich TikTok ähnlich zu Instagram.
Ein Großteil der TikTok-Nutzerinnen und -Nutzer gehören der Gen Z an. Seit dem ersten Corona-Lockdown gesellen sich jedoch auch immer mehr Personen der Generation Y an. Liegt der Fokus immer noch auf der Ansprache von Azubis und Schülerinnen und Schülern oder hat sich der Zielgruppenfokus mittlerweile verschoben?
Ich meine gelesen zu haben, dass die User der Generation Y deutlich zugenommen haben. Das ist auch mein Gefühl. TikTok wird älter. Da muss man sich aber auch überlegen, wer die eigene Zielgruppe ist. Es ist egal, ob die Leute total jung sind oder nicht. Es ist wichtig zu wissen, wen man erreichen möchte. Ich habe knapp 27.000 Follower. Das sind vergleichsweise zu anderen Content Creatoren natürlich nicht viele Follower, aber es sind die richtigen. Wir sprechen miteinander und es ist meine Bubble, die mich kennt. Das ist genau das Ziel. Wenn ich 500 Leute erreiche und es sind die richtigen, dann ist es doch perfekt.
Viel wichtiger ist doch die Frage, ob die Leute präsent sind, die mein Produkt kaufen, mir Umsatz bringen oder mit mir interagieren. Dir nützen 500.000 Follower nichts, wenn es nicht zahlungskräftige Kunden für das eigene Produkt sind.
Daher würde ich sagen, dass das Alter erst einmal egal ist. Es ist viel wichtiger zu wissen, wen man erreichen möchte. Aber klar, das Publikum wird älter. Ich bin Mitte 30 und trotzdem sind die Menschen da, mit denen ich interagiere und sie sind Teil meiner Community. Das ist total schön zu sehen und mir reicht das auch, solange das passt.
Viele Unternehmen überlassen den Auftritt auf TikTok den Praktikantinnen und Praktikanten sowie den Azubis. Content Creation, Community Management und Monitoring zählt jedoch zu den Aufgabenbereichen, die hinter einem TikTok-Auftritt liegen. Ist die Markenpräsenz auf TikTok nicht eher Führungssache?
Ich glaube auch, dass in einem Unternehmen TikTok Führungssache ist. Derjenige der TikTok macht, muss ja auch bezahlt werden, benötigt Kapazitäten und ein Budget. Im Unternehmen muss akzeptiert werden, dass der oder diejenige TikToks kreiert und ich finde schon, dass die Führungskraft vom Team das ganze Thema supporten sollte.
Die Content Creation darf aber gerne bei den jungen Wilden bleiben. Sie verstehen das Medium und können an die Content-Erstellung intuitiv herangehen. Natürlich muss dahinter aber die Power vom Unternehmen stehen, um das zu supporten und vielleicht den ein oder anderen Mal vor die Kamera zu holen für ein Skript – vielleicht sogar den Geschäftsführer.
Am Ende ist es auf jeden Fall Teamwork. Sie müssen es nicht selbst kreieren, aber supporten. Es ist aber kein Top-Down Ansatz zu wählen, getreu dem Motto: TikTok ist Führungssache, jetzt macht das bitte unser Team Lead Recruiting und Employer Branding selbst. Wenn derjenige keinen Bezug zu dem Medium hat, ist das der falsche Ansatz.
Man hört auch immer wieder von einigen großen Playern auf TikTok, dass die Creator die Technik und das Budget erhalten und sie einmal pro Woche den Status Quo im Team überprüfen.
Es steht generell wieder die Zielfrage im Raum: Was will das Unternehmen mit TikTok? Je größer der Kanal wird, desto mehr Vorgaben wird es geben. Aber gibt es schon einen Regelkatalog, der auf TikTok zugeschnitten ist? I doubt it. TikTok wird dann komplexer und dann müssen alle an Bord sein und spätestens zu diesem Zeitpunkt muss es Führungsaufgabe sein, den Kanal zu supporten.
TikTok steht für authentischen Content mit Mehrwert, der jedoch zugleich einen gewissen Witz vermittelt. Inwieweit kann dieser Content-Mix für seriöse Berufsgruppen Chancen, aber auch Risiken bergen?
Ich glaube, das sich TikTok aus der Entertainmentecke verabschiedet. Im ersten Lockdown war TikTok ein reiner Spaß. Beiträge, die Mehrwert bieten, wurden meiner Meinung nach von TikTok gepusht und das beispielsweise durch die #LernenMitTikTok-Kampagne und durch verschiedene Hashtags. So kam irgendwann der Mehrwert und mit ihnen die Wissens-Creator.
Was ist die Chance? Ganz klar: Die Leute können Experten für die Dinge sein, für die sie es im normalen Leben nicht wären. Eine Professur oder das Arbeiten mit einem großen Vorwissen ist nicht nötig. Vielmehr geht es darum, Expertenwissen on the job zu vermitteln und TikTok ist hierfür die Bühne. Das ist eine riesige Chance. Es ist unbürokratisch, kostenfrei und erhöht die eigene Sichtbarkeit.
Natürlich haben viele Creator aus dem Wissensbereich ihr Business an die Inhalte geknüpft. Das ist eine große Chance, um nach und nach auch vergütet zu werden und das gilt auch für seriöse Berufsgruppen. TikTok ermöglicht es, komplexe Themen in einfache Nuggets zu verpacken und vielleicht auch eingestaubte Berufe wieder sexy zu machen. Auch das ist eine Chance. Wer wollte schon Steuerberater werden? Steuerfabi macht den Beruf wieder beliebt. Oder aber auch die HR: Unser Image ist so schlecht wie eine Flasche Milch in Berlin Mitte, wirklich niemand mag uns. Das ist einer der Beweggründe hinter meinem TikTok Auftritt. Ich möchte das Image pushen.
Was ist das Risiko? Viele Unternehmen haben vielleicht Angst, dass zu viele Einblicke gewährt werden. Wie viel können wir hinter den Kulissen zeigen? Der Regelkatalog kann recht groß sein und Datenschutzthemen präsent sein. Auch die Frage, ob man sich nach außen als die tanzende Company zeigen möchte, ist ein Gedanke der Unsicherheit. Die ganze Imageangst ist für viele vielleicht ein Risiko, was sie fühlen, was ich aber nicht sehe. Je transparenter ein Unternehmen ist, desto authentischer ist es auch und desto ehrlicher sind sie auch gegenüber dem Bewerber und zeigen, wie es wirklich im Job ist. Wir brauchen keine Rosa Zuckerwolke in die Stellenanzeige packen und auf TikTok zeigen wir eine komplett andere Welt. Da ist die Enttäuschung vorprogrammiert.
Was ich persönlich als großes Risiko sehe, ist die mangelnde Konsistenz. Dieses einmal versuchen, und nach fünf Videos wird aufgehört, führt zu einer Accountleiche. Anschließend werden fünf weitere Accounts aufgebaut und alle versanden. Ein gutes Beispiel sind Großkonzerne. Sie haben oftmals für jede Niederlassung eigene Kanäle. Das ist nicht Sinn der Sache.
Zu früh abzubrechen, ist für mich daher das größte Risiko, denn dann geht auch die Glaubwürdigkeit verloren.
Als Rossmann die erste TikTok-Werbung geschaltet hat, habe ich auf den Profilbutton von Rossmann geklickt und bin auf der Webseite von Rossmann gelandet. Das habe ich nicht erwartet und habe mich gefragt, was ich jetzt hier soll. Eigentlich wollte ich spüren, wie cool Rossmann ist und dass sie die Ersten sind, die Werbung schalten. Stattdessen sehe ich Toilettenartikel. Das war für mich voll der Downer und ich war persönlich enttäuscht. Ich kann mir vorstellen, dass es anderen auch so ging und sie daher keine Werbung sehen wollen. Einfach Werbung schalten und nichts dahinter packen ist daher auch ein Risiko.
Stichwort Employer Branding: Wie kann HR TikTok für das Employer Branding nutzen – Was sind Möglichkeiten?
Ich spreche immer davon, dass sich mit TikTok ein weiteres Schaufenster öffnet. Es ist ein weiteres Portal, mit dem eine hohe Reichweite für die Zielgruppe erzielt werden kann. Jetzt kann man sich überlegen, ob man etwas hochlädt, was sich vom Content anderer Kanäle abhebt, um eine andere Seite zu zeigen. Man kann durch die Handykamera ungeschönt und ohne Filter Insights vermitteln und ehrliche, kurze Impressionen gewähren. Das Unternehmen so eine ehrliche und authentische Atmosphäre wiedergeben können, ist cool. Auch Gesichter zeigen finde ich super.
Gründer, Geschäftsführer und Politiker wurden plötzlich bei TikTok total zugänglich. Das ist für das Employer Branding natürlich stark. Du siehst die Leute, für die du arbeiten willst. Die Vermittlung einer Unternehmensvision über TikTok kann hierfür wertvoll sein. Das Live-Format ist hierfür besonders gut geeignet. So kann man sehr schön an die Leute herantreten. Das finde ich super.
TikTok ist außerdem relativ easy im Employer Branding, da die Plattform einem sehr viele Ideen für die Content-Erstellung bietet. Durch Trends und Challenges ist es easy, bei TikTok mitzuschwimmen und das Portal auszuprobieren. Da benötigt man vielleicht nicht eine große Employer Branding Strategieabteilung im Hintergrund.
Was denkst du ist zukunftsfähiger? Employer-Branding-Content, der vom Unternehmen selbst auf TikTok und anderen sozialen Kanälen ausgespielt wird, oder Employer-Branding-Inhalte über Meinungsmacherinnen und Meinungsmacher bei der Zielgruppe zu positionieren?
Ich denke, dass eine Kombination aus Meinungsmachern und Content, der im eigenen Team erstellt wird, ideal ist. Die Leute sollten natürlich Lust haben. Junge Leute oder eine engagierte Führungskraft wären denkbar. Es wäre cool, wenn ein solcher Auftritt vorhanden ist, denn das schauen sich Bewerber auch in der Vorbereitung auf ein Vorstellungsgespräch an, um Informationen zu bekommen. Den Informationen glauben sie dann natürlich auch, denn sie entstammen aus der Primärquelle und somit vom Unternehmen selbst.
Ich finde aber trotzdem, dass eine punktuelle Zusammenarbeit mit Meinungsmachern, Testimonials oder Business Influencern spannend ist. Die bringen Reichweite und ein neues Publikum mit und können das ganze sinnvoll ergänzen. Das ist aber natürlich auch eine Budgetfrage. Inhouse alles abzuwickeln ist da natürlich günstiger und Unternehmen machen sich auch abhängig vom Meinungsmacher, wenn dieser beispielsweise total austauschbar ist. Das trifft im HR oder Steuerbereich vielleicht weniger zu als bei einem Influencer, der für Nahrungsergänzungsmittel Instagram Werbung macht. Ein Influencer für Nahrungsergänzungsmittel ist natürlich austauschbar und wenn dieser wegbricht, nimmst du eben einen anderen.
Bei uns TikTok-Creatoren ist es schon so, dass wir im Job stehen, ein Image und auch ein Standing haben und man dann schon überlegt, mit wem man arbeitet und für wen man sein Gesicht in die Kamera hält. Aber wir sind eben auch nicht wahnsinnig günstig.
Wichtig ist aber, dass die Kommunikation nicht nur über Meinungsmacher geschieht. Sonst fragt sichirgendwann jemand, warum der Geschäftsführer nicht auch mal etwas sagt. Dann wird sich vielleicht die Kununu Bewertung angeschaut und man sieht, dass das Unternehmen eine Katastrophe ist, nach dem Motto: Na toll, da haben sie sich jetzt einen schönen Influencer eingekauft. Das verringert die Glaubwürdigkeit.
Auch hier ist es daher wichtig, eine Gesamtpräsenz auf verschiedenen Kanälen zu vermitteln.