Das Brainstorming ist im Kreativprozess ein so probates Mittel, dass wir glauben, da nicht mehr viel drüber reden zu müssen. Leider schleifen sich mit dieser Alltäglichkeit aber auch Gewohnheiten ein, die schlecht sind für den Ideenfluss. Um denen entgegenzuwirken, lohnt sich ein Blick auf die Grundlagen des Improvisations-Theaters.
Dienstag, 10:30 Uhr: Brainstorming für Kunde XY – ein Kreativkonzept muss her. Erst mal nichts Besonderes. Denn wenn es darum geht eine Kreatividee, ein Key Visual oder einen Claim zu entwickeln, ist es die wohl beliebteste Methode: das Brainstorming. Ab und an kommt es auch unter dem Deckmantel eines „Kreativmeetings“ daher, das bedeutet praktisch aber dasselbe Vorgehen: Eine möglichst diverse Gruppe kommt zusammen, um Ideen zu einem bestimmten Aspekt oder Projekt auszutauschen und zu sammeln. Das Brainstorming ist uns allen so sehr vertraut und in unseren Tagesablauf integriert, dass wir glauben, da nicht mehr viel drüber reden zu müssen. Leider schleifen sich mit dieser Alltäglichkeit aber auch Gewohnheiten ein, die schlecht sind für den Ideenfluss. Keine Angst: In diesem Text soll es nicht um die tausendste Aufzählung von Kreativitätstechniken gehen. Nicht falsch verstehen, die Recherche dahingehend lohnt sich, denn diese Techniken helfen wirklich weiter. Ich will aber in diesem Beitrag wieder einen Schritt zurückgehen und über die Basis sprechen. Meine These: Effektives Brainstorming funktioniert wie gutes Improvisations-Theater.
Geregelte Kreativität
Wie komme ich da drauf? Irgendwann in meinem gefühlt 25.728. Brainstorming erinnerte mich die Interaktion an die Improvisations-Theatergruppen, an denen ich während meiner Schul- und Studienzeit gerne teilgenommen habe. Aus dieser emotional getriggerten Erinnerung zeichneten sich einige Parallelen zwischen Brainstorming und Impro-Theater ab. So haben beide Settings dasselbe Ziel: Es geht darum, aus nichts etwas zu erschaffen. Man muss sich etwas vorstellen und es gleichzeitig den anderen aus der eigenen Fantasie heraus begreiflich machen. Außerdem leben sowohl das Impro-Theater als auch das Brainstorming von der Diversität der Teilnehmer – nur im Austausch können außergewöhnliche Ideen generiert werden. Zusätzlich gibt es bei beiden in der Regel eine zeitliche Begrenzung. Nun gibt es für das Improvisations-Theater zahlreiche Listen von Tipps und Skills, die Erfolg und Kreativität versprechen. Ich bin an dieser Stelle so frei, eine Auswahl zu treffen, die sich besonders gut übertragen lässt auf das Brainstorming. Ohne Anspruch auf Vollständigkeit und mit der Option auf spätere Erweiterung.
1. Say "Yes, and..." instead of "Yes, but..."
Darin sind sich allerdings alle Improvisations-Ratgeber einig: Der allererste und wichtigste Punkt liegt darin, jeden Ansatz, jeden Vorschlag und jede Idee erstmal anzunehmen und weiterzudenken. Zu oft passiert es, dass kreative Ansätze zwar geäußert, im Eifer des Gefechts aber vorschnell abgeschmettert werden. Unser Anspruch sollte es sein, absolut alles zunächst weiterzudenken, ohne Kritik und ohne Skepsis.
2. Make others look good
Natürlich will jede und jeder von uns die kreativste und beste Idee liefern, die beim Kunden Freudenschreie auslöst und uns alle, absolut alle Awards einbringt. Es geht aber nicht um dich. Es geht auch nicht um mich. Es geht um die Idee und die entsteht vor allem in der Interaktion verschiedener Menschen, die Dinge unterschiedlich sehen. Um Ideen zu äußern, muss man sich wohl fühlen und sich trauen, jeden noch so abwegig und absurd klingenden Vorschlag anzubringen. Das erreichen wir, indem wir uns gegenseitig gut dastehen lassen: Vergiss irgendwelche anderen Unstimmigkeiten, die du mit jemandem hast. Sprich Lob aus, wenn du etwas super findest! Sprich auch Lob aus, wenn du etwas nur okay findest. Denn mithilfe dieses Lobs kannst du vielleicht andere Ideen herauskitzeln.
3. Dare to fail
Wie gesagt: Es geht nicht um dich, es geht nicht um mich. Es geht um niemandes Ego. Eine gute Idee ist einfach eine gute Idee – egal wer sie anbringt oder wie sie entstanden ist. Es ist absolut okay, wenn man selbst auch mal nur der Wingman für die Ideen anderer ist. So gesehen müsste die Überschrift für diesen dritten Punkt „dare to fail, but try anyway“ heißen. Es ist in Ordnung zu scheitern, aber versuch es trotzdem, denn deine schlechten Ideen können andere zu guten weiterentwickeln oder inspirieren.
4. Play the game
Da sind noch 43 unbeantwortete Mails im Postfach, die Deadline für das neue Kreativkonzept ist schon morgen und um 16 Uhr hast du noch ein anderes Brainstorming anstehen. Bei allem Verständnis: Das alles ist keine Entschuldigung dafür, bei dem aktuellen Brainstorming abwesend zu sein, im Handy rumzutippen oder dir Notizen zu anderen Projekten zu machen. Wer an einem Brainstorming teilnimmt, muss sich auf das Spiel komplett einlassen. Oft genug erleben wir es, dass eine abgelenkte Person genügt, um andere zu blockieren. Tatsächlich hilft ein Brainstorming oft dabei, anschließend andere Aufgaben besser und konzentrierter anzugehen.
5. Humour as a power tool
So zäh und anstrengend Brainstormings auch sein können, so sind sie auch die witzigsten Termine, die so einem Arbeitstag ungemein beleben können. Und das dürfen sie auch sein! Nicht alles muss auf die Minute getaktet sein. Denn so sehr ich auch eine Freundin von methodischem Vorgehen bin: Wenn Kreativitätstechniken sich gegenseitig jagen, bleibt in manchen Brainstormings den Ideen die Luft aus. Humor darf und sollte Teil jeder Ideenentwicklung sein, denn wenn wir lachen, sind wir etwas Unerwartetem und Außergewöhnlichem begegnet. Und genau das ist am Ende des Tages unser Ziel.