Ach, wie bin ich es leid: Kunden lassen Designs im Employer Branding pitchen. Warum das totaler Unsinn ist und wieso alle dabei nur verlieren? Ein Einblick und Ausblick.
Okay, okay. Zugegeben: Es macht schon Sinn, dass man schaut, wie kreativ eine Agentur ist. Klar, man möchte nicht die Katze im Sack kaufen. Genau aus diesem Grund hat jede halbwegs seriöse Agentur ein Casebook oder zumindest Referenzen. Gerade in einer digitalen Karriere-Landschaft gibt es mit Sicherheit unzählige gute Beispiele an digitalen Auftritten, die die Agentur vorzeigen kann. Warum also dann noch im Kreationen pitchen?
Employer Branding & Personalmarketing wird noch immer als Werbung verstanden
Liebe Leute. Nein. Wer Employer Branding oder auch Personalmarketing als Disziplin der Werbeindustrie versteht hat seinen Job nicht verstanden. Besonders Employer Branding ist ein strategischer Ansatz. Es kann überhaupt nicht sein, dass man ohne einen guten EVP oder zumindest eine halbwegs vernünftige Positionierung ein gutes Kommunikationskonzept vorlegt. Wie auch? Auf welche Daten und Werte soll man sich stützen?
"Wir wollen doch sehen, was Sie können"
Ich verstehe wirklich jeden Kunden, der so anfragt. Es ist halt wirklich schwer im Markt die schwarzen Schafe von seriösen Dienstleistern zu unterscheiden. Ich habe auch totales Verständnis dafür, dass man sich absichern möchte.
Der Satz „wir möchten doch sehen, was Sie können“ ist trotzdem absolut überflüssig und auch etwas respektlos. Eine starke Agentur wird sich nicht 5, 10 oder 20 Jahre im Markt halten, wenn Sie nur Dreck abliefert. Solche Agenturen verschwinden relativ schnell wieder, da man sehr gut merkt, wen man sich hier eingekauft hat.
Viel wichtiger wäre doch zu fragen:
- Wie haben Sie den andere guten positioniert und kommunikativ unterstützt?
- Gibt es Cases die mit unserem Fall vergleichbar sind?
- Wo sehen Sie die größten Schwierigkeiten / Hürden im Prozess?
Es gilt die Expertise zu hinterfragen. Mittlerweile darf sich jeder Unipostkarten-Verteiler Employer Branding Agentur nennen. Dementsprechend muss man versuchen die wirklichen Experten von selbsternannten Profis zu unterscheiden. Dazu hat der großartige Stefan Scheller erst kürzlich einen tollen Beitrag veröffentlicht.
"Unsere Marketingabteilung muss doch entscheiden können, ob Sie zu uns passen“
Normalerweise sollte man hier aussteigen. Ich möchte den Kolleginnen aus dem Marketing nichts absprechen, aber ich habe sehr selten gute Employer Brands gesehen, die von Marketing geleitet wurden. Deren Anspruch geht in eine ganz andere Richtung – was ja überhaupt nicht schlimm ist. Es ist ja letztlich der Job einer Marketing-Abteilung Marketing zu machen. Der Job eines Employer Branding-Spezialisten ist eben die Positionierung des Arbeitgebers. Ein Strategie-Thema mit anfänglich wenig Marketing-Anteilen.
Das Problem ergibt sich hier wieder durch die Wahl einer Agentur mit guten Designs. Man versteift sich auf die Idee statt über die Herangehensweise, Methodik oder Arbeitsergebnisse zu sprechen.
Warum alle verlieren
Kurz um: Designs im Employer Branding oder Personalmarketing zu pitchen ist großer Unsinn. Es bringt keinen Mehrwert, die vorgeschlagenen Ideen sind absolute Geschmackssache, subjektiv und haben meist wenig mit der Realität auf dem Arbeitsmarkt zu tun. Im Normalfall ist es dann nämlich so, dass sich die Kunden nur noch über die Designs unterhalten und diese innerhalb der eigenen Bewertung viel höher stellen als den EB-Prozess oder die Erfahrung der Agentur. Und bitte, liebe Pitch-Kunden, ersparen Sie uns Agenturen den Satz "Nein, wir entscheiden nicht nach dem Design." Jeder Berater mit 4 Tagen Berufserfahrung wird wissen, dass das totaler Unsinn ist.
Am Ende gibt es also nur Verlierer:
- Der Kunde, der letztlich ein Produkt statt eine Dienstleistung gekauft hat und enttäuscht ist, dass das Produkt eben nicht funktioniert
- Die Agentur, die im Prozess immer mehr merkt, dass der Kunde sich auf diese Design-Idee versteift hat und wenig Flexibilität für andere Ideen aufbringen kann
- Eine Marketing-Abteilung die halt Marketing machen will und einen Prozess durchdrückt, der nichts mit Employer Branding zutun hat
- Mitarbeiter, die einen „Brand aus dem Elfenbeinturm“ bekommen und diesen nicht unterstützen
- Die Kandidaten, die sehr schnell merken, dass das halt nur gut aussieht – sich aber trotzdem nicht bewerben
Die Lösung wäre, wenn sich Employer Branding endlich als das versteht, was es ist: Strategieberatung. Die Lösung wäre auch, wenn wir endlich Marketing und Branding als zwei Disziplinen ansehen, die durchaus Hand in Hand gehen sollten – aber eben nicht gleich von Beginn an zwangsverheiratet werden.
Die Alternativen
Sich nur beschweren kann jeder. Ich biete direkt mal drei Lösungen an:
1. Die Aufgabe
Es klingt erst einmal schräg, aber man erfährt viel über eine Agentur, wenn man ihr eine kleine Aufgabe stellt. Nein, keine Designaufgabe. Sondern gern eine kleine strategische Aufgabe. Dabei darf man durchaus etwas fies und hinterhältig sein. Hauptsache die Lösung ist nicht zu offensichtlich oder (noch viel besser!) die Lösung ist dem Kunden selbst noch nicht bewusst. So merkt man recht schnell, ob man auf einer Wellenlänge ist.
2. Designanalyse
Wenn es unbedingt was mit Design sein muss, dann bietet sich auch eine Designanalyse an. Dazu liefert man der der Agentur eine aktuelle Arbeit aus dem eigenen Haus (z.B. Stellenanzeige, Karriere Website etc.) und bietet um eine Einschätzung: was kann man hier verbessern? Nein, die Agentur soll es dann nicht umsetzen, sondern erklären und herleiten. So lernt man die Arbeitsweise gut kennen und nähert sich auch im Designprozess an.
3. Workshop statt Pitch
Workshops bieten einen großen Vorteil: Die Agentur muss sich auf den Kunden einstellen und auf unerwartete Fragen reagieren. Mit einem Workshop-Format innerhalb des Pitches sieht man, wie gut die Agentur Probleme lösen kann und wie fest sie wirklich im Stoff steht. Ein entscheidender Pluspunkt ist, dass man sehr schön sieht, welche Personen neues Fachwissen mitbringen und welche einfach nur Werbeagenturen sind.
In dem Sinne: Let’s pitch.