Chancengleichheit sollte für alle gelten. Die Realität sieht anders aus. Zwar möchten viele Unternehmen aktiv Diversität, Gleichberechtigung und Inklusion fördern, gleichzeitig verändern sich die bestehenden Bedingungen nur langsam. Neben einer mangelnden Strategie oder fehlender Tools ist es das Bauchgefühl des Recruiter:innen, das chancengleiche Bewerbungsprozesse behindert. Eine verzerrte Auswahl findet also nicht bewusst statt. Dieses Phänomen nennt man Unconscious Bias: Denkmuster, die unterbewusst unsere Entscheidungen prägen. Diese gilt es zu überwinden.
Das Bauchgefühl als Indikator einer verzerrten Wahrnehmung: Der Unconscious Bias erklärt
Diversität ist den deutschen Unternehmen wichtig. Das zeigt die im Jahr 2021 durchgeführte Studie „Inclusion & Diversity im deutschen Top-Management“ der Personalberatung Odgers Berndtson. Die Botschaft: 80 Prozent der befragten Führungskräfte sprechen sich für Diversität aus. Dazu gehört die Besetzung von Vorstandspositionen mit Personen, die den unterpräsentierten Gruppen von Menschen mit Beeinträchtigung, LGBTQ+ und Frauen zugehörig sind. Gleichzeitig ist es die Vielzahl an Personen aus unterschiedlichen ethnischen und sozialen Herkünften, die für Diversität sorgen. 47,6 Prozent der Befragten geben in diesem Zuge an, dass eine unbewusste Voreingenommenheit dafür sorgt, dass genau diese Gruppierungen in Vorständen unterrepräsentiert sind.
Den Unconscious Bias bilden alle Vorurteile, Denkmuster und Prägungen, die eine objektive Bewertung von Bewerbenden nicht mehr ermöglicht. Dem Unconscious Bias zu begegnen ist jedoch gar nicht so einfach: Denn Personaler:innen sind sich nicht bewusst, dass ihre Wahrnehmung verzerrt ist. Da die Bewertung unterbewusst stattfindet, lässt sich ein Unconscious Bias nicht erkennen. Das Lächeln des Bewerbenden, der feste Händedruck oder die Rhetorik könnten bereits Vorurteile und Wahrnehmungsverzerrungen verursachen.
Für eine Organisation können solche Verzerrungen gravierend sein. Sie bauen Barrieren in Form von Rollenbildern und Machstrukturen auf, die Diversität und Inklusion behindern. Unterbewusst können Personaler:innen aufgrund des Unconscious Bias daher auch die besten Talente diskriminieren.
Doch diverse Organisationen sind nicht nur besser im Lösen von Problemen. Sie stehen auch für Innovation und durchdachtes strategisches Denken. Unternehmen, die Diversität leben, freuen sich auch über eine höhere Mitarbeiterzufriedenheit. Schafft es ein Unternehmen, eine Kultur frei von Vorurteilen zu schaffen, wirkt sich dies positiv auf die Bindung von Talenten auf – ein wichtiger Faktor in Zeiten des Fachkräftemangels.
Den Unconscious Bias überwinden: Handlungsempfehlungen und Maßnahmen
Schubladendenken findet statt, da das Gehirn gerne zuordnet und kategorisiert. Die gute Nachricht: Schubladen lassen sich neu denken, umräumen und erweitern. Um den Unconscious Biases zu überwinden, benötigt es neue Denkstrukturen und eine gute Kontrolle.
Hierfür muss die Zielsetzung zunächst klar sein. Laut des „Monster Insights HR Report 2021“ versuchen Unternehmen die Ziele Inklusion und Diversität vorwiegend durch Mitarbeiterschulungen, geschlechtergleiche Gehälter und eine diverse Belegschaft zu erreichen.
Das reicht jedoch nicht aus. Eine Anti-Bias-Strategie unterstützt systematische und unabhängige Auswahlprozesse. Das Ziel: Recruiterin A würde den gleichen Bewerbenden für die ausgeschriebene Stelle wählen wie Recruiter B.
Die folgende Übersicht bietet eine Reihe an Handlungsempfehlungen, die dabei helfen, eine verzerrte Wahrnehmung zu minimieren:
- Inklusion bereits in der Stellenausschreibung: Stellenausschreibungen sollten so geschrieben sein, dass sie keine Gruppe exkludiert. Andernfalls wäre der Bewerbungsprozess bereits verzerrt, bevor er begonnen hat. Denn exkludierte Gruppierungen bewerben sich aufgrund fehlender Ansprache nicht.
- Standardisierte und datenbasierte Auswahlprozesse: Subjektive Bewertungen von Bewerbenden können durch datenbasierte Programme unterstützt werden. Weitere Ansätze bietet die DIN 33430. Aus den Anforderungen an Personalbeurteilungsverfahren lassen sich Maßnahmen zur Überwindung des Unconsciousness Bias ableiten.
- Trainings für Entscheider:innen: Wer Wahrnehmungsverzerrungen überwinden möchte, muss diese zunächst kennen. Trainings unterstützen die Identifikation, Interpretation und Reflektion.
Der Unconscious Bias lässt sich nicht vollständig überwinden. Wer sich diesem jedoch bewusst ist, kann Personalentscheidungen reflektiver treffen und so Chancengleichheit im Unternehmen vorantreiben.