okémon Go im Recruiting klingt erst einmal nach einer tollen Sache. Man soll ja tief in die Lebenswelt der jungen Menschen eintauchen. Direkt und unvermittelt kommunizieren und auf Augenhöhe den Austausch suchen. Warum das aber Unsinn ist, fassen wir hier kurz zusammen.
Einleitung – Was ist Pokémon Go eigentlich?
Okay, wenn Sie einer der Menschen sind, die diesen Trend noch nicht mitbekommen haben, sorgen wir mal für etwas Aufklärung. Pokémon Go ist ein mobiles Spiel, welches mit Unterstützung von Augmented Reality und GPS auskommt. Es verknüpft eine zwingende Bewegung des Menschen mit dem Sammeln von kleinen Monstern (Pokémon), welche sich in der „realen Welt“ irgendwo verstecken. Um diese kleinen Dinger zu fangen braucht der Spieler Pokébälle, welche es an so genannten PokeStops gibt. Das sind meist öffentliche Wahrzeichen, Denkmäler oder einfache Geschäfte, die virtuell als Station (PokeStop) hinterlegt sind. Durch das Sammeln und Entwickeln der Pokémon steigert der Spieler seinen Level und kann dadurch noch seltenere und bessere Pokémon sammeln.
Ziel ist es, dass man seine „Sammlung“ dann in Arenen gegen andere Spieler antreten lassen kann. Wenn man diese Spieler besiegt kann man die Arena besetzen und erhält dafür Belohnungen. Natürlich spielen in Deutschland nicht nur ein paar Tausend Menschen Pokémon Go. Die Verteidigung einer Arena ist demzufolge relativ schwer. Aktuell spielen – alleine in den USA – über 20 Millionen Menschen das Spiel täglich. Weltweit schätzt man die Zahl auf über 50 Millionen aktive Spieler ein. Die meisten Spieler sind wohl zwischen 12 und 25 Jahren. Laut Statistik knapp 80%.
Grund genug für jeden halbwegs seriösen Recruiter die Frage zuzulassen: Wie nutze ich Pokémon Go für mein Personalmarketing? Was kann ich tun, damit ich den Hype mitnehme und ggf. Azubis gewinnen kann?
Das Problem mit der Lebenswelt
Schaut man sich die Zahlen und die Spieldynamik an, so sollte sofort klar sein, dass hier ein riesiger Kanal für Nachwuchsgewinnung eröffnet wurde. Die vielbeschriebenen „Smombies“ (also Smartphone Nutzer, die wie Zombies umherlaufen) bekommt man genau da, wo sie eben sind: auf dem Smartphone. Auch andere Kollegen haben den Trend mittlerweile aufgegriffen und sehr fleißig darüber gebloggt. Sie liest man bei PM2.0, Erecruiter und auch bei Talention über den Trend.
Das Problem mit der Lebenswelt erschließt sich jedoch vielen Recruitern und Personalmarketing-Experten sehr selten. Denn aufgedrängtes Personalmarketing , nur um dabei zu sein, hat noch nie funktioniert und wird auch nicht funktionieren. Die fabelhaften Möglichkeiten einen PokeStop als Werbefläche zu mieten und darüber Personalwerbung laufen zu lassen klingen erst einmal toll. Doch die User werden – wie bei vielen anderen Spielen auch – kaum Interesse an der werbliche Anbiederung der Branche verspüren. Eher ignorieren sie den Spot und ziehen zu einem der unzähligen weiteren PokeStops weiter.
Erschwerend kommt hinzu, dass so genannte „Sponsored Locations“ nicht viel mehr sind als kleine Werbeflächen mit einem dezenten Hinweis. Sollten die Entwickler von Niantic die Werbeflächen deutlich größer und aufmerksamkeitsstärker kennzeichnen, wird sich schnell der Spielspaß einstellen.
Ein weiterer Punkt ist die Konvertierung der Kontakte. Bei vielen Maßnahmen im Recruiter ist es zwingend erforderlich, dass die Kontakte zu Bewerbungen konvertiert werden. Möglich ist dies über Call-to-Action-Elemente, Mehrwert-Kampagnen oder Incentives – wenn es eben nicht über die sehr gute Arbeitgebermarke klappt. Pokémon Go wird hier nur wenig Möglichkeiten bieten können, da die Weiterleitung der Kontakte auch eine – für den Spieler sinnlose – Unterbrechung darstellen würde.
Hacks, Cheats, Bots – Ingress lässt grüßen
Nun kann es natürlich passieren, dass ein findiger Recruiter dennoch eine sinnvolle Lösung für die genannten Probleme entwickelt. Ideen dazu gibt es in der Branche bereits. Doch schon in dem Moment hört man die Stimmen der Vergangenheit schreien: Ingress-Spieler. Ingress ist ebenfalls eine von Niantic entwickelte App und basiert auf einem ähnlichen Spielsystem wie Pokémon Go. Mit dem erscheinen im Dezember 2014 galt die App als innovativ, unglaublich süchtig machend und versprach großen Spielspaß. Bereits nach nicht einmal 2 Jahren ist der Spaß bei vielen Spielern vorbei. Cheater, Hacker und Bot-Netzwerke haben das Spielprinzip fasst vollständig zerstört. Nicht einmal zwei Monate nach dem Erscheinen von Pokémon Go gibt es auch für dieses Spiel unzählige Hacks, Bots und Cheats. So müssen Spieler ihre Avatare nicht mehr selbst steuern, können das GPS-Signal faken oder benutzen Programme, um schnell und ohne menschliche Einwirkung zu leveln. Niantic hat sich – nach Aussage der Ingress-Spieler – nie um diese Probleme gekümmert. Auch wenn es in Pokémon Go bereits Soft-Bans (kurzzeitiger Ausschluss vom Spiel) gibt, machen dies Ingressianer den Pokémon Go-Spielern keine große Hoffnung.
Natürlich muss man beachten, dass Pokémon Go eine deutlich höhere Aufmerksamkeit einnimmt, als es Ingress je geschafft hat. Niantic wird sich sehr um einen guten Support bemühen. Dennoch bleibt abzuwarten, ob die Entwickler mit der enormen Menge an Spielern (und damit auch Betrügern) klarkommt.
Was bleibt ist die Idee
Pokémon Go ist ein Spiel, welches vor allem Spaß und Entspannung bringen soll. Im Recruiting lässt sich dieser Kanal aktuell sehr schwer nutzen. Clevere Personaler werden dennoch einen Weg finden, um das Spiel irgendwie in ihre Personalmarketing-Strategie einzubinden. Egal, ob die Zielgruppe das eigentlich will. Hacks und Cheats machen zusätzliche Probleme und können – auf lange Sicht – eine Nutzbarkeit für das Personalmarketing ganz verhindern