So mancher Arbeitgeber setzt Personalmarketing damit gleich, Talenten möglichst viele Hochglanzversprechen in Marketingmanier zu machen. Nach dem Motto: Bei uns ist alles besser, schöner, innovativer. Doch oft entpuppen sich diese Angaben als leere Worthülsen. Das wirkt sich negativ auf die Candidate Experience aus. Der Schlüssel zu nachhaltig begeisterten Kandidaten ist: Authentizität.
Als Candidate Experience bezeichnen Experten alle Erfahrungen eines Kandidaten mit einem Arbeitgeber. Die Candidate Experience wird oft mit dem Beginn des Bewerbungsprozesses in Verbindung gebracht, also dem Moment, in dem das Talent seine Bewerbung abschickt. Doch das ist falsch. Talente sammeln schon weit früher Erfahrungen mit einem Unternehmen.
Das betrifft alle Personalmarketing Maßnahmen eines Unternehmens. Darunter fallen unter anderem:
- Stellenanzeigen
- Social Media Auftritte
- Beiträge aus dem Karriereblog
- Die Inhalte der Karrierehomepage
- Messeauftritte
Personalmarketing: Bloß nicht zu dick auftragen
All diese Kanäle bespielt ein Arbeitgeber, um Talente von sich und den eigenen Mehrwerten zu überzeugen. An dieser Stelle beginnt logischerweise auch die Candidate Experience, denn es handelt sich um die ersten Berührungspunkte eines Talents mit einem potenziellen Arbeitgeber.
Und hier kommt es mehr denn je auf einen guten ersten Eindruck an. Denn je mehr sich der Arbeitsmarkt zu einem Bewerbermarkt dreht, umso wählerischer sind Talente bei der Auswahl ihres Brötchengebers. Sie schauen sich genau an, was ihnen dieser zu bieten hat. Denn sie haben in der Regel die Wahl zwischen verschiedenen Angeboten.
Häufiger Denkfehler von Arbeitgebern
An dieser Stelle unterläuft Arbeitgebern allerdings häufig ein fataler Denkfehler: Sie versuchen, in ihren Auftritten mit den eigenen Vorzügen zu wuchern und blähen so manchen Mehrwert auf, während sie so manchen Nachteil völlig unerwähnt lassen oder untertreiben. Das ist ihre Interpretation von einer guten guten Candidate Experience innerhalb des Personalmarketings: Wer mit üppigen Vorzügen konfrontiert wird, dürfte umso begeisterter von einem Unternehmen sein.
Es stimmt schon: Das Ganze sorgt für eine vorläufig gute Candidate Experience. Was Organisationen dabei allerdings nicht im Blick haben: Spätestens beim ersten Kennenlernen entpuppen sich die Hochglanzversprechen als Lüge. Umso größer ist die Enttäuschung des Talents und umso herber fällt der Rückschlag für die eigene Candidate Experience aus. Der Kandidat fragt sich unweigerlich: Wenn der Betrieb schon in seinen Personalmarketing Auftritten nicht ehrlich zu mir ist – ist er es dann in Zukunft? So verspielen Unternehmen Vertrauen. Und das in der Regel nicht nur mit einem Kandidaten, sondern gleich mit einem ganzen Bündel. Denn so etwas spricht sich herum.
Viele Bewerber klagen über eine schlechte Candidate Experience
Das Fatale: Offensichtlich sind solche Erfahrungen alles andere als eine Seltenheit. Tatsächlich ist das Vertrauen vieler Bewerber in die Personalmarketing Versprechen von Arbeitgebern bereits massiv beeinträchtigt, wie eine Studie von viasto nahelegt: Danach gefragt, wie skeptisch sie gegenüber den anfänglichen Personalmarketing Aussagen von Unternehmen sind, kommen Talente zu einem ernüchternden Ergebnis: Gerade einmal jeder Dritte vertraut den gemachten Aussagen ohne Wenn und Aber.
Der mit Abstand am häufigsten genannte Grund: Zweifel an der Ehrlichkeit der Unternehmen. 65 Prozent der Teilnehmer glauben, dass Arbeitgeber in der Kommunikation mit Bewerbern flunkern. Ein weiteres knappes Drittel der Befragten nimmt die Aussagen nicht ernst, weil sie diese für austauschbar halten.
Negative Candidate Experience beeinflusst Bewerberverhalten
Als ob das nicht schon schlimm genug wäre, kommt es noch ärger. In der Studie heißt es: „Über 70 Prozent der Befragten haben bereits mehrfach Auswahlprozesse erlebt, in denen die Außendarstellung im Vorfeld zwar überzeugend war, sich aber im weiteren Verlauf des Prozesses als falsch herausstellte. Das kann gefährliche Folgen für Unternehmen haben. Denn 98 Prozent aller Studienteilnehmer gaben an, dass ihre persönlichen Erlebnisse im Bewerbungsprozess auch auf ihre Gesamtwahrnehmung des Unternehmens abstrahlen – für 51 Prozent sogar stark.“
Die meiste Kritik ernten Personalmarketing-Aussagen von Arbeitgebern auf der eigenen Karriere-Webseite (61 Prozent) oder in Stellenanzeigen (53 Prozent). Auch die Kommunikation zu Beginn des Auswahlprozesses beäugen Bewerber mit einer gehörigen Portion Skepsis. Fast die Hälfte zweifelt an der Glaubwürdigkeit in der ersten schriftlichen Kommunikation. Fast genauso viele trauen den Aussagen im ersten Telefon-Interview nicht. Erst danach flauen die Zweifel ab.
Falsche Hochglanzversprechen sind ein No-Go
Für Professor Tim Weitzel vom Lehrstuhl für Wirtschaftsinformatik der Universität Bamberg ist das ein absolutes No Go. Es reiche nicht, Hochglanzversprechen zu machen, warnt er. Die Unternehmen müssen die Versprechen auch erfüllen, da genervte Mitarbeiter und Bewerber zunehmend über leere Versprechen in ihren Netzwerken reden und darüber lesen.
„Zwei Drittel bewerben sich gar nicht erst bei solchen Firmen. Und wenn aktuelle Mitarbeiter erleben, dass nach außen gemachte Versprechen innen gar nicht eingehalten werden, sinkt bei vier von fünf die Arbeitsmotivation, und sie schauen sich schon einmal nach andern Arbeitgebern um.“ Seine Erkenntnisse bezieht Weitzel aus der jährlichen Studie Recruting Trends, deren Studienleiter er ist.
Personalmarketing strategisch sauber aufsetzen
Grund genug, das eigene Personalmarketing strategisch sauber aufzusetzen – zugunsten einer Candidate Experience, die von Anfang an perfekt ist. Und dabei gibt es nur den einen Schlüssel zu nachhaltig begeisterten Kandidaten: Authentizität.
Genau hier liegt aber die Krux für viele Arbeitgeber: Viele schießen mit übertriebenen Versprechen über das Personalmarketing-Ziel hinaus, weil sie sich mit den Falschen messen und die falschen Mehrwerte betonen. Dabei sollten sie es gerade als Vorteil begreifen, dass etwa für ein Startup, ein mittelständisches Unternehmen und einen Großkonzern nicht die gleichen Voraussetzungen gelten können.
So kann ein junges Startup niemals so stark mit dem Faktor der Jobsicherheit punkten wie ein etablierter Großkonzern. Der hat dafür aber weniger trendige Inhalte und nicht den gleichen agilen Spirit im Angebot. Soll heißen: Um zu authentischen Personalmarketing-Aussagen zu kommen, sollten Arbeitgeber nicht hinterfragen, was Bewerber erwarten könnten, sondern, was sie diesen tatsächlich bieten können. Daraus entsteht nach und nach eine schnörkellose Personalmarketing-Strategie. Die Bewerber erleben eine Candidate Experience ohne Enttäuschungen und Rückschläge. Das werden sie danken – mit Bewerbungen! Mission erfüllt.