Um kaum einen anderen Sektor ranken sich so viele Klischees wie um den öffentlichen Dienst. Das Bild des miesepetrigen Beamten, der in der Verwaltung oder der Amtsstube hinter dem Schreibtisch hockt und Däumchen dreht, hält sich hartnäckig. Das Problem ist allerdings: Der Bereich ist genauso vom Fachkräftemangel betroffen wie Industrie und Dienstleistungsgewerbe. Doch mit einem schlechten Image lassen sich Talente nur schwer begeistern. Ein ordentliches Personalmarketing im öffentlichen Dienst tut bitter Not.
Seit 2007 erhebt die Forsa-Gesellschaft die Studie „Bürgerbefragung Öffentlicher Dienst“ – zuletzt Anfang 2018. Und da wartete mit keiner guten Nachricht auf. Klischees kleben am Öffentlichen Dienst wie Kaugummis an Schuhsohlen. Vor allem das Bild vom faulen und untätigen Beamten hält sich hartnäckig. Außerdem gelten Mitarbeiter des öffentlichen Dienstes als „stur“, „mürrisch“ oder „arrogant“.
Dass diese Vorstellungen in großen Teilen dem Reich der Phantasie entspringen, belegt eine zweite Studie des Deutschen Gewerkschaftsbunds (DGB). Sie kommt zum gegenteiligen Ergebnis. Ein Fazit lautet zum Beispiel, dass die Beschäftigtenzahlen konstant abnehmen und Arbeitsvolumina steigen.
Öffentlicher Dienst: Stress und Termindruck steigen
Von wegen fauler Beamter! Nur jeder zehnte Beschäftigte im Öffentlichen Dienst ist frei von terminlichem Stress. Bei den Hochqualifizierten und Akademikern klagen drei Viertel der Beamten und zwei Drittel der Angestellten über erheblichen Stress und Zeitdruck am Arbeitsplatz.
Das zeigt: Der öffentliche Dienst bewegt sich in der externen Wahrnehmung zwischen zwei Extremen. Auf der einen Seite die Klischees. Auf der anderen Seite die Studien, die das genaue Gegenteil behaupten. Doch weder die eine noch die andere Seite hat das Potenzial, neue Talente zu begeistern. Und genau das ist die Krux. Denn ein Plus an Personal würde den öffentlichen Dienst aus seiner Misere erlösen. 54 Prozent der Befragten nennen als Hauptgrund der starken Arbeitsbelastung den Mangel an Personal.
Personalmarketing im öffentlichen Dienst: Lieber gestern als heute damit beginnen
Das lässt nur einen Schluss zu: Der öffentliche Dienst muss sich im Rahmen eines zielgerichteten Personalmarketings stärker als attraktiver Arbeitgeber gegenüber Talenten ins Spiel bringen. Die Zeit drängt, sagt Peter Detemple, Partner und Experte für den Bereich Öffentlicher Sektor bei PwC in einem Interview.
„Während die produzierende Industrie den Mangel an Fachkräften bis zu einem gewissen Grad durch Automatisierung kompensieren kann, müssen Bund, Länder und Kommunen andere Antworten finden“, so Detemple. „Im Jahr 2030 werden im öffentlichen Dienst nach unseren Berechnungen 816.000 Stellen mangels geeigneter Bewerber nicht besetzt werden können, es werden 194.000 Lehrkräfte fehlen! Damit ist dieser Sektor die Branche mit dem größten absoluten Mangel. Und das in einem Bereich, in dem die Aufgaben und Anforderungen aufgrund der zunehmenden gesellschaftlichen Komplexität immer weiter wachsen.“ Um hier etwas zu verändern, muss der öffentliche Dienst sein Image grunderneuern und im Personalmarketing über seine Vorzüge plaudern. Und von diesen gibt es durchaus einige.
Attraktivitätsfaktoren im öffentlichen Dienst
Innerhalb seines Personalmarketings könnte der öffentliche Dienst gegenüber Talenten zum Beispiel über diese Themen plaudern:
- Jobsicherheit: Egal ob als Angestellter oder Beamter – ein Job im öffentlichen Dienst ist als sicher. So gilt in den alten Bundesländern auf Bundes- und Landesebene das Prinzip der Unkündbarkeit.
- Eine gute Bezahlung und klare Arbeitsbedingungen: Grund dafür ist die im Vergleich zu anderen Branchen hohe Tarifbindung.
- Im öffentlichen Dienst erhalten Beschäftigte eine Jahressonderzahlung –gerne auch als Weihnachtsgeld bezeichnet.
- Fairness: Überstunden werden durch einen Freizeitausgleich abgegolten.
- Der öffentliche Dienst bietet vielfach flexible Arbeitsbedingungen.
- Ein Job im öffentlichen Dienst stiftet Sinn. Egal ob als Erzieherin in einer Kita, als Lehrer, als Polizist, Feuerwehrmann, Arzt oder als Professor an einer Uniklinik – Beschäftigte im Staatsdienst leisten viel für die Gemeinschaft.
- Mitbestimmung: Betriebs- und Personalräte haben erheblich positiven Einfluss auf die Qualität der Arbeitsbedingungen.
- Der öffentliche Dienst bietet gute Weiterentwicklungs- und Karrierechancen.
Damit bietet der Sektor unterm Strich genau das, was sich Talente wünschen. Geht es nach der Studie Recruiting Trends 2018 der Universität Bamberg machen nämlich insbesondere die folgenden Faktoren einen Arbeitgeber attraktiv:
- Flache Hierarchien
- Angebot von Home-Office
- Angebot von sicheren Arbeitsplätzen
- Angebot von flexiblen Arbeitszeitmodellen
- Wertschätzung der Work-Life-Balance
- Vereinbarkeit von Beruf und Familie
- Weiterbildungsangebote
- Angebot von guten Karrieremöglichkeiten
- Gutes Arbeitsklima
- Ansprechende Gehälter
- Angebot interessanter Tätigkeiten
- Wissensaustausch
Die richtigen Botschaften aussenden
Dass hier eine große Überschneidung besteht, dürfte selbst einem Blinden auffallen. Aber offensichtlich kommt diese Kunde nicht an die Kandidaten heran. Zwar gab es schon ein paar größer angelegte Kampagnen, mit denen das Personalmarketing im öffentlichen Dienst angekurbelt werden sollte, allerdings wurden hier aus Employer-Branding Sicht so einige Fehler gemacht.
Wir wollen an dieser Stelle gar nicht von rappenden Polizisten in Recrutingvideos sprechen, die zu einem eher peinlichen Viralhit wurden. Nehmen wir lieber die Personalmarketing-Kampagne der Bundesregierung unter dem Namen durchstaaten.de.
Der gleichnamige Internetauftritt stellt so etwas wie eine Karriereseite dar, in der sich Talente über die verschiedenen Jobprofile und Arbeitsbereiche im öffentlichen Dienst informieren können. Soweit, so gut.
Auf Stellenangebote stößt das interessierte Talent allerdings erst dann, nachdem es sich von Unterseite zu Unterseite geklickt hat. Das ist schon ein bisschen schlechter. Ganz schlecht ist allerdings, dass das gesamte Internetportal praktisch nicht auffindbar ist. Zumindest ist es auf der Startseite der Bundesregierung nirgendwo verlinkt.
Karriereseite: Nirgendwo verlinkt
Wie sollen so bitte Interessenten auf die Karriereseite kommen? Selbst auf den Unterseiten des Bundesregierungsauftritts findet sich nicht der leiseste Hinweis auf die Karriereplattform. Sorry, aber ein Arbeitgeber sollte Kandidaten schon die Chance geben, die Karriereseite im ersten Schritt überhaupt zu erreichen. Das ist ein klassischer Personalmarketing-Anfängerfehler, vor dem offensichtlich nicht einmal die höchsten Vertreter des öffentlichen Dienstes gefeit sind.
Aber damit nicht genug: Selbst, wenn sich ein Talent doch über Umwege auf die Seite verirren sollte. Vom Hocker reißen wird sie dieses nicht. Ins Auge sticht zunächst, dass sich der Bund für seinen Karriereauftritt Stockfotos bedient.
Oberstes Gebot im Employer Branding: Authentizität
Ernsthaft? Das oberste Gebot im Employer Branding lautet Authentizität: Arbeitnehmer wollen sich über echte Bilder aus dem Berufsalltag eine Idee verschaffen, wie es in einem Bereich zugeht. Am besten berichten Fachkräfte ergänzend dazu in Videos oder Blogbeiträgen über ihren Berufsalltag. So entsteht ein lebhaftes Bild von Arbeits-Umfeld.
Doch von all dem keine Spur. Stattdessen wird das Talent bereits auf der Startseite reichlich bürokratisch abgefertigt. Im O-Ton: „Wir – Bund, Länder und Kommunen - suchen Menschen, die sich einbringen und Verantwortung übernehmen wollen. Wir suchen Menschen, die bereit sind, sich für das Gemeinwohl einzusetzen.“ In diesem Duktus sind auch die restlichen Texte der Seite gehalten.
Mal ehrlich: Das versteht der Bund unter emotionaler und zeitgemäßer Kandidatenansprache? So will er junge Menschen der Generationen Y und Z begeistern? Die Idee dahinter war gut gemeint und in der Sache richtig. Die Ausführung lässt Employer Branding-Experten dagegen blass werden und einhellig zu dem einem Ergebnis kommen: Der Bund zeigt auf seiner Seite sehr genau, wie Personalmarketing im öffentlichen Dienst nicht funktioniert. Besser wär’s gewesen, die Verantwortlichen hätten eine Employer Branding Agentur gefragt. Die hätte die Kohlen aus dem Feuer geholt, statt sie hineinzuwerfen.