In den USA gehört er zu den gängigen Verfahren in der Personalauswahl. Hierzulande ist er eher unbekannt: Der Myers Briggs Test. Was steckt dahinter? Und lassen Personalmanager, die ihn ignorieren möglicherweise Potenziale ungenutzt? Wissenwertes über die Hintergründe und Anwendungsmöglichkeiten des Myers Briggs Tests.
Entwickelt wurde der Myers Briggs Test von Katharine Briggs und deren Tochter Isabel Myers – ihres Zeichens Laienpsychologinnen. Der Test fußt auf der Theorie der psychologischen Typen, die der Schweizer Psychoanalytiker Carl Gustav Jung in den 20er Jahren des letzten Jahrhunderts entwickelte und veröffentlichte. Darin unterscheidet Jung Jung zwischen dem extrovertierten und dem introvertierten Typen.
Diese Merkmale nahm der Myers Briggs Test auf und ergänzte sie. Im Vergleich zu Jungs Vorlage ist der Myers Briggs Test etwas jugendlicher. Sein Erscheinungsdatum datiert auf das Jahr 1962 in den USA. Bekanntheit erlangte der Test allerdings erst in den 80er Jahren. Der US-amerikanische Psychologe und Professor an der California State University, David Keirsey, hatte den Myers Briggs Test in seinen Veröffentlichungen vereinfacht und verhalf ihm so zum Durchbruch.
Myers Briggs Test: Zahlreiche Variationen
In den USA ist der Myers Briggs Test und die zahlreichen Variationen, die es inzwischen von ihm gibt, der am weitesten verbreitete und am häufigsten verwendete Persönlichkeitstest. In der Personalauswahl kommt er zum Einsatz, um die Bewerber auszuwählen, die charakterlich am besten zum Unternehmen passen.
Dieser so genannte Cultural Fit ist in der HR Branche aktuell ein viel diskutiertes Thema. Wissenschaftliche Studien ergaben, dass Mitarbeiter, die sich nicht nur mit ihren Hard Skills, sondern auch mit ihren Sof Skills perfekt ins Unternehmensgefüge einpassen erheblich wohler fühlen. Das macht sie leistungsfähiger und loyaler. Allerdings ist es umstritten, ob der Cultural Fit mit Persönlichkeitstests wie dem Myers Briggs Test wirklich ausgelotet werden kann. Dazu aber später. Zunächst einmal zur Funktionsweise des Tests.
Wie funktioniert der Myers Briggs Test?
Der Myers Briggs Test ermittelt per Fragebogen, ob ein Bewerber eher introvertiert oder extrovertiert ist. Am Ende des Tests erfährt der Auswertende, welchem von insgesamt 16 verschiedenen Typen das Talent zuzuordnen ist. Erweist sich ein Bewerber als ein „ENTJ“, was für eine Mischung der Persönlichkeitsfaktoren Extraversion, Intuition, Thinking und Judgment, steht, ist er der geborene Leader: Er ist entscheidungsfreudig und gut darin, ineffiziente Abläufe auszumachen und diese zu korrigieren. Der Apple-Gründer Steve soll ENTJ gewesen sein.
Eine solche vierstellige Buchstabenkombination als Ergebnis ist klassisch für den Myers Briggs Test. Diese Buchstaben setzen sich aus vier Kategorien mit jeweils entgegengesetzten Persönlichkeitsmerkmalen zusammen:
- Introvert versus Extrovert (I/E): Diese Kategorie unterscheidet zwischen offenen, kontaktfreudigen und teamorientierten Persönlichkeiten und solchen, die verschlossen, sensibel und eher als Einzelkämpfer agieren.
- Intuition versus Sensing (N/S): Hier hinterfragt der Test, ob eine Person eher intuitiv ist und sich auf ihr Bauchgefühl verlässt oder braucht sie für alle Entscheidungen harte Fakten und Statistiken?
- Feeling versus Thinking (F/T): Diese Kategorie geht der Entscheidungsfähigkeit einer Person auf den Grund. Ist sie eher subjektiv und emotional geprägt oder denkt die Person logisch und rational.
- Judging versus Perceiving (J/P): Hierbei geht es um strategisches Denken. Wie flexibel und kompromissbereit ist ein Talent? Trifft es schnell Entscheidungen und bleibt dabei oder ist es eher wankelmütig und entscheidet sich schnell um?
Die 16 Typen des Myers Briggs Tests
Je nachdem, wie das Talent die Fragen zu jeder der vier Kategorien beantwortet, wird ihm die entsprechende Charakteristik zugeordnet. Daraus ergeben sich 16 Kombinationsmöglichkeiten. Jede von ihnen entspricht einem Persönlichkeitstyp.
Da gibt es zum Beispiel die Idealisten. Talente mit der Kombination ENFJ sind charmant, mitreißend und inspirierend, die mit der Kombination INFJ dagegen eher ruhig, aber dennoch sehr idealistisch und inspirierend, aber fokussierter. Jene mit der Kombination
INFP werden Eigenschaften wie Freundlichkeit, Hilfsbereitschaft, Sensibilität und Selbstlosigkeit zugeordnet und dann gibt es noch jene mit der Kombination ENFP. Sie sind selbstbewusst, positiv, enthusiastisch und kreativ.
Weiterhin gibt es künstlerisch veranlagte Personen. Sie vereinen die folgenden Merkmale auf sich:
- ESTP: klug, energiegeladen, abenteuerlustig
- ISTP: direkt, offen, überlegt, praktisch veranlagt
- ESFP: spontan, enthusiastisch, energiegeladen
- ISFP: warmherzig, sympathisch, aufmerksam, kompromissbereit
Rational denkende Personen werden in diese Kategorien eingeordnet:
- ENTJ: organisiert, effizient, eigenwillig, phantasievoll
- INTJ: klug, planend, strategisch, perfektionistisch
- ENTP: mutig, klug, kreativ, begeisterungsfähig
- INTP: wissensdurstig, unabhängig, sehr guter Problemlöser
Last but not least gibt es die Wachsamen – sie vereinen diese Kombinationen auf sich:
- ESTJ: realistisch, klar, entscheidungsfreudig, klar
- ISTJ: praktisch, faktenorientiert, zuverlässig, ehrgeizig
- ESFJ: hilfsbereit, fürsorglich, beliebt
- ISFJ: hingebungsvoll, herzlich, bescheiden, fokussiert
Wie verlässlich ist der Myers Briggs Test?
Es mag zwar verlockend sein, den Cultural Fit einer Person anhand des Myers Briggs Tests zu bestimmen. Gut möglich, dass er auch Hinweise geben kann, wie ein Talent tickt. Experten raten aber strikt von dem Test ab.
Der Myers Briggs Test sei eines der schlechtesten Instrumente, die man in der Personalauswahl nehmen könne, zitieren etwa die Stuttgarter Nachrichten den Psychologen John Rauthmann von der Uni Lübeck: „So ist der Test zum einen nicht sonderlich verlässlich.“
Messe man ein und dieselbe Person zu unterschiedlichen Zeitpunkten, würden ihr oft unterschiedliche Typen zugeordnet. „Zudem ist der Test nicht sehr gültig, er misst also nicht, was er messen sollte.“ So konnten etwa die 16 verschiedenen Typen, die er behauptet zu messen, wissenschaftlich nicht bestätigt werden.
Keine wissenschaftlich fundierte Basis
Ein großes Manko wird auch in den eher einfach gehaltenen Fragen gesehen, die die Bewerber in dem Testverfahren mit einem Ja oder Nein beantworten. Da die Vorlagen sehr allgemein gehalten seien, könne sich darin jeder wiederfinden, mahnen Kritiker an. Das macht das Testverfahren zwar in der Anwendung und auch in der Auswertung einfach und unkompliziert.
Ob das Ergebnis allerdings zutreffend ist? Das bezweifelt auch der Arbeits- und Organisationspsychologe Cornelius König von der Universität des Saarlandes, der in den Medien wie folgt zitiert wird: „Wir Menschen denken im Alltag gerne in Prototypen“, sagt er. Das helfe, die Welt zu verstehen. „Doch in Wirklichkeit sind die Menschen viel komplexer, ihre Persönlichkeit verfügt über viele Schattierungen und Abstufungen.“ Neben „sehr machthungrig“ und „gar nicht machthungrig“ gibt es eben noch viele Zwischenstufen.