Madeleines klarer Blick von außen bringt neue Impulse in die Personalabteilungen. Wir haben mit ihr über die Rolle von Freelancer:innen in der modernen Arbeitswelt gesprochen und wie sie sich in der Arbeitswelt von morgen einordnet.
Warum hast du dich für den Weg als Freelancerin entschieden, anstatt eine Agentur zu gründen oder in einer zu arbeiten?
Als Freelancerin sehe ich mich nicht – ich sehe mich als klassische Beraterin.
Die Gründung einer Agentur kam für mich nicht infrage. In eine Agentur einsteigen wollte ich auch nicht, weil mir mein Einfluss zu gering erschien. Ich hatte das Gefühl, ich könnte es als Einzelkämpferin nicht schaffen, ganze Employer Branding Kampagnen umzusetzen. Mir geht es nicht darum, Dinge umzusetzen – ich will mein Wissen über das Personalmarketing in die Welt tragen. So kann ich Unternehmen am besten mit Hilfe zur Selbsthilfe unterstützen.
Welche Rolle nimmst du in der Zusammenarbeit mit Kund:innen ein, um den Weg für ein individuelles und authentisches Personalmarketing zu ebnen?
Als Strategieberaterin ist es mir wichtig, Employer Branding von vorne zu beginnen. Womit wir starten, zeigt die Eignungsdiagnostik. Wir beginnen mit der Arbeits- und Anforderungsanalyse. Rahmenbedingungen wie die Unternehmensgröße und die auszuschreibende Stelle machen jede Zusammenarbeit individuell. Mit meinem Input möchte ich Kunden inspirieren. Den restlichen Weg können sie allein weitergehen – bei Bedarf unterstütze ich gerne weiter.
Gig Working ist im Zuge des Remote Working gestiegen. Wie ergänzen sich deiner Meinung nach Freelancer:innen und Agenturen?
Freelancer bringen als Experten Wissen in Unternehmen ein und werten so die Qualität der Arbeit auf. So sehe ich auch meine Rolle. Unsere Aufgabe ist es, Verbesserungspotenziale zu identifizieren.
Gleichzeitig können Freelancer Jobs übernehmen, die keine Vollzeitstelle füllen. Möchte ich zum Beispiel jemanden einstellen, der die Steuer für mein kleines Unternehmen macht, reichen die Aufgaben für keine Festanstellung aus. Ich hole mir also jemanden auf Stundenbasis. So können wir gemeinsam arbeiten, gemeinsam verbessern und die Expertise nutzen.
In deinem Blogbeitrag „Benefits – Was biete ich dir“ empfiehlst du die Angabe eines Gehaltes oder einer Gehaltsspanne in Stellenanzeigen. Wie lässt sich das auf die Zusammenarbeit mit freien Mitarbeitenden übertragen und wie schätzt du die Gefahr von Lohn-Dumping auf Freelance-Stellen ein?
Das wird uns alle noch ganz schön überraschen: Ich beobachte bei einigen Kunden, dass auch Osteuropäer, die gut deutsch sprechen können, die Arbeit eines 100% remote Jobs für 10 % Prozent des Gehaltes machen. In ihrer Heimat können sie mit dem Lohn gut leben.
Remote bedeutet jedoch auch, dass ein Preis nicht standortbezogen sein muss, denn auch innerhalb Deutschlands haben wir Lohnunterschiede. Vom Stundenlohn halte ich auch nichts, da es produktive und unproduktive Stunden gibt. Unternehmen sollten das Budget transparent offenlegen. Gleichzeitig ist aber zu beachten, dass Freelancer gerade zu Beginn ihrer Tätigkeit für ihre Fähigkeiten zu geringe Summen verlangen. Den eigenen Wert herauszufinden, hat auch bei mir gedauert. Außerdem erhöht sich meine Expertise mit jedem Einsatz. Der Preis muss also immer wieder angepasst werden.
Freelancer und Unternehmen müssen miteinander über den Preis sprechen – so früh wie möglich. Es gibt immer eine Lösung, wenn beide Seiten offen sind. Ausnahmen sind okay. Wir können uns aber nicht gegenseitig mit Hosenknöpfen bezahlen. Am Ende ist die eigene Positionierung immens wichtig. Selbst zu schauen, wie viel die eigene Arbeit wert ist und was der Markt bereit ist zu bezahlen, darauf kommt es an. Ein wenig Eigenwerbung schadet übrigens nicht.
Während Bewerbungsprozesse auf feste Stellen meist standardisiert sind und Talenten viel abverlangen, werden Freelance-Stellen deutlich schneller besetzt und klassische Bewerbungsverfahren bleiben aus. Ist das nicht unfair?
Einen Mitarbeiter wirst du so schnell nicht los. Im Rahmen des Bewerbungsprozesses ist es wichtig, Mitarbeiter zu prüfen und die Passung zu testen, da sie langfristig im Unternehmen gehalten werden sollen. Bei einem Freelancer ist das anders. Dem kündigst du den Auftrag und er ist wieder weg: Auch bei langfristigen Kooperationsverträgen sind meistens zweiwöchige Aufhebungsklauseln enthalten.
Ich denke, dass bei der Bewerbung Freelancern und festen Mitarbeitern gleichviel abverlangt wird. Kürzer und schneller ist der Prozess für Freelancer nicht. In die Vorarbeit, also in die eigene Sichtbarkeit und Positionierung, fließen Gehirnschmalz und Geld. Arbeitsproben, die teilweise Bewerbern abverlangt werden, stellen Freelancer bereits durch ihren Internetauftritt vorab.
Es ist somit nur ein anderes System. Freelancer sind meist schneller verfügbar. In Deutschland haben wir Besetzungszeiten von durchschnittlich 120 Tagen auf offene Stellen. Bei kurzfristigen Projekten kommen Unternehmen schneller mit einem Freelancer ans Ziel.
Corporate Benefits sind ein ausschlaggebendes Kriterium für die Annahme einer Stelle. Bislang kommen freie Mitarbeitende nur selten in den Genuss der Vorteile. Was sind Benefits, die auch Freelancer:innen nutzen können?
Ich halte es für schwierig, Corporate Benefits für Freelancer anzubieten. Wie extern ist ein Freelancer noch, wenn er unternehmensinterne Vorteile erhält? Da bekommen wir ganz schnell Probleme mit dem Finanzamt. Freelancer sollten so gut bezahlt werden, dass sich die Benefits selbst kaufen können.
Wichtiger ist, dass der Freelancer mit zum Mittagessen darf, zur Weihnachtsfeier eingeladen wird und die Wertschätzung stimmt. Wie arbeiten wir menschlich zusammen? Schaffen wir es zu sagen, dass ein Freelancer Teil eines Teams wird? Ein bisschen mehr Menschlichkeit in der Arbeitswelt wäre ein wünschenswerter Benefit.
Wie wird sich der Arbeitsmarkt der Zukunft entwickeln? Wie wahrscheinlich ist es, dass die Zusammenarbeit von freien Mitarbeitenden und Festangestellten in festen Teams zur Normalität wird?
Ich finde die Zusammenarbeit von festen und freien Mitarbeitern wichtig. Es kommt jedoch auf die Unternehmenskultur an: Manche Unternehmen holen sich nur Experten mit ins Boot, um innerhalb der Hierarchieebenen ein Projekt durchsetzen zu können, weil auf Externe mehr als auf Interne gehört wird. Der Arbeitsmarkt zwingt Unternehmen zurzeit auch dazu, auf Freelancer zu setzen, weil die Verfügbarkeit von Angestellten einfach gering ist. Teilweise werden zwischen Unternehmen Mitarbeiter getauscht, da der Druck am Arbeitsmarkt hoch ist. Ich halte es also für wahrscheinlich, dass eine solche Zusammenarbeit zur Normalität wird.
Du hast einen Wunsch frei: Wie sollte deiner Meinung nach das Verhältnis zwischen Festangestellten und freien Mitarbeitenden in einem Unternehmen der Zukunft ausfallen?
Ich wünsche mir gegenseitige Wertschätzung. Wir sind alle gefangen in unserem eigenen Kopf. Ich denke immer, dass ich den Personen, die seit zehn Jahren ihren Job im Recruiting ausüben, nichts mehr erzählen muss oder kann. Sie brauchen mich aber als Blick von außen und schätzen das sehr schnell wert. Ich schätze aber auch sehr schnell wert, was sie in den letzten Jahren aufgebaut haben. Mit gegenseitiger Wertschätzung ergänzen wir uns gut und verbessern die Welt ein kleines Stück. Demut ist hier das Stichwort.
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