Ob People Analytics, Künstliche Intelligenz, HR Tech, Future of HR oder Big Data: Daniel Mühlbauer zeigt Wege auf, die den HR-Bereich durch Verknüpfung von menschlicher und künstlicher Intelligenz revolutionieren. In unserem Interview sprechen wir mit Daniel über die Integration von datenbasierter Technik in HR-Prozessen. Die Quintessenz: Eine effiziente Nutzung setzt valide Daten voraus.
Daten werden als neue Währungen gehandelt. Auch für dich sind Daten ein wichtiger Bestandteil der zukünftigen Personalarbeit. Welche Potenziale siehst du, wenn du an Data Driven HR denkst?
HR schreibt sich selbst auf die Fahne der People Champion zu sein. Die Grundlage für Managemententscheidungen im HR sind Daten. Wir schulden den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern eine exzellente Entscheidungsqualität. Die Assoziation, dass wir von Daten getrieben sind, gefällt mir nicht. Statt Data Driven spreche ich bevorzugt von Data Based HR. Entscheidungen sollten fundiert und datenbasiert getroffen werden, jedoch nicht von Daten übernommen werden. Ergo: Daten sollten nicht wie Währungen gehandelt werden. Die Hinzunahme von Daten und nicht etwa die Ersetzung von Intuition und Erfahrung ermöglicht fundierte Entscheidungsprozesse.
Auf deiner Webseite HR Datenliebe steht ein Zitat: „Der Weg in die Zukunft des People Managements ist eine Gratwanderung zwischen HR Tech und HR Touch“. Was genau meinst du damit?
Wir halten uns häufig noch in einem Zweiwelten-Konzept auf: Es gibt die technische Datenwelt und die zwischenmenschliche soziale Welt. Mit dem Zitat möchte ich sagen, dass keine Herausforderung innerhalb der Arbeitswelt ausschließlich technisch oder ausschließlich sozial gelöst werden kann. Die Dimensionen der Arbeitswelt sind miteinander verknüpft. Ein Beispiel: Ein Machine Learning Verfahren, das freiwillige Kündigungen vorhersagen kann, muss von Menschen manuell korrigiert und mit Blick auf angemessene Handlungen interpretiert werden können. Soziales und technisches greifen somit immer ineinander.
Laut deiner Aussage ist es notwendig, ein analytisches Mindset zu haben, um Daten richtig analysieren, bewerten und einordnen zu können. Wie sieht ein solches Mindset aus?
Eine Analogie hilft hier weiter: Kinder sind Experten darin, immer nach dem Warum zu fragen. Das ist für mich der Kern eines analytischen Mindsets: ein natürliches Maß an Skeptizismus, der im ökonomischen Kontext zum Tragen kommt. Das analytische Mindset beginnt nicht mit irgendwelchen Warum-Fragen, sondern mit Warum-Fragen, die an der Schnittstelle zwischen HR und Business angesiedelt sind. Es bedeutet jedoch auch, dass ich akzeptiere, dass mir die Antwort auf meine Warum-Frage nicht gefallen muss. Wenn es die richtige Antwort ist, „überschreibe“ ich mein bisheriges Wissen aus der Vergangenheit mit neuen Erkenntnissen.
Der Fachkräftemangel erschwert die Suche nach passenden Talenten. Wie kann Data Analytics dabei helfen, Stellen zielgruppenspezifischer auszuschreiben und die Erfolgsquote der eingehenden Bewerbungen zu erhöhen?
Zunächst müssen wir ein Verständnis für die Zielgruppe entwickeln – qualitativ sowie durch Daten. Fehleinschätzungen über die Zielgruppe mindern die Erfolgsquote für Bewerbungen. Es gibt beispielsweise Bewerbermanagementsysteme, die an einem Samstagmorgen offline sind. Vielleicht sagen meine Daten aber, dass genau zu diesem Zeitpunkt gerne Bewerbungen abgesendet werden. Die Zielgruppenansprache kann durch Verwendung verknüpfter Daten über den gesamten Recruiting Funnel optimiert werden.
In deinem Whitepaper zum Thema „KI für HR sinnvoll nutzen“, schreibst du, dass Künstliche Intelligenz das HR Betriebssystem gänzlich transformiert. Wie stark nutzen deutsche Unternehmen bereits KI, um HR Prozesse zu transformieren und welche Einsatzfelder dominieren?
Unternehmen nutzen KI in der HR noch zu selten. Das Problem: Es wird nach marktreifen Lösungen gesucht, anstatt mit der Technik zu experimentieren. Im HR-Bereich wird KI hauptsächlich innerhalb der Recruiting- und Learning-Prozesse angewandt. Recommendation Engines, Chat Bots und der Analytics-Prozess sind dominierende Einsatzfelder. Unbewusst findet KI beispielsweise in Videokonferenzen statt. Während wir sprechen, ist KI im Hintergrund aktiv und sorgt dafür, dass meine Worte optimal bei dir ankommen.
Kann Arbeit noch sinnstiftend (Stichwort Purpose) sein, wenn die Zukunft der Arbeit in einer Data Society stattfindet? Wo müssen wir umdenken und Arbeit neu denken?
KI wird administrative sowie Routinearbeiten ersetzen, die heute nicht mehr als sinnstiftend gelten. Es gibt jedoch auch Menschen, die solche Routineaufgaben als sinnstiftend ansehen, da die Aufgaben ihnen Stabilität geben. Der Purpose liegt für sie nicht in der Ausübung der Tätigkeit, sondern im damit verbundenen Gehalt und der Planbarkeit. Sinnstiftung ist individuell und KI kann so in Einzelfällen zum Purpose-Killer werden. Durch die Integration von KI in HR Prozesse kann jedoch der Mensch wieder mehr im Vordergrund stehen, da mehr Zeit für People-Management-Aktivitäten vorhanden ist.
Wir Deutschen gehen sehr sensibel mit unseren Daten um. Unter Betrachtung von Datenschutz, Transparenz und Sicherheit: Ist es nicht moralisch verwerflich, anhand von Daten Bewertungen von Mitarbeitenden und Bewerbenden vorzunehmen?
Die Verwendung von Daten im HR Kontext ist nicht per se verwerflich. Daten sind für sich genommen erstmal nur Informationen und relativ neutral. Die Frage ist eher, in welcher Form die Daten Anwendung finden. Entscheidungsersetzende Verfahren sind im Geltungsbereich der DSGVO nicht erlaubt. Es geht also um entscheidungsunterstützende Datenverwertung. Das ist dann verwerflich, wenn die Menschen, die mit den Technologien arbeiten, nicht gut genug ausgebildet sind und die Technologie nicht beherrschen. Die Qualität der Beurteilung der Daten muss allerdings stimmen. Sonst können in den Daten befindliche Ungerechtigkeiten (Biases) durch KI fortgeschrieben oder sogar noch verstärkt werden.
Welche Indikatoren werden zukünftig Data Analytics im HR prägen und welche Vorteile bieten diese?
Ich kann keinen Indikator hervorheben, da es keine Best Practices gibt. Je nach Kontext kann ein Indikator sinnvoll sein oder nicht. Wissenschaftliche Kriterien wie Validität, Reliabilität und Objektivität von Messkennzahlen sind entscheidend. Was die Zukunft der HR prägen wird, ist mehr und besseres Wissen darüber zu haben, was valide Indikatoren für bestimmte Erfolgsfaktoren sind. Wenige, valide Kennzahlen sind aussagekräftiger als ein volles Dashboard. Der Kontext gibt vor, inwieweit eine Metrik besser oder schlechter funktioniert.
Wenn du einen Wunsch frei hättest: Was sollten alle Unternehmen im Bereich People Tech umsetzen?
Experimente und mehr Mut: Nicht auf ein marktreifes Produkt zu setzen und auf dieses zu warten, sondern aus Experimenten schnell den Umgang mit Technologien zu lernen und so den Umgang damit zu verbessern, wäre mein Wunsch.
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