Cawa Younosi ist Global Head of People Experience und Mitglied der Geschäftsleitung bei SAP Deutschland, LinkedIn Top Voice und HR Influencer Nummer Eins in Deutschland. Seine Ideen revolutionieren, er kommt ins Handeln und gleichzeitig ist er für jeden greifbar. Sein Geheimrezept? Empathie.
5 Fragen über die Arbeitswelt von morgen.
Die Tinderisierung des Arbeitsmarktes zeigt: People follow People. Die Realität wäre jedoch „People buy People“. Was ist eine Employer Brand dann noch, wenn das menschliche Aushängeschild des Unternehmens die Organisation verlässt?
Dann wäre ein Unternehmen tatsächlich austauschbar. Wenn wir uns nicht differenzieren, würden wir an Kontur und Marke verlieren. Menschen sind an authentischem Feedback interessiert. Zugleich nimmt der kritische Medienkonsum zu. Plattformen wie Kununu spiegeln zwar das Innenleben eines Unternehmens nach außen, Menschen sind aber an Menschen interessiert. Neben mir berichten viele meiner Kollegen über SAP. Gerade wenn wir Gefahr laufen, austauschbar zu sein, kommt es auf das Gesamtbild an. Nur wenn Bestandsmitarbeiter gut informiert, engagiert und loyal sind, können wir mit einer Employer Brand dem Fachkräftemangel entgegenwirken. Positive Erfahrungen sprechen sich herum.
Dein Statement „Mitarbeitende verlassen in der Regel keine Unternehmen. Sie verlassen Führungskräfte“ hebt die Relevanz der Aussage „People follow People“ hervor. Was bedeutet das konkret für die Führung von Teams in Zeiten von New Work?
Die Vertrauensbasis muss stimmen. Wir befragen unsere Mitarbeiter jährlich, ob sie ihre Führungskraft weiterempfehlen würden. Die Skala reicht von eins bis zehn, wobei eins bis sieben die Führungskraft als schlecht bewerten, acht als neutral und neun und zehn als gut. Die Ergebnisse werden transparent kommuniziert. So wird sichergestellt, dass die Unternehmenswerte auch von Führungskräften gelebt werden.
Wir können Rekordwerte verzeichnen. Und dass trotz remote Working. Das ist ein guter Beleg, dass ein ausgeprägtes Vertrauensverhältnis zwischen Führungskraft und Mitarbeiter nicht vom Standort abhängt, sondern wie die Zusammenarbeit funktioniert. Das wirkt sich wiederum auf die Fluktuationsraten aus. Wir liegen konstant zwischen 1 bis 2 %.
In Zeiten von New Work müssen wir den sozialen und physischen Abstand zwischen Kollegen kompensieren. Angebote wie Wine Tastings, virtuelle Grillrekords und Varieté bringen Kollegen zusammen.
Gleichzeitig stehe ich New Work entspannt gegenüber. Wir sind soziale Wesen. Vielleicht wird remote etwas zunehmen, jedoch nicht exorbitant.
Aussagen wie „Die Rolle des Recruitings entwickelt sich mehr und mehr zu einer Vertriebsrolle“ und „Wir behandeln Mitarbeitende wie Kunden“ klingen zunächst revolutionär. Würde das implizieren, dass die Abteilung HR dem Vertrieb zukünftig angegliedert wird?
Organisatorisch erschließt sich mir der Sinn nicht. Die Methoden wie wir an Kunden herantreten, wie wir sie halten und wie wir die Zufriedenheit steigern, können aber durchaus übernommen werden. Wie im Vertrieb können wir Menschen aktiv gegenübertreten: Uns als Unternehmen aktiv bei ihnen bewerben.
Es muss jedoch unterschieden werden: Bei der klassischen Vertriebsarbeit geht es um Produkte und Prozesse. Im Personalwesen stehen wir Menschen gegenüber. Die Sales Zyklen unterscheiden sich bereits. Im Grunde lassen sich Candidate Experience und Employer People Experience gleichsetzen.
Eine Utopie wird zur Realität: Führungskräfte arbeiten bei SAP in Teilzeit. Wie stehst du heute Teilzeitarbeit gegenüber?
Die Teilzeitquote nahm bei SAP über die letzten drei Jahre kontinuierlich ab. Dank der Vereinbarkeit zwischen Familie und Beruf stocken Mitarbeiter ihre Arbeitszeit freiwillig auf – Arbeiten in Teilzeit ist per se nicht „geil“. In bestimmten Lebensphasen sollte die Arbeit in Teilzeit möglich sein, ohne dass dadurch ein Nachteil für den Mitarbeiter entsteht. Mein Ziel ist es aber nicht, Leute in Teilzeit zu treiben.
Mit New Work geht auch eine erhöhte Flexibilität einher. Fraglich ist, ob Unternehmen in Deutschland wirklich dafür bereit sind. Sprechen wir bei der 30-Stunden-Woche bzw. 4-Tage-Woche als neue Arbeitszeitenregelung nicht von einer Utopie?
Ich stehe dem Thema kritisch gegenüber. Die Arbeit in Teilzeit würde eine 30-Stunden-Woche bereits ermöglichen. Fraglich ist, ob den Menschen das Geld ausreicht, sofern die 30-Stunden-Woche bei leistungsbezogener Vergütung umgesetzt werden würde.
Wie aber bemisst sich Leistung? Bei der 30-Stunden-Woche rechnen wir Arbeitszeit in Stunden. Das ist aber nur bei Akkordlohn wirklich sinnvoll. Rein rechtlich werden Arbeitszeiten bestimmt, jedoch kann die Leistung von kreativer und lösungsorientierter Arbeit nur schwer in Stunden gemessen werden. Ein Problem kann in fünf Minuten oder in fünf Wochen gelöst werden. Stunden haben in diesem Bezug also keine Relevanz.
Die Art und Weise, wie Leistung und Gehalt berechnet werden, müsste neu gedacht werden. Ich bin offen, sehe aber gerade in Konzernen einen kurzfristigen Wandel zur 30-Stunden-Woche als sehr unrealistisch an.
Du hast einen Wunsch frei: Was sollte SAP sofort ändern, um Chancengleichheit im Bewerbungsprozess sicherstellen zu können?
Wir arbeiten kontinuierlich genau an dieser Herausforderung. Durch Einsatz von Tools möchten wir sicherstellen, dass kein unconsciousness bias Bewerbungsprozesse verfälscht. Ich würde mir aber etwas anderes wünschen: Wir könnten viel mehr Musik zusammen machen, tanzen, lachen und Freude in das Arbeitsleben integrieren. Das Arbeitsleben sollte sich nicht auf Arbeit gegen Lohn beschränken. Es geht auch um Menschlichkeit.
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