Zu mühsam, schmutzig, zu verstaubt, nicht mehr zeitgemäß. Das Handwerk genießt bei vielen Schulabsolventen einen eher mittelmäßigen Ruf. Sei es, weil sie schwere körperliche Arbeit mit den einzelnen Gewerken verbinden, einen zu geringen Lohn oder frühes Aufstehen zu unmenschlichen Zeiten. Doch diese Klischees werden vielen Handwerksberufen nicht gerecht. Daher will man die Jugend mit gezielten Employer Branding Maßnahmen eines Besseren belehren.
Die Geschäfte im deutschen Handwerk brummen. Das ist gut. Die Stimmung wäre auch oben auf, gäbe es da nicht den Fachkräftemangel, der Arbeitgebern Kopfzerbrechen bereitet. In vielen Branchen müssen Kunden bereits mit ungewöhnlich hohen Vorlaufzeiten zwischen sechs und acht Wochen rechnen. Schlicht, weil es an Kräften fehlt, die die Arbeit erledigen.
Der Fachkräftemangel im Handwerk ist keine Illusion
Dass es sich dabei im größeren Teil der Fälle nicht um Ausnahmeerscheinungen, sondern um einen ausgemachten Fachkräftemangel handelt, hat das Institut der Deutschen Wirtschaft (IW) in Köln erstmals mit Zahlen belegt. Die Wissenschaftler diagnostizierten für 35 Berufe einen nachweisbaren Fachkräfteengpass. Damit ist jeder dritte Beruf im Handwerk betroffen. In praktisch allen Gewerken fehlt es vor allem an Meistern und Technikern.
Zu ähnlichen Ergebnissen kommen das Bundesinstitut für Berufsbildung (Bibb) und das Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB). Sie prognostizieren, dass bis 2030 allein in Elektro- und Versorgungsberufen rund 760.000 Handwerker fehlen.
Employer Branding Maßnahmen können den Fachkräfteengpass abmildern
Die Arbeitsmarkt-Experten gehen aber auch davon aus, dass es Mittel und Wege gibt, das Ruder herumzureißen. Employer Branding heißt das Erfolgsrezept, das dem angeschlagenen Handwerk wieder Nachwuchs in die Betriebe spülen soll. Darunter ist der Aufbau einer starken Arbeitgebermarke zu verstehen. Die Idee dahinter: Unternehmen kehren ihre unverwechselbaren Alleinstellungsmerkmale nach außen, um Bewerbern Gründe zu liefern, sich für sie zu entscheiden.
Was Großkonzerne bereits seit Jahren betreiben, kommt damit auch nach und nach im Handwerk an. Doch Employer Branding lässt sich nicht über Nacht verordnen. Dahinter steckt eine ausgeklügelte Strategie. Laut Eigenbeschreibung ist inzwischen jedes Unternehmen besonders innovativ und führend in seinem Spezialgebiet. Das mag ja auch sein. Aber eine Unverwechselbarkeit ist damit nicht gegeben.
Um Talente für sich zu begeistern, muss man schon ein bisschen konkreter werden. Handwerksbetriebe müssen dazu Antworten auf folgende Fragen finden:
- Wofür steht das eigene Unternehmen im Detail?
- Welche Alleinstellungsmerkmale unterscheiden es vom Wettbewerb?
- Wohin will sich der Betrieb entwickeln?
Die Analyse
Um ein möglichst authentisches Bild zu erhalten, lohnt es sich, die eigenen Mitarbeiter zu befragen. Inhaber können dabei auch gleich eruieren, wo ihrer Ansicht nach Verbesserungsbedarf besteht. Das Ergebnis dieser Stärken-Schwächen-Analyse ist der Startschuss für einen kontinuierlichen Verbesserungsprozess unter dem Motto „Stärken stärken, Schwächen schwächen“.
Employer Branding ist keine einmalige, sondern eine dauerhafte Aufgabe. Ziel ist es, ein optimales und dauerhaftes Unternehmensklima zu schaffen, das einerseits bestehende Mitarbeiter an den Betrieb bindet. Und das geht nur, wenn man hinhört und sich kontinuierlich verbessert. Andererseits lässt sich die Kunde von der guten Unternehmenskultur natürlich auch optimal mit allen anderen Alleinstellungsmerkmalen nach außen an potenzielle Mitarbeiter tragen. Hierbei spricht man von externem Employer Branding.
Muss Employer Branding im Handwerk wirklich sein?
Die Frage, ob all das wirklich nötig ist – erübrigt sich. Jugendliche und junge Erwachsene haben heute andere Wünsche als die Bewerbergenerationen vor ihnen und dem müssen Arbeitgeber Rechnung tragen, wenn sie sie für sich begeistern wollen. Zahlreiche Studien haben ergeben, dass es ihnen vor allem darauf ankommt, etwas Sinnvolles zu tun. Sie wollen überdies Entwicklungsmöglichkeiten haben und am Puls der Zeit arbeiten. Nicht zu vergessen ist eine gute Balance zwischen Freizeit und Beruf.
Nun ist es nicht einmal so, dass das Handwerk das nicht bieten könnte. Nur hat es in vielen Bereichen versäumt, darüber zu reden. Das Resultat ist ein verstaubtes Image, das es aufzupolieren gilt. So weiß zum Beispiel kaum ein Schulabgänger um die mannigfachen Möglichkeiten eines dualen Studiums in den verschiedenen Gewerken.
Auch, dass es sich selbst bei kleinen Betrieben um wahre High-Tech-Zentren auf kleinstem Raum handelt, hat nicht bei allen die Runde gemacht. Denn ohne modernstes technisches Gerät wie etwa 3-D-Drucker wäre in vielen Bereichen die Wirtschaftlichkeit eines Unternehmens bedroht. Es könnte nicht mit der Geschwindigkeit und Qualität des Wettbewerbs mithalten.
Tue Innovatives und rede darüber
Was viele Handwerksbetriebe außerdem außergewöhnlich macht: Viele sind Familienbetriebe, was meist einen Umgang auf Augenhöhe, wenig Bürokratie und die Möglichkeit zu spontanen Absprachen in punkto Arbeitszeit mit sich bringt. Auch eine schnelle Übernahme von Verantwortung und eine facettenreiche Ausbildung sind die Regel.
Denn, wo es viel zu tun gibt, packt jeder in jedem Bereich mit an und lernt entsprechend schnell und viel. Auch eine gute Vereinbarkeit von Familie und Beruf ist in vielen Fällen gewährleistet: Gerade in kleineren Handwerksbetrieben kommt es auf das Spezialwissen jedes einzelnen Mitarbeiters an, weshalb viele Arbeitgeber auf innovative Angebote zur berühmtberüchtigten Work Life Balance setzen.
Ist Employer Branding teuer? Nein!
Doch wie lassen sich all diese Botschaften an den Bewerber bringen? Ist das nicht furchtbar teuer? Nein, hierfür gibt es inzwischen die verschiedensten Möglichkeiten – auch sehr kostengünstige fernab von hochpreisigen TV- oder Radio-Spots. Die unbegrenzten Spielarten des World Wide Web machen es zum Beispiel möglich.
Zum Beispiel können Betriebe nicht nur auf der eigenen Webseite Fotos von Referenzobjekten und dem Team bei der Arbeit veröffentlichen, sondern auch in einem Beitrag im Azubiblog den Fachkräftenachwuchs in lebhaften Worten schildern lassen, wie das Projekt abgelaufen ist, wo die Herausforderungen lagen und wie man sie gemeinsam gemeistert hat.
Natürlich sollte auch zur Sprache kommen, wie stolz alle auf das Endergebnis sind. Vielleicht wurde auf den Projektabschluss auch ein Gläschen Sekt getrunken? Bilder davon sind ebenfalls perfektes Futter für die Online-Welt.
Lasst Mitarbeiter sprechen
Wichtig ist, die Mitarbeiter selbst, in Wort, Bild und Ton zu Wort kommen zu lassen. Sei es auf der eigenen Facebook-Seite oder in einem kurzen Azubivideo auf der Karriereseite, bei dem auch Anwendungsbeispiele für hochmoderne Automatisierungstechnik im Ausbildungsbetrieb zu sehen sind.
Das kommt wesentlich nahbarer herüber als ein stocksteifer Videovortrag des Chefs. Kommt hingegen der Azubi zu Wort, wird eine Verbindung zu potenziellen Jobanwärtern auf Augenhöhe hergestellt. Außerdem drückt der Spot zwischen den Zeilen aus: Hier wird auch der Lehrling gehört und ist nicht nur für Handlangertätigkeiten da. Kleine Maßnahme, große Wirkung.
Auch die Weiterbildungsräumlichkeiten der eigenen Innung, in denen verschiedene Gewerke miteinander die Schulbank drücken, können ein attraktives Motiv für Bewegtbild und Fotos sein. Auf diese Weise entsteht mit der Zeit der Eindruck von einem zeitgemäßen und hochvernetzten Arbeitgeber.
Zufriedene Mitarbeiter sind das beste Aushängeschild
Ohnehin sind zufriedene Mitarbeiter das beste Aushängeschild für einen Arbeitgeber. Ihre Zufriedenheit überträgt sich nicht nur per Video, Webseite oder Social Media auf andere potenzielle Bewerber, sondern auch im direkten Kontakt auf Freunde, Bekannte und die Familie. Sie alle bekommen mit, wie es im Betrieb läuft und tragen es weiter.
Der Effekt von positiver Mundpropaganda sollte insbesondere in ländlichen Regionen nicht unterschätzt werden. Zumal sich diese auch ganz schnell in die Sozialen Medien übertragen und für einen viralen Effekt sorgen kann. Auch im direkten Kontakt mit potenziellen Bewerbern können und sollten Mitarbeiter ihre Begeisterung nach außen tragen. Man muss sie nur zusammenbringen. Hier lassen sich Arbeitgeber im Handwerk inzwischen immer mehr einfallen.
Ein Beispiel ist die Technik-Rallye, ausgerichtet vom Bildungswerk der bayerischen Wirtschaft. Dahinter stecken die Metall- und Elektro-Arbeitgeber im Freistaat. Weil ihnen der Nachwuchs ausgeht, Handarbeit und Werken im Unterricht kaum eine Rolle spielen und daheim nicht mehr selbstverständlich gewerkelt wird, gehen Arbeitgeber neue Wege, um bei Schülern Lust auf Technik zu wecken.
Hier sind Schüler eingeladen, unter zeitlichen Vorgaben und Anleitung der Fachkräfte in einem Betrieb Drähte zu biegen, Bretter zu sägen oder Elektrokabel zu montieren. Ganz nebenbei gehen sie auf Tuchfühlung mit einem potenziellen Ausbildungsberuf. Beispiele für erfolgreiche Employer Branding Maßnahmen dieser Art gibt es viele. Wichtig ist nur, diese kontinuierlich und in der immer gleichen Intensität zu betreiben. Aber insbesondere das dürfte im Handwerk kein Problem sein. Hier gehört Anpacken schließlich zum Geschäft.