Marcel Rütten zählt zu den Experten im Bereich Employer Branding. Mit über zehn Jahren Berufserfahrung im Personalmanagement teilt er als Speaker und Autor des Blogs HR4Good regelmäßig innovative Gedanken, Meinungen und Trends.
Wir haben mit ihm über gutes und schlechtes Employer Branding gesprochen und ihn nach zukunftsweisenden Trends gefragt.
Im Zuge von Employer-Branding-Kampagnen geben sich viele Unternehmen jung, dynamisch und offen auf Social Media. Videos mit witzigem Charakter auf TikTok stehen hier dem professionellen Auftritt auf LinkedIn gegenüber. Kann eine solche Ambivalenz dem Employer Branding nicht eher schaden?
Erst einmal ist alles erlaubt, sofern es zur Unternehmenskultur passt. Die Kommunikation sollte jedoch stimmig und konsistent sein. Es ist nicht sinnvoll, sich als hippes Unternehmen zu präsentieren, wenn die Organisation in Summe ultra-konservativ ist. Das passt dann einfach nicht zusammen. So entsteht eine Diskrepanz zwischen der öffentlichen Kommunikation und der Unternehmenskultur.
Kampagnen können oder müssen sogar zielgruppenspezifisch sein. Deswegen können sich die gewählten Ansätze für Future Talents und Professionals durchaus unterscheiden. Die Ansprache der Controllingleitung auf LinkedIn sollte sogar unbedingt anders sein als die beim Hochschulmarketing. Die Schnittmenge zur Corporate Brand sollte allerdings gegeben sein. Ein zu starkes Abweichen finde ich nicht zielführend.
Die Kommunikation darf aber gerne auffallen, denn im Wettbewerb muss ich genug Aufmerksamkeit schaffen. Daher finde ich es nicht schlimm, einen humorvollen Ansatz auf TikTok zu wählen, sofern dieser Aufmerksamkeit bei der Zielgruppe schafft, die erreicht werden soll.
Für erfolgreiches Employer Branding sollte das Marketing und die Personalabteilung Hand in Hand arbeiten. Kann durch die kommerzielle Verknüpfung nicht auch die Glaubwürdigkeit der Arbeitgebermarke in Frage gestellt werden?
Employer Branding ist Teamsport. Sein wir doch mal ehrlich: Es wird kaum eine Kampagne erfolgreich laufen, wenn HR oder Marketing jeweils die Alleinunterhalter spielen. Genau dann sind Kampagnen häufig zum Scheitern verurteilt.
Außerdem ist es doch so, dass in eher generalistisch aufgestellten HR-Abteilungen selten ausreichende Employer-Branding- oder gar Marketingkompetenz vorhanden ist, da die Mitarbeiter im Personalbereich selten ursprünglich aus dem Marketing kommen. Daher ist es immer ratsam, die Kolleginnen und Kollegen von Tag eins an zu involvieren.
Ich stimme aber zu, dass HR immer die Position des „Real Keepers“ einnehmen sollte. Die HR-Abteilung sollte daher unbedingt darauf achten, dass eine Kampagne nicht als Mainstream oder gar glitschig wahrgenommen wird, sondern authentisch ist. Ecken und Kanten dürfen gerne mitbeworben werden, denn diese machen es hinterher oftmals aus.
Immer mehr Menschen hinterfragen das Wie und Warum des eigenen Arbeitsplatzes. Würdest du den Purpose eher als Weiterentwicklung oder als Alternative zu Employer Branding sehen?
Für mich ist das ein Bestandteil von Employer Branding, weil Mitarbeiter Antworten auf die Fragen suchen, warum sie ihren Job ausüben, was sie motiviert und warum sie genau diesen Job machen sollten. Die Sinnfrage wird somit immer wichtiger. Das ist nicht zuletzt darauf zurückzuführen, dass immer häufiger über gesellschaftliche Fragen gesprochen wird. In diesem Kontext ist Sinnstiftung als solches bzw. die Verknüpfung des Jobs mit einem Sinn zu einer gesellschaftlichen Anforderung geworden, die es zu erfüllen gilt. Sollte dem nicht so sein, treten mittelfristig Schwierigkeiten bei der Personalgewinnung und Personalbindung auf.
So gibt es Personen, die einen Arbeitgeber wieder verlassen, wenn dieser nicht mehr zum individuellen gesellschaftlichen Gesamtbild passt. Mitarbeiter hinterfragen somit immer mehr das Was und das Wie: Was produziere ich eigentlich und wie agieren wir als Organisation in den Märkten, in denen wir aktiv sind? Mitarbeiter und Kandidaten sollten sich grundsätzlich immer mit dem Produkt identifizieren können. Aber auch das Wie ist entscheidend. Wie tun wir die Dinge eigentlich? Sind sie für mich vertretbar? Mache ich sie gerne? Wie passt die Art der Wertschöpfung zu meinen Werten? Das sind Fragen, die heute selbstverständlich sind und auf die Arbeitgeber eine Antwort haben sollten.
Die Automatisierung hält auch Einzug in HR. Denkst du nicht, dass Chatbots, Big-Data-Analysen und standardisierte Bewerbungsverfahren die Entmenschlichung der Personalabteilung bedeuten und somit gleichzeitig eine Irrelevanz von Employer Branding nach sich ziehen?
Beide Richtungen sind möglich. Auf der einen Seite kann die Automatisierung zur Entmenschlichung führen. Ein Beispiel ist der Einsatz von Chatbots. Wenn ich persönlich die Wahl zwischen dem Kontakt mit einem Chatbot und einer echten Person habe, würde ich immer eine echte Person vorziehen, weil ich meine Fragen persönlicher platzieren kann. In der Interaktion mit einem Chatbot tippe ich hingegen Angaben ein, die der Chatbot oftmals nicht versteht. Das führt zu Frustration und eine menschliche Reaktion ist nicht zu spüren.
Auf der anderen Seite helfen Automatisierungen, wie standardisierte Bewerbungsverfahren und Big-Data-Analysen, dabei, Prozessverbesserungen zu erzielen.
Zeit, die zur Verfügung steht, kann so besser eingesetzt und Fehlentwicklungen identifiziert werden. Es hilft mir also dabei, meine Zeit mehr für qualitative Tätigkeiten zu nutzen.
Automatisierung kann außerdem für Individualisierung genutzt werden. Ein Beispiel hierfür wäre ein individualisiertes Schreiben von E-Mails auf Basis der Qualität von Bewerbungen. Kandidaten nehmen die Individualisierung als wertschätzend wahr. In diesem Fall hilft die Automatisierung dabei, eine deutlich größere Nähe zu Kandidaten aufzubauen.
Es ist somit keine Frage, ob standardisierte Verfahren eingesetzt werden, sondern wie die Werkzeuge auf- und eingesetzt werden.
Zurzeit arbeitet im Zuge der Corona-Pandemie jeder vierte Arbeitnehmende in Deutschland im Homeoffice. Auch zukünftig wird ein Aufwärtstrend zu erkennen sein. Wie kann das Employer Branding auf die digitale Kommunikation neu ausgerichtet werden? Was wären passende Trends? Was muss sich im Employer Branding ändern, um auf diese neuen Gegebenheiten einzugehen?
Ich würde hier tatsächlich zwischen internen und externen Employer-Branding-Maßnahmen unterscheiden.
Beim externen Employer Branding mit Fokus auf der Personalgewinnung gibt es keinen signifikanten Unterschied. Kandidaten sind ohnehin online präsent und Unternehmen versuchen, diese über Online-Kanäle zu erreichen. Das Einzige, was sich dahingehend verändert hat, ist das Bewerbungsverfahren. Neue Bestandteile wie Live-Videointerviews bleiben vermutlich auch zukünftig, jedoch ergeben sich keine großen Unterschiede für das Employer Branding.
Im internen Employer Branding kann die digitale Kommunikation dabei helfen, die Entkopplung zu reduzieren, die sich mit zunehmender Dauer des Remotearbeitens einschleicht. Verhindert werden kann sie aber nicht. Ich kann mir alle möglichen Formate überlegen, wie ich die Zusammenarbeit zwischen Mitarbeitern verbessern, fördern oder überhaupt aufrechterhalten kann, aber ein menschliches Zusammensein kann es nicht ersetzen.
Wir kämpfen im Moment vermutlich alle dagegen an, dass Organisationen sich auseinanderleben. Wir müssen aktiv auf Mitarbeiter zugehen und darauf achten, dass sich jeder Einzelne wohl- und wertgeschätzt fühlt. Das ist ein Wettlauf mit der Zeit. Denn je länger dieser Zeitraum andauert, desto mehr findet eine Entkopplung statt.
Es ist also hilfreich, Formate zu schaffen, bei denen die digitale Kommunikation helfen kann: formelle und informelle Inforunden, digitale Cocktail- oder Spieleabende oder digitale Mittagspausen. Die Formate müssen aber auch immer zum Team und zur Unternehmenskultur passen. Mittlerweile sind wir an einem Punkt angekommen, an dem wir des Homeoffices müde werden und Mitarbeiter nicht mehr so viel Lust darauf haben, ausschließlich zuhause zu sitzen. Wir alle bevorzugen doch eher menschlichen Kontakt.
Teams zusammenzuhalten in Zeiten, in denen wir uns entkoppeln: Das ist die Herausforderung.
Viele Unternehmen springen mittlerweile langsam auf den Employer-Branding-Zug auf – aber nur wenige machen richtig gutes Employer Branding. Was machen sie falsch? Woran liegt es, dass es oft nur halbherzig ist und was muss sich in Zukunft ändern? Was ist nötig, um gutes Employer Branding zu machen? Wo muss man anfangen und was muss gegeben sein?
Ich glaube, die Frage nach gutem oder schlechten Employer Branding kann nicht pauschal beantwortet werden. Die Frage muss jedes Unternehmen für sich beantworten und hängt davon ab, welche Ziele sich ein Unternehmen setzt. Der Erfolg von Employer Branding muss daher immer individuell bewertet werden.
Die gute Nachricht ist aber erst einmal, dass Employer Branding in der Breite angekommen ist und sich viele Unternehmen Gedanken darüber machen, wie die zukünftige Wettbewerbsfähigkeit gewährleistet werden kann. Oft fehlt es aber an drei Dingen: Ehrlichkeit, Mut oder Budget. Wenn einer der drei Faktoren fehlt, ist die Gefahr groß, dass die eigenen Bemühungen im Employer Branding schnell zum Misserfolg werden.
Mit Ehrlichkeit meine ich, dass Authentizität gegeben ist. Im Employer Branding ist es daher wichtig, darauf zu achten, dass Konsistenz in den Aussagen und Handlungen besteht.
Zweitens benötigt es Mut, um Dinge anders zu machen, Dinge anders zu denken und zu reflektieren, dass die Dinge, wie sie zuvor gemacht wurden, vielleicht gar nicht so gut waren.
Hierfür muss jeder auch über seinen eigenen Schatten springen können.
Es ist auch nicht immer sinnvoll, nur zu schauen, was der Wettbewerb gerademacht. Wer sagt denn, dass die es besser machen?
Der dritte Erfolgsfaktor ist das Budget. Einzelne Maßnahmen können natürlich auch ohne ein riesiges Budget umgesetzt werden. Wenn es aber wirklich um strategisches Employer Branding geht, müssen sich die Maßnahmen auch im Budget wiederfinden. Ich kann mir tolle Kampagnen überlegen, sie brauchen aber auch Reichweite. Natürlich wünscht sich jeder den viralen Hit, aber wenn dieser nicht da ist, hilft ein akzeptables Budget ungemein.
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