Eva Stock ist Head of Business Relations bei Jobufo und spricht darüber hinaus als Speakerin, Bloggerin und Autorin immer wieder über HR-Themen, unter anderem auf ihrem persönlichen Blog HRISNOTACRIME. Wir haben sie zu ihrer Meinung, dem Umgang von Jobufo mit neuen Bewerbungstrends und der strategischen Ausrichtung des Recruiting Assistant im Hinblick auf digitale Bewerbungsformen befragt.
Welche neuen Bewerbungsformen gibt es und inwiefern könnte die Corona-Pandemie zu mehr Akzeptanz für diese führen?
Wenn wir über das Thema Bewerbungsformen im Allgemeinen sprechen, gibt es aktuell eine ganze Reihe an neuen Möglichkeiten. Am bekanntesten ist das Thema Video, aber auch die Bewerbung per Sprachnachricht ist gerade heiß im Rennen. Hinzu kommt die anonyme Bewerbung im Zuge der Diskussion über Diversity und Inklusion, die eine erhöhte Objektivität erzielen soll. Ebenfalls neu und interessant ist die WhatsApp-Bewerbung, insbesondere im Hinblick auf die Frage, wie man über einen Kanal Bewerbungen generiert, den fast jeder auf seinem Handy nutzt. Doch auch das Thema Kurzbewerbung sollte an dieser Stelle erwähnt werden. Das geht auch mit dem Thema WhatsApp einher. Jede*r Recruiter*in sollte sich fragen: Wie kann ich es den Kandidatinnen und Kandidaten einfacher machen, sich bei mir zu bewerben? Und “einfacher” bedeutet eigentlich immer: ohne viel administrativen Aufwand!
Viele Unternehmen nehmen mittlerweile die Rückmeldungen von ihren Kandidatinnen und Kandidaten ernst und reiten auf der Digitalisierungswelle. Darauf basierend wurde erfreulicherweise gerade in den letzten Monaten nachjustiert – vom Begrüßungsbildschirm im virtuellen Warteraum bis hin zum Prozess des virtuellen Onboardings. Das zeigt, dass die Unternehmen in der aktuellen Situation durchaus bereit sind, neue Prozesse einzuführen, manchmal auch ein Risiko eingehen und es einfach mal versuchen.
Social Distancing im Zuge von Corona zwingt Personalabteilungen zum Umdenken und dazu, digitale Wege der Kommunikation einzuschlagen. Kann die Bewerbung per Video oder Sprachnachricht in diesem Zuge auch Teile des Vorstellungsgesprächs vor Ort ersetzen?
Aus meinen eigenen Recruitingerfahrungen kann ich sagen: Klar, es kann einen Teil ersetzen, aber auch nur einen kleinen. So kann ein erstes Telefongespräch durch digitale Bewerbungsformen sehr gut ersetzt werden, weil Telefongespräche, die vorab durchgeführt werden, in der Regel wirklich nur dem Cultural-Fit-Check dienen. Hat die- oder derjenige überhaupt verstanden, worauf sie oder er sich bewirbt? Habe ich das Gefühl, dass die- oder derjenige verstanden hat, wie wir im Unternehmen ticken?
Ich würde also sagen, dass neue digitale Bewerbungswege durchaus einen kleinen Teil im Bewerbungsprozess ersetzen können, aber ein Video oder eine Sprachbewerbung – egal, wie sie gestaltet sind –können kein komplettes Bewerbungsgespräch ersetzen.
In unserem Jobufo Recruiting Assistant erlauben wir unter anderem eine dreißig- bis sechzigsekündige Vorstellung der Kandidatinnen und Kandidaten mithilfe einer Sprach- oder Videoaufnahme. Andere Anbieter haben auch vordefinierte Fragen und lassen Bewerbende darauf antworten. Aber egal, welche Form der Bewerbung genutzt wird: Moderne Bewerbungsformen können kein ganzes, strukturiertes Bewerbungsgespräch ersetzen. Ich finde es sehr wichtig zu sagen, dass es auch nicht Ziel und Zweck der im Umlauf stehenden Tools ist, die menschliche Interaktion vollends durch Technik zu ersetzen. Stattdessen sollen die menschlichen Interaktionen bewusster werden. Die Tools sollen für etwas genutzt werden, in dem Menschen besonders gut sind – Interaktion und Dialog.
Eine Bewerbung bleibt somit eine Bewerbung, auch wenn sie digital geschieht – auf welche Weise auch immer. Aber sie ersetzt keine solide Personalauswahl und sollte auch nicht als alleinstehendes Einstellungskriterium herangezogen werden.
Wie sieht die perfekte Videobewerbung aus?
Die gute Nachricht ist, dass eine Videobewerbung überhaupt nicht perfekt sein muss. Für eine gute Bewerbung per Video wird keine Schauspielkunst und kein perfekt aufgebauter Studiohintergrund benötigt. In einer guten Bewerbung wird immer ein Stück Persönlichkeit mittransportiert und dazu gehört eben, dass nicht stundenlang Text auswendig gelernt wird, aber auch kein reines Ablesen von Text erfolgt. Stattdessen ist das Ziel, sich auf eigene Art zu präsentieren. Das ist manchmal leiser, manchmal lauter, manchmal bunter und manchmal auch konservativer. Wie sich vorgestellt wird, kommt zum einen auf die Stelle und den Arbeitgeber, aber zum anderen auch ganz klar auf die Persönlichkeit der Kandidatin oder des Kandidaten an. Authentizität ist somit King für eine gute Videobewerbung.
Stellt die Bewerbung per Video einen Wettbewerbsvorteil gegenüber anderen Bewerbenden dar?
Natürlich wird über ein Video mehr vermittelt als über ein Anschreiben. Das ist klar. Gerade, wenn Personalabteilungen das Tool zum ersten Mal im Einsatz haben, generiert es oft einen “WOW-Effekt”. Personalerinnen und Personaler können einen ersten echten Eindruck der Bewerberinnen und Bewerbern erhalten.
Wenn ich als Recruiterin oder Recruiter den ganzen Tag Bewerbungen sichte, wiederholen sich die Inhalte in Bewerbungsschreiben oft. Da überfliegt man es irgendwann nur noch – falls es überhaupt gelesen wird. Eine wirklich persönliche Note als Bewerber oder Bewerberin zu hinterlassen, ist im schriftlichen Format recht schwer. Da ist natürlich ein Video besser geeignet, um einen ersten persönlichen Eindruck zu hinterlassen. Jedes Video ist individuell und hat ein Überraschungsmoment und dabei ist es egal, ob das Video besonders ausgefallen oder eher minimalistisch gehalten ist. Aber man entdeckt als Personalentscheider oder Pesonalentscheiderin doch immer etwas, womit man bei dem Bewerbenden nicht gerechnet hätte und es entsteht ein Kontext zur ganzen Person. An der Stelle werde ich nicht müde zu sagen: Wichtig ist, dass man dabei nicht in die Bias-Falle tappt – die bei dieser, wie auch bei allen anderen Bewerbungsformen zuschnappen kann. Ein standardisierter Prozess und eine gute Schulung von HR und Fachbereichen sollte immer die Voraussetzung für eine nachhaltige Personalauswahl sein.
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