Dina Brandt positioniert Boomer in Unternehmen und bietet als trotziger Millennial ihre Beratungstätigkeiten für Kundinnen und Kunden an. Wie Millennials ticken, weiß Dina gewiss – schließlich zählt sie selbst zu der Generation Y. Wir haben mit ihr über den Generationskonflikt Boomer vs. Generation Y in Unternehmen gesprochen.
Dina, oftmals werden Millennials im Vergleich zu Boomern als faul im Business-Kontext betitelt, getreu dem Motto: Sie möchten nur Spaß haben. Aber was ist da wirklich dran und was könnten Fehlerquellen in Unternehmen sein, die zur Demotivation von Millennials führen?
Das ist eine gute Frage, mit der ich mich auch immer wieder auseinandersetze. Ich glaube aber, dass es ein Missverständnis ist. Menschen schauen sich an, wie sie arbeiten und schließend anschließend von sich selbst auf andere. Es gibt durchaus Zeiten, in denen auch ich demotiviert bin, aber dann frage ich mich, woran das in diesen Zeiten lag. Ich stelle dann fest, dass ich mich in diesen Zeiten selbst nicht gut gemanagt habe oder von aAußen keine Struktur erhalten habe. Daher würde ich sagen, dass es nicht die Aufgabe eines Chefs ist, dich als Mitarbeiter zu motivieren. Es ist aber sehr wohl die Aufgabe des Chefs, dich nicht zu demotivieren. Führungskräfte sollten generell Struktur und eine Perspektive bieten und ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter auf Augenhöhe dahinführen, wo sie ihr Potenzial ausschöpfen können.
Das Missverständnis liegt somit eher darin, dass auch schon von jungen Menschen eine Selbststrukturierung erwartet wird. So erhalten junge Menschen auch oftmals vermeintlich passende Aufgaben, wie das Management von Social Media. Dann wird aber von diesen erwartet, dass sie aufgrund ihres Alters kompetent auf diesem Gebiet sind, getreu dem Motto: „Dann muss man sie ja nicht mehr an die Hand nehmen.“
Es ist doch so: Man ist mit Anfang 20 wahrscheinlich auf keinem Gebiet kompetent. Das bedeutet, dass man von seiner Führungskraft durchaus erwarten kann, dass diese einen fordert und zugleich fördert. Ganz oft findet das jedoch nicht statt und so fehlt die Perspektive und dann werden die Mitarbeiter eben unmotiviert.
Babyboomer vs. Millennials: Während die Gen Y oftmals als technikaffin, materialistisch und egoistisch charakterisiert wird, werden Boomer als arbeitszentriert, gemeinschaftsorientiert und respektvoll betitelt. Wie können diese Generationen im Team miteinander arbeiten und was machen Unternehmen hier noch falsch?
Ich finde es schwierig, mit Pauschalaussagen zu hantieren. Natürlich ist jemand mit zehn Jahren respektloser als jemand im Alter von 60 Jahren. Wir treffen hier also generelle Aussagen, die natürlich auf die Altersgruppe zutreffen. Schauen wir aber mal darauf, wie sich die Gen Z in 30 bis 40 Jahren entwickelt. Sind sie dann immer noch respektlos? Es ist nicht möglich, Äpfel und Birnen zu vergleichen und das ist was viele Menschen tun.
Die Menschen pauschalisieren, dass Personen für eine gesamte Generation stehen und deshalb die ganze Generation wie diese tickt. Das ist ein Fehler an sich.
Es ist immer notwendig, Dinge im Kontext zu betrachten und zu differenzieren. Wir sind alle Kinder der Zeit, in der wir geboren sind. Es ist daher völlig normal, wenn eine Generation ein anderes Wertesystem oder Verhalten an den Tag legt als andere Generationen.
Solche Pauschalisierungen führen meiner Meinung nach dazu, dass wir Vorurteile aufbauen und dann andere Leute genau danach zu behandeln. Man muss nur mal an die Punkbewegung aus den jüngeren Jahren der älteren Generationen denken. Solche Bewegungen werden vergessen. Nur weil sie jetzt alt sind, werden sie als respektvoll betitelt. Das kann man so pauschal nicht sagen. Und genauso wenig ist unsere gesamte Generation respektlos, nur weil wir jung sind.
Für die Zusammenarbeit von den verschiedenen Generationen im Team müssen Unternehmen zurückgehen und sich fragen, woher diese Vorurteile kommen. Eine anschließende Auseinandersetzung und eine Analyse der Vorurteile ist im Nachgang nötig. Was stimmt und was stimmt nicht? Wenn beispielsweise alle jungen Menschen unter einer Führungskraft demotiviert sind, sollte sich im weiteren Verlauf gefragt werden, woran das liegt. Die Fehler können Führungskräfte auch bei sich selbst suchen. Nur wer sich an die eigene Nase fasst, kann auch institutionell aktiv werden und die Stärkung der Kommunikation im Unternehmen angehen.
Oftmals finden nur Symptombekämpfungen in Unternehmen statt. Es geht aber vielmehr um die Ursachen hinter den Auslösern. Oftmals sind die Menschen nämlich gewillt zusammenzuarbeiten, wissen nur nicht wie und werden dadurch frustriert. Der erste Schritt ist es daher, Verständnis füreinander zu schaffen. Dabei helfen Fragen wie: Warum agierst du so, wie du es tust? Was kann ich tun, damit du mich besser verstehst? Liegt es vielleicht an mir? Es geht also im Kern um die Frage, wie man selbst das Verständnis für sein Gegenüber fördern kann.
Immer mehr Millennials treten in die Arbeitswelt ein, während Boomer die Büros der Welt verlassen. Dennoch sind die Unternehmensstrukturen oftmals noch auf die Bedürfnisse von Boomern ausgerichtet. Was würdest du sagen ist wichtiger: Flache Hierarchien oder klare Grenzen und Strukturen?
Es gibt hier nicht die Antwort auf alles, denn es kommt stark auf das jeweilige Unternehmen und die Leute, die dort arbeiten, an. Ich bin grundsätzlich ein Freund davon, Menschen zu befähigen und ich bin ein Freund davon, Leuten Verantwortung zu übertragen. Denn, nur wer regelmäßig aus der eigenen Komfortzone herauskommt und sich ein Stück weit überfordert sieht, kann wachsen. Auf der anderen Seite gibt es Leute, die nicht wachsen möchten und auch das ist in Ordnung.
Wenn du einen Verwaltungsjob machst, ist es nicht unbedingt notwendig, einen beginnenden Unternehmergeist mitzubringen. Wir müssen uns daher immer fragen, in welchem Kontext wir die Frage nach der richtigen Struktur in einem Unternehmen äußern. Ich denke, dass wir in Zukunft stärker auf Augenhöhe kommunizieren werden in Unternehmen. Flache Hierarchien werden aber auch nicht die Lösung für alles sein.
Ich kann hingehen und sagen, dass ich gerne alle meine Leute befähige und diesen in einem Projekt allen Verantwortungen übertrage. Das ist aber nur möglich, wenn eine gewisse Expertise bereits vorhanden ist. man kann jungen Leuten also Verantwortung übertragen, muss das Projekt als Führungskraft aber dennoch führen. Eine gute Führung zeichnet sich dabei dadurch aus, dass es scheinbar ohne diese Führung läuft. Die pauschalste Antwort, die ich daher auf diese Frage geben könnte, ist: Wir werden verstärkt Hybridmodelle sehen.
Lass uns über Employer Branding sprechen: Was müssen Unternehmen tun, um für Millennials als attraktiv zu gelten?
Ich bin kein Freund davon, die Frage zu stellen, was Unternehmen tun können. Die Frage ist, was Menschen in Unternehmen tun können. Wir können kein Unternehmen ansprechen und auch nicht aus einem Unternehmen sprechen. Wir sprechen stattdessen immer von Mensch zu Mensch. Die Frage sollte also lauten: Was braucht unser Gegenüber? darauf ergeben sich drei große Fragen, die sich ein Unternehmen stellen muss:
- Was möchte ich ansprechen?
- Wie komme ich so tief wie es geht, in den Kopf meines Gegenübers?
- Was kann ich meinem Gegenüber geben?
Es ist daher nicht immer sinnvoll, die Benefits im Unternehmen direkt in den Vordergrund zu stellen. Wenn der Gegenüber daran nicht interessiert ist, hat man diesen verfehlt. Wir fangen daher wie in einer klassischen Marketingstrategie an zu fragen, wen wir ansprechen.
In dem Moment, in dem man versteht, dass man nicht mit Millennials spricht, sondern mit einzelnen Menschen, kann auf die einzelnen Menschen eingegangen werden. Auch hier sollten passende Fragen gestellt werden:
- Was brauchst du?
- Sind die erwähnten Benefits gut für dich oder welche Benefits erwartest du?
- Brauchst du Führung, Management oder Führung – Was wünschst du dir?
Personen, die für das Employer Branding zuständig sind, müssen diese Informationen mitnehmen und aus den gewonnenen Insights dann eine starke Kommunikation bilden, die für beide Seiten passend ist.
Würdest du sagen, dass die Marke der Zukunft online stattfindet? Wie wichtig sind in diesem Zuge der Unternehmensauftritt und die Präsenz von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern in Business-Netzwerken wie LinkedIn?
Auch hier gibt es keine Pauschalantwort, denn tausende Wege führen nach Rom. Unternehmen sollten sich daher nicht auf eine reine Kommunikation auf LinkedIn versteifen. Es gibt schließlich durchaus noch eine Offline-Kommunikation und somit ist auch die Kommunikation im Unternehmen wichtig.
Unternehmen können somit nichts darstellen, was nicht vorhanden ist. Die Kommunikation sollte auch hier auf Individualebene stattfinden. Leute im Unternehmen und insbesondere Führungskräfte sollten sich daher fragen, warum sie hier sind und ihren Purpose hinterfragen. Wenn das herausgearbeitet wird, können anschließend online und/oder offline Strategien herausgearbeitet werden.
Führungskräfte stehen daher vor der Aufgabe herauszufinden, welche Art der Kommunikation für die eigenen Mitarbeiter geeignet ist. Im Handwerk ist es sinnvoller den Mitarbeitern morgens einen Kaffee aufzusetzen. Wenn man aber in einer Werbeagentur sitzt, bewirkt ein Kaffee nicht dasselbe. Es ist einfach zu pauschal, da es immer die gleichen Dinge sind, die wir schätzen. Am Ende geht es sowohl online als auch offline um die Wertschätzung. Ist die Wertschätzung offline nicht vorhanden, kann diese online auch nicht transportiert werden.
Immer mehr Mitarbeiter in Unternehmen werben aktiv mit Employer-Branding-Inhalten für das eigene Unternehmen – Ein klassisches Beispiel hierfür ist T-Systems. Würdest du sagen, dass Unterschiede zwischen organischen und von Unternehmensseite gewollten Posts auf LinkedIn erkennbar sind?
Ich denke, wir sind in Deutschland mit Employer Branding-Inhalten durch Mitarbeiter noch stark hinterher. Ich hatte das Glück, mich mit dem ein oder anderen von T-Systems auf Clubhouse auszutauschen. Die Menschen waren super offen und auch sehr agil. Es waren Leute, die ein Stück älter waren als ich, die aber eine Haltung mitbrachten, die ich als unglaublich wünschenswert empfand. Ich hätte mir sehr gewünscht, unter solchen Leuten in der Vergangenheit zu arbeiten. Ich finde das toll und sehe es gerne und ich glaube, dass sie genauso auch offline agieren.
Die Frage ist, inwieweit von jedem Mitarbeiter erwartet werden kann, dass dieser online sichtbar ist. Manche Leute möchten das nicht und werden auch zu keiner Medienpräsenz beitragen, wenn sie einmal die Woche einen Post teilen, den 20 Leute sehen. Wenn sich also als Employer Brand aufgestellt werden möchte, muss sich die Frage gestellt werden, wer angesprochen werden soll, wer dafür geeignet ist und wie die Ansprache dann erfolgt.
Eine strategische Herangehensweise ist daher sinnvoll. Wenn Mitarbeiter aber nicht posten möchten, kann dies persönlich sein oder der Arbeitgeber macht etwas falsch. In 2021 benötigt man kein Marketing Department mehr. Stattdessen kann jeder Mitarbeitende zum Teilhaber werden, der die Inhalte des Unternehmens nach außen trägt. Soweit sind wir jedoch noch nicht im Denken. Stattdessen sollten die Leute erst mal ihren Job machen und interne Strukturen müssen aufgelockert, aber nicht gelöst werden.
Nachhaltigkeit, Cancel-Culture und Digitalität: Hierfür stehen Millennials. Inwiefern kannst du bereits positive Veränderungen bei Unternehmen in Hinblick auf die Ansprüche der Generation sehen?
Die Frage ist zunächst: Was ist nachhaltig? Für den einen heißt Nachhaltigkeit, einen wiederverwendbaren Kaffeebecher mit auf die Arbeit zu nehmen, für den anderen bedeutet Nachhaltigkeit, die eigenen Talente im Unternehmen langfristig zu fördern. Wir sollten uns daher als Unternehmen fragen, mit welchem Ziel wir das alles machen. Es ist möglich zu kontrollieren, ob Leute etwas machen, aber die Frage ist vielmehr, ob es den Menschen taugt. Das Erste, was wir machen sollten, ist daher die Frage zu stellen, was die Leute brauchen, um zu wachsen. Statt einer Kuschelgruppe sollten wir den Kontakt auf Augenhöhe gewährleisten, um die Menschen zu befähigen.
Eine Führungskompetenz sollte somit in dem Sinne entwickelt werden, dass herausgefunden wird, was der Einzelne braucht. Im gleichen Zuge sollten Führungskräfte, aber auch das Warum hinter einem nachhaltigen Handel hinterfragen und den Begriff Nachhaltigkeit für sich definieren.
Welchen EINEN Tipp würdest du Unternehmen geben, um attraktiver auf Millennials zu wirken?
Ich würde zunächst 15 Schritte zurückgehen und die Frage stellen, was ich jemanden als Mensch raten würde. Diesem würde ich raten, dass mehr Verständnis für sich selbst aufgebracht und die eigenen Handlungen nicht zu stark selbst bewertet werden. Es ist aber gleichzeitig notwendig, sich selbst gegenüber kritisch zu sein. Wer Verständnis für sich selbst aufbringt, hat auch ein Verständnis für die Leute um sich herum. Man sollte sich zugleich aber nicht alles durchgehen lassen und stattdessen bei sich selbst anfangen.
Einem Personaler würde ich konkret den Tipp geben, mehr Fragen zu stellen, insbesondere der Frage „Was brauchst du?“.
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