Der Arbeitsmarkt wandelt sich zu einem Bewerbermarkt. Was bedeutet das und wie sollten Personaler darauf reagieren?
Noch bis vor einigen Jahren saßen Unternehmen hinsichtlich der Personalbeschaffung am längeren Hebel – denn sie konnten sich aus einer Fülle von guten Bewerbern die besten Kandidaten herauspicken. Mittlerweile sehen sich Unternehmen mit einer anderen Ausgangssituation konfrontiert. Auf dem Arbeitsmarkt finden sich immer weniger qualifizierte Fachkräfte, mit denen sich offene Stellen in verschiedenen Bereichen – insbesondere im Finanz- und IT-Sektor – besetzen lassen. Inzwischen ist sogar schon die Rede davon, dass sich der Arbeitsmarkt zu einem Bewerbermarkt entwickelt hat. Während Unternehmen bislang passiv auf dem Arbeitsmarkt aufgetreten sind, müssen sie nun aktiv um Arbeitskräfte werben. Doch viele sind damit noch überfordert und haben sich noch nicht an die neue Situation angepasst. Im Folgenden erfahren Sie von uns, was derzeit auf dem Arbeitsmarkt geschieht und wie Sie als Unternehmen am besten darauf reagieren sollten.
Was ist ein Bewerbermarkt?
Es handelt sich dabei um einen neuen Fachausdruck für den Arbeitsmarkt. Dieser versucht das Problem zu beschreiben, dass es für Unternehmen immer schwieriger wird, qualifizierte Fachkräfte zu finden. Auf dem Markt kommt es zu einer Machtverschiebung von den Unternehmen hin zu den Arbeitskräften. Dafür gibt es verschiedene Gründe. Eine wesentliche Ursache ist der demographische Wandel in Deutschland. Nach dem Geburtenboom im Jahr 1964 ist die Geburtenrate stark gesunken und pendelte sich nach der Wiedervereinigung bei einem niedrigen Wert von unter 1,5 Kindern pro Frau ein. Deutschland steht damit verbunden vor dem Problem einer sinkenden Gesamtbevölkerung. Viele Menschen der geburtenreichen Jahrgänge erreichen in den kommenden Jahren das Rentenalter und werden den Arbeitsmarkt verlassen. Allerdings wird es immer schwerer werden, geeignete Nachfolger für diese Arbeitsstellen zu finden. Ursachen gibt es aber auch bei den Fachkräften selbst. Viele von diesen befinden sich in einer festen Anstellung und sind nicht bereit, den Arbeitgeber erneut zu wechseln. Auch immer weniger Menschen sind gewillt, neue Herausforderungen einzugehen oder den Wohnort zu Gunsten der Arbeitsstelle zu wechseln.
Wieso gibt es keinen Arbeitsmarkt mehr?
Auch anhand der Zahlen kann man erkennen, welche Veränderungen sich auf dem Arbeitsmarkt vollziehen. So betrug die Arbeitslosenquote in Deutschland im Jahr 2005 noch 11,7%. Bis 2015 sank diese nahezu kontinuierlich auf 6,4%. Gleichzeitig stieg in Deutschland die Erwerbstätigenquote. Dabei ist auch zu verzeichnen, dass immer mehr Frauen erwerbstätig werden: So lag die Erwerbstätigenquote für Frauen bis 2015 noch unter 60%, bis 2014 ist sie jedoch schon auf fast 70% gestiegen. Insgesamt ist dies gut für Deutschland, aber für Unternehmen wird es immer schwerer, neue Stellen zu besetzen. Manche Branchen sind zudem mehr betroffen als andere. Neben der Finanz- und IT-Branche werden auch zahlreiche Fachkräfte im Pflegebereich und der verarbeitenden Industrie nachgefragt.
Vorteil für die Arbeitnehmer
Arbeitssuchende können sich über diese Entwicklung nur freuen, denn Unternehmen müssen sich im Personalbeschaffungsprozess nun mehr engagieren und aktiv um ihre Arbeitskräfte werben. Auch Arbeitnehmer können von dieser neuen Situation profitieren, denn Arbeitgeber werden nun mehr Überlegung in die Frage stecken, wie sie ihre Angestellten langfristig binden können – damit diese nicht doch noch zur Konkurrenz abwandern. Insgesamt sind Unternehmen nun auch viel eher dazu bereit, den Anforderungen der Arbeitnehmer entgegenzukommen. Gerade wenn es um die Personen der Generation Y geht, die zwar hart arbeiten, dabei aber auch auf die Work-Life-Balance achten möchten, versuchen Unternehmen diese mit flexiblen Arbeitszeiten oder sogar einem Home-Office zu locken.
Wie sollten Unternehmen darauf reagieren?
Unternehmen sind diesem Szenario nicht machtlos ausgesetzt: Wichtig in dieser Phase des Wandels ist es, eine aktive Haltung auf dem Arbeitsmarkt einzunehmen und gegenüber den Fachkräften Initiative zu zeigen. Der entsprechende Fachbegriff dazu lautet "Active Sourcing". Der Grundgedanke des Konzeptes ist, dass Unternehmen nicht nur eine Stelle ausschreiben und dann auf die Bewerber warten sollten. Viel eher sollten sie über verschiedene Wege in direkten Kontakt mit potentiellen Arbeitskräften treten – beispielsweise altmodisch auf einer Jobmesse oder über die neuen sozialen Medien. Wichtig ist in diesem Sinne auch das noch recht junge Konzept des Employer Brandings. Demnach sollten sich Unternehmen den potentiellen Arbeitskräften als attraktiver Arbeitgeber präsentieren. Unternehmen müssen in diesem Zusammenhang überlegen, welche Werte für Arbeitnehmer wichtig sind. Diese Werte müssen dann in die Unternehmenskultur implementiert und nach außen durch konkrete Maßnahmen des Personalmarketings vermittelt werden. Bei all diesen Schritten ist es wichtig, den Arbeitnehmer in den Mittelpunkt zu stellen und diesen nicht nur als Ressource, sondern als Persönlichkeit zu betrachten.
Wie sehen die Prognosen aus?
Es ist zu erwarten, dass diese Entwicklung in den nächsten Jahren nicht abflachen wird – sie wird sich sogar noch intensivieren. Hauptgrund dafür sind die vielen Arbeitskräfte der Generation des Babybooms 1964, die in den nächsten Jahren den Arbeitsmarkt verlassen werden. Unternehmen sollten sich folglich frühzeitig um neue Initiativen und Konzepte bemühen.
Fazit
Die demografische Entwicklung in Deutschland und die sich verändernden Bedürfnisse der Gesellschaft haben den deutschen Arbeitsmarkt zu einem Bewerbermarkt gemacht. Unternehmen, die weiterhin in einer passiven Haltung auf diesem Markt verharren, werden es bald sehr schwer haben, qualifizierte Fachkräfte für ihre offenen Stellen zu gewinnen. Um dies zu vermeiden, ist ein umfassender Wertewandel in Unternehmen notwendig. Diese müssen sich als reizvoller Arbeitgeber gegenüber potentiellen Arbeitskräften präsentieren. Zudem müssen sie durch die verschiedene Methoden und Kanäle des Personalmarketings direkt mit Arbeitnehmern in Kontakt treten. Nur bei einem aktiven Vorgehen im Personalbeschaffungsprozess bestehen gute Chancen, dass Unternehmen auch in Zukunft noch ihre Stellen mit qualifizierten Fachkräften besetzen können.