Der eingeklammerte Zusatz m/w/d ziert mittlerweile fast alle Stellentitel. Spätestens wenn der „Jetzt bewerben“-Button dann zu einem Eingabeformular weiterleitet, muss man sich jedoch für die Anrede als Frau oder Mann entscheiden. Das ist nur ein Beispiel dafür, dass die gesetzliche Einführung des dritten Geschlechts und die Diversity unserer Gesellschaft im Arbeitgeberkontext nicht konsequent umgesetzt wird.
Neulich stand ich in regem E-Mail-Austausch mit der Ansprechpartnerin eines Unternehmens, das in der (Achtung Klischee!) männerdominierten IT-Branche tätig ist. Als Content Managerin übernehme ich die textliche Gestaltung von Stellenanzeigen und Website. Die Idee der Ansprechpartnerin: Wir gendern mit Fußnote. Bedeutet also, wir verwenden in den Texten das generische Maskulinum (Mitarbeiter, Kollege), setzen auf jeder Seite aber eine Fußnote, die darauf verweist, dass sich doch bitte alle Geschlechter angesprochen fühlen sollen. Das Unternehmen hat sich übrigens zum Ziel gesetzt, vermehrt Frauen zu rekrutieren. Klingt nach einer erfolgsversprechenden Strategie. Ironie off.
Anderes Beispiel: Meine Kollegin und ich führen mit dem HR-Team eines anderen Unternehmens einen EVP-Workshop durch. Schlussendlich entsteht die EVP in diesem Termin, gemeinsames Formulieren, ich tippe am Laptop mit, das mit einem Beamer verbunden ist. Wie selbstverständlich verwende ich das Wort „Mitarbeitende“, was anschließend eine kleine Diskussion lostritt. „Mitarbeitende ist ein Kunstwort“, „Am schlimmsten sei dieses (m/w/d), das man nun an Stellenanzeigen packen müsste“. Gute Miene zu bösem Spiel. Entsetzen hinter der Fassade. Seriously? Ihr kommt aus der Medienbranche, die die sogenannte „Genderdebatte“ aktiv vorangetrieben hat, wieso bereiten euch solche Wörter Kopfschmerzen?
Hallo Gegenwart, hallo Pluralität
Willkommen in 2020, im Hier und Jetzt. Unsere Realität ist nicht mehr schwarz oder weiß, genauso wenig ist unsere Geschlechteridentität binär. Das ist mittlerweile sogar gesetzlich so geregelt. Seit Januar 2019 können Personen ihren Geschlechtseintrag zu „divers“ ändern. Das AGG (Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz) soll (unter anderem) für eine Gleichbehandlung aller Geschlechter im Kontext von Erwerbstätigkeit sorgen. Genau diese Gleichbehandlung sollten wir endlich leben. Sie fängt meiner Meinung nach schon bei unserer Sprache an. Und hört nicht mit einem (m/w/d) hinter dem Stellentitel auf.
Gendern hat nichts mit „Sprachpolizei“ zu tun. Gendern bedeutet nur, sensibel für alle Geschlechtsidentitäten und damit geschlechtergerecht zu sein. In Unternehmen arbeiten Mitarbeitende, Kolleg*innen und Fachbereichsleiter_innen. Solche Formulierungen benachteiligen niemanden, machen aber die Vielfalt in unserer Gesellschaft ein Stück weit sichtbarer. Und sie senden eine Botschaft.
Diversity als Chance
Eine Person, die sich weder dem weiblichen, noch dem männlichen Geschlecht zugehörig fühlt, wird sich kaum in einem Unternehmen bewerben, das jeglichen Text im generischen Maskulinum verfasst hat. Dabei spreche ich hier nur von Geschlechtergerechtigkeit – Diversity umfasst weit mehr als das. Klar, Kommunikation, die alle Geschlechter, Nationalitäten, Religionen, sexuelle Identitäten und Vorlieben anspricht, ist nicht immer einfach umzusetzen. Angegangen sollte das Thema aber trotzdem.
Unsere Gesellschaft wird diverser, bunter und heterogener werden. Sprechen Unternehmen nur Männer an, werden sie von zahlreichen jungen Talenten als „alt und weiß“ wahrgenommen und unter Umständen gemieden. Erst recht, wenn sich diese Talente modernere, offenere und agilere Arbeitgeber aussuchen können. Eine Übersicht über die LGTB+-freundlichsten DAX-Unternehmen findet sich bei UHLALA. Inspirationen und Ideen zur gendergerechten Sprache bieten geschicktgendern.de oder genderleicht.de.