Das Entgelttransparenzgesetz soll den gleichen Lohn für die gleiche Arbeit sicherstellen. Was eigentlich selbstverständlich sein sollte, gilt jedoch häufig nicht für die Bezahlung von Männern und Frauen. Kritiker hinterfragen jedoch: Hält das Gesetz wirklich, was es verspricht?
Im vergangenen Jahr passierte das Entgelttransparenzgesetz die Hürde des Bundesrats und wurde von ihm abgesegnet. Es verpflichtet Arbeitgeber, offenzulegen, welchen Lohn sie für vergleichbare Arbeitsleistungen zahlen. 14 Millionen Arbeitnehmer sollen von dem Plus an Transparenz profitieren. Die Idee dahinter: Erhalten Arbeitnehmer mehr Einsicht in das Gehaltsgefüge ihres Unternehmens, reduzieren sich bestehende Lohn-Ungerechtigkeiten. Bitte beachten Sie: Das ist keine Rechtsberatung, sondern nur ein Informationsüberblick.
Gender Pay Gap: Lohnlücke zwischen Männern und Frauen
Der Vorstoß kommt nicht von ungefähr. Denn obwohl sie die gleiche Arbeit verrichten, erhalten Frauen in Deutschland oft einen geringeren Lohn als ihre männlichen Kollegen. Diese Lücke wird als Gender Pay Gap bezeichnet. Dieser liegt offiziell bei 21 Prozent. Doch es gibt auch einen "bereinigten" Wert von sechs Prozent. Beide stammen aus der Feder des statistischen Bundesamts. Wie kommen sie zustande?
Der nicht bereinigte Wert lässt verschiedene strukturelle Faktoren unberücksichtigt, die zu Verdienstunterschieden zwischen Männern und Frauen führen können. Das betrifft:
- Die Arbeitszeiten
- Den Bildungsstand
- Die Berufserfahrung
- Den geringeren Anteil von Frauen in Führungspositionen
Der bereinigte Wert vergleicht dagegen genauer: Wie hoch ist das Einkommen von Männern und Frauen mit gleichen Stundenanteil, gleicher Bildung und Expertise und auf gleicher Hierarchiestufe? Dieser Index ist komplizierter zu berechnen. Daher wird er nur alle vier Jahre erhoben. Zuletzt 2014. Damals lag er bei sechs Prozent.
Lohnlücke von 21 oder 6 Prozent?
Doch ganz gleich, ob die Lohnlücke 21 oder 6 Prozent beträgt – schon ein Prozent wäre zu viel. Das befand jedenfalls im Jahr 2017 die damals amtierende Bundesfrauenministerin Manuela Schwesig (SPD), die entgegen aller Widerstände das „Gesetz zur Förderung der Transparenz von Entgeltstrukturen“ durchboxte. „Die Transparenz von Gehalts- und Entgeltsystemen schafft mehr Lohngerechtigkeit zwischen Frauen und Männern“, verhieß Schwesig seinerzeit.
Damit ging sie für deutsche Verhältnisse einen radikalen Schritt. Denn über das persönliche Gehalt wurde in Deutschland bis dahin – anders als etwa in den USA – nicht gesprochen. Oft verpflichten Arbeitsverträge die Mitarbeiter sogar zu absoluter Verschwiegenheit. Mit dem Ziel, dass bestehende Differenzen zwischen Mitarbeitern nicht ans Licht kommen.
Das Entgelttransparenzgesetz im Überblick
Doch was hat sich mit der Einführung des Entgelttransparenzgesetzes nun konkret geändert? Es sieht vor allem zwei wesentliche Punkte vor:
- Arbeitgeber mit mehr als 200 Angestellten sind verpflichtet, ihren Arbeitnehmern auf Wunsch zu erklären, welche Kriterien sie bei der Bezahlung ihrer Kollegen zugrunde legen.
- Arbeitgeber mit mehr als 500 Angestellten sind lageberichtspflichtig. Das heißt, sie müssen gegenüber ihren Mitarbeitern von sich aus über den Stand der Entgeltgleichheit berichten.
Entgelttransparenzgesetz: Beispiel aus der Praxis
Hat also die Leiterin eines Fachbereichs, die in einem Betrieb mit mehr als 200 Mitarbeitern arbeitet, Sorge, sie könnte schlechter bezahlt werden als ihre männlichen Kollegen auf der gleichen Hierarchieebene, wendet sie sich mit ihrem Auskunftsanspruch an den Betriebsrat. Dieser geht der Vermutung nach. Bestätigt sich der Verdacht, kann die Antragstellering das Gespräch mit ihrem Arbeitgeber suchen.
Auch wenn das Entgelttransparenzgesetz schon eine ganze Weile gilt, wirft es für manchen Arbeitgeber nach wie vor Fragen auf. Diese zum Beispiel:
- Gilt der Auskunftsanspruch für alle Positionen?
- Was passiert, wenn Mitarbeiter mit ihrem Lohn nicht zufrieden sind?
- Wie oft darf ein Mitarbeiter Auskunft verlangen?
Häufig gestellte Fragen zum Entgelttransparenzgesetz
Der folgende Überblick zeigt, was Arbeitgeber in punkto Entgelttransparenzgesetz beachten müssen:
- Grundsätzlich haben nur Arbeitnehmer, Auszubildende und Beamte einen Auskunftsanspruch. Gesellschafter, CEO‘s oder Vorstandmitglieder sind davon ausgeschlossen.
- Arbeitgeber dürfen keine Vergleichswerte nennen, wenn die entsprechende Tätigkeit von weniger als sechs Personen im Betrieb ausgeübt wird.
- Die Übersicht über das Vergleichsentgelt umfasst alle Zahlungen und Sachleistungen an einen Mitarbeiter. Auch Boni und Dienstwagen sind Bestandteile des Gehalts. Ebenso muss die Höhe von Überstundenzuschlägen genannt werden.
- Der Arbeitgeber muss begründen, ob die Tätigkeiten des anfragenden Mitarbeiters und eines Kollegen vergleichbar sind oder nicht.
- Besteht eine Entgelt-Ungleichheit haben Mitarbeiter die Möglichkeit, Klage einzureichen.
- Jeder Mitarbeiter darf nur alle zwei Jahre Auskünfte über das Einkommen seiner Kollegen einholen.
Kritik am Entgelttransparenzgesetz
Auch, wenn der Grundgedanke des Entgelttransparenzgesetzes sicher gut gemeint ist, gibt es doch viel Kritik daran. Die Gesetzesvorlage gilt zwar für alle Unternehmen gleichermaßen. Doch besonders mittelständische Betriebe fürchten den hohen Bürokratieaufwand, den jede Auskunftsanfrage mit sich bringt. Die Bearbeitung nimmt viel Zeit in Anspruch, so dass an anderer Stelle unweigerlich Arbeit liegen bleibt. Das kann sich in wirtschaftlicher Hinsicht nachteilig für Unternehmen auswirken.
Größere Arbeitgeber verfügen zwar über mehr Manpower, um Auskunftsanfragen abzuarbeiten. Allerdings hat ihnen der Gesetzgeber auch mehr Arbeit aufgebrummt. Wer mehr als 500 Mitarbeiter beschäftigt, muss ein betriebliches Prüfverfahren einführen. Sowohl der Betriebsrat als auch die Arbeitnehmer sind regelmäßig über das Ergebnis des Prüfverfahrens zu informieren.
Entgelttransparenzgesetz: Ein Bürokratiemonster
Außerdem müssen umsatzstarke Betriebe eine Erklärung über ihre internen Vorstöße zur Gleichstellung von Männern und Frauen in ihren handelsrechtlichen Lagebericht aufnehmen. All das verschlingt nach Meinung vieler Gesetzesgegner viel zu viele Ressourcen.
Ein weiterer Kritikpunkt: Das Gesetz lässt Spielraum für Interpretationen offen, weil es an vielen Stellen nicht präzise formuliert wurde. So kann es leicht zu unterschiedlichen Ansichten zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer kommen, wie es ausgelegt werden soll. So sind Konflikte Programm.
Mehr Transparenz? Kritiker verneinen!
Viele Kritiker glauben außerdem nicht, dass das Gesetz tatsächlich zu mehr Transparenz und Lohngerechtigkeit in Betrieben beiträgt. Sie gehen davon aus, dass sich Arbeitnehmer scheuen, ihren Auskunftsanspruch wahrzunehmen, und dass das Gesetz aufgrund seiner vielen schwammigen Formulierungen Arbeitgebern zu viele Schlupflöcher bietet.
Eine Umfrage von Compensation Partner und Gehalt.de scheint das zu bestätigen. Zufrieden mit den eingeholten Auskünften zum betrieblichen Gehaltsspiegel sind bislang mit gerade einmal 14 Prozent nur wenige. Sie bemängelten die zu geringe Aussagekraft des Vergleichs 39 Prozent der Arbeitnehmer und 88 Prozent der Arbeitgeber bezweifeln ohnehin, dass durch das Gesetz Diskriminierung hinsichtlich des Gehalts verringert wird. Ihr Argument: Ein Gesetz könne nicht ausgleichen, was eigentlich nur ein gesellschaftlicher Denkwandel richten würde.