Stand 2021 fehlen in Deutschland rund 65.000 Fachkräfte im Handwerk. Die anhaltende Corona-Pandemie hat die Nachfrage nach Handwerkerinnen und Handwerkern gesteigert und die Kluft zwischen Bedarf und vorhandenen Arbeitskräften größer werden lassen.
Systemrelevanz und Krisenfestigkeit zeichnen jedoch den Handwerksbereich als ein zukunftssicheres Arbeitsumfeld aus. Woran liegt es, dass sich immer weniger Jugendliche für einen Job im Handwerk entscheiden und wie kann das Image der Handwerksberufe aufpoliert werden?
Fachkräftemangel im Handwerk: Wo liegen die Ursachen?
Durch den demografischen Wandel fehlen Fachkräfte im Handwerk. Gleichzeitig fehlt der Nachwuchs, da sich immer mehr junge Menschen für hoch qualifizierende Bildungsgänge entscheiden: Das Studium wird der Ausbildung häufig vorgezogen.
Zugleich hat das Handwerk ein Imageproblem. Entscheiden sich Schülerinnen und Schüler für einen Ausbildungsweg, sind Eltern sowie Lehrerinnen und Lehrer ihre ersten Ansprechpersonen. Ihnen ist noch die Handwerkskonjunktur der frühen 1995er bekannt, welche bis in 2005 hineinragte. Massiver Personalabbau prägte diese Zeit und führt bis heute dazu, dass der Handwerksberuf an Attraktivität verloren hat. Gleichzeitig gelten die Berufe als eingestaubt.
Das klassische Handwerksbild stimmt jedoch nicht mit der Realität überein. Technischer Fortschritt, Entwicklungen und neue Führungsstile modernisieren das Handwerk.
Personalmarketing anders denken: So können Fachkräfte gewonnen werden
Handwerksberufe sind vielseitig: Friseurberufe zählen ebenso zur Handwerksbranche wie Fachkräfte im Bereich Sanitär-, Heizungs- und Klimatechnik, Tischlerinnen und Tischler oder Maurerinnen und Maurer. Besonders starke Defizite in der Personalbesetzung gibt es bei den Gesellinnen und Gesellen.
Um das Handwerk wieder attraktiver zu gestalten, müssen die Vorteile der Ausbildungsberufe klar an Schülerinnen und Schüler zu kommuniziert werden. Zunächst gelingt das über den Bildungsweg. Aufklärung für Eltern und potenzielle Fachkräfte der Zukunft kann durch eine verbesserte Berufsorientierung erfolgen. Der Besuch von Jobmessen, Berufsorientierungstage in der Schule und die Gegenüberstellung von verschiedenen Ausbildungs- und Studienrichtungen sind ebenfalls förderlich. Die Kommunikation sollte jedoch vor allem dort stattfinden, wo junge Menschen sind: im Internet.
Handwerksbetriebe sind häufig klein, Personalabteilungen sind nicht immer vorhanden und einen Online-Auftritt gibt es meist nicht. Um Talente von morgen zu gewinnen, bedarf es jedoch eines attraktiven Internetauftritts. Eine Karrierewebsite zählt genauso dazu wie beispielsweise das Inserieren von Stellen auf Jobbörsen und Werbeanzeigen auf Social Media.
Weitere Personalmarketingmaßnahmen können sein:
- Schulsponsorings
- Fachvorträge in Schulen
- Tag der offenen Tür
- Schülerinnen und Schüler zum Girls-/Boys-Day in das Unternehmen und den Beruf schnuppern lassen
- Azubis teilen ihre Erfahrungen in Schulen
- Angebot von AGs oder außerschulischen Aktivitäten im Handwerk
Zuletzt sollten die Anreize stimmen, um Schülerinnen und Schüler für eine Ausbildung im Handwerk zu begeistern. Studierende erhalten eine Vielzahl von Vorteilen durch Semestertickets, günstige Studienwohnheime, Rabatte und Sonderleistungen. Fahrtkostenzuschläge, eine kostenlose Fitnessstudiomitgliedschaft oder ein Extra-Urlaubstag im Jahr können Anreize bieten. Zeitgleich sollten Weiterentwicklungsmöglichkeiten im Handwerk aufgezeigt werden: Der Karriereweg kann durch Weiterbildungen, Meisterprüfungen oder einem fachspezifischen Studiengang weiter ausgebaut werden.
Handwerksberufe mit Zukunft: Diese Jobbilder sind besonders gefragt
Nach Ausbildungsabschlüssen zu urteilen, sind die Ausbildungen in den Bereichen Kraftfahrzeugmechatronik, Elektronik, Anlagenmechanik und Friseurwesen besonders beliebt. Werden aktuelle Entwicklungen betrachtet, kann jedoch ein Handwerksberuf eine besondere Systemrelevanz für die Zukunft darstellen. Unter Betrachtung des Purpose – also dem Phänomen, dass Arbeitskräfte in ihrer Arbeit einen Sinn finden möchten – ist eine Ausbildung in der Energietechnik spannend. In Zeiten des Klimawandels kann so die Infrastruktur der Zukunft mitgestaltet werden.
Apropos Infrastruktur: Das Handwerk ist auch digital vertreten. Mit dem Handwerk 4.0 gehen neue Infrastrukturen einher, die zum Beispiel für die Umsetzung von Smart-Home-Lösungen benötigt werden. Technische Fortschritte schaffen nicht nur neue Arbeitsumfelder für das Handwerk, sondern auch Synergieeffekte mit anderen Branchen und Dienstleistenden.
Der Handwerksberuf ist systemrelevant, krisensicher und kann durch den Erwerb verschiedenster Qualifikationen auch auf einem hohen Level erfolgen. Teilhabe an der Digitalisierung, ein gutes Netzwerk zu Schulen und attraktive Arbeitsbedingungen helfen beim Kampf um Fachkräfte.