An kaum einem anderen Ort ist die Navigation so zielführend wie an einem Bahnhof: Breite Bahnsteige, mehrsprachige Durchsagen, klare Beschilderungen und Leitstreifen am Boden führen Menschen unabhängig von ihren physischen Fähigkeiten sicher ans Ziel.
Genau wie ein Bahnhof über Leitstreifen verfügt, müssen Unternehmen heute sicherstellen, dass ihre digitalen Touchpoints für alle potenziellen Talente zugänglich sind – und das über die gesamte Candidate Journey hinweg.
Aber wie wird die Candidate Journey wirklich barrierearm?
Was ist Barrierearmut? Eine Definition
Der Begriff Barrierearmut richtet sich nach dem Streben, Barrieren innerhalb der Gesellschaft abzubauen. Oder anders ausgedrückt: Kulturelle und gesellschaftliche Teilhabe sind immer nur dann barrierefrei gegeben, wenn alle Menschen unabhängig von ihren physischen oder geistigen Fähigkeiten diese Angebote auch nutzen können.
Warum das wichtig ist? Zahlen zur deutschen Gesellschaft machen es deutlich:
- Rund 47.000 Personen sind hochgradig sehbehindert
- Rund 41.260 Menschen sind blind
- Rund 5 Prozent unserer Bevölkerung sind farbenblind
- Rund 16 Millionen Menschen sind schwerhörig
- Rund 80.000 Deutsche sind gehörlos
Zum Status quo der Inklusion in Deutschland hat die Aktion Mensch 2022 das Inklusionsbarometer Arbeit veröffentlicht.
Auf der Suche nach neuen Talenten für das eigene Unternehmen ist Inklusion schon lange ein Thema. Häufig wird dabei jedoch verkannt, dass Medien nicht nur sprachlich inklusiv sein müssen. Zu erwähnen, dass behinderte Personen willkommen sind, reicht nicht aus, um diese auch vollständig zu erreichen. Es ist die Aufbereitung von Medieninhalten, beispielsweise auf Webseiten, die Barrieren abbaut. Erste Ansatzpunkte zur Umsetzung liefert das Gesetz.
Das ist die Rechtslage: So barrierefrei müssen Websites sein
Denken Arbeitgeber an die Aufbereitung ihrer Karrierewebseite, sind es häufig gestalterische Elemente, die in Meetings besprochen werden. Seit 2019 gilt zumindest für Webseiten öffentlicher Stellen die BITV 2.0. Die Abkürzung steht für „Barrierefreie-Informationstechnik-Verordnung“ und beschreibt, wie digitale Dienste aussehen müssen, damit diese inklusiv verwendbar sind. Basierend auf den Web Content Accessibility Guidelines (WCAG 2.0) ist es das Rahmenwerk für die Gewährleistung von Barrierefreiheit in der Informationstechnik in Deutschland.
Auch wenn die Bestimmungen bislang nicht für klassische Unternehmen, sondern nur für öffentliche Stellen gelten: Um Inklusion authentisch zu leben, muss auch die Karrierewebsite barrierefrei sein. Pluspunkt: Unternehmen können so auch auf einen größeren Pool an qualifizierten Bewerbenden zugreifen und das einfach nur, weil die Karrierewebsite an Sichtbarkeit gewinnt.
Folgende Anforderungen aus der BITV 2.0 können Sie sofort umsetzen:
- Wahrnehmung für Inhalte erhöhen: Alternativtexte für Bilder, Untertitel für Videos, normale Schriftarten verwenden und keine fett- oder kursivgedruckten Schriftformen
- Nutzerfreundlichkeit erhöhen: bewegliche Inhalte lang genug einblenden, Webseitennavigation klar halten, Erklärungstexte für Webseiten einmal im Jahr aktualisieren
- Klarheit erhöhen: Inhalte auch in Gebärdensprache, Audio oder in einfacher Sprache zur Verfügung stellen
- Responsivität sicherstellen: Inhalte müssen auch über Benutzerschnittstellen oder in verschiedenen Leseprogrammen und Browsern leserlich sein
Wie die Candidate Journey durch Barrierearmut inklusiver wird
Gleichstellung ist dann im Bewerbungsprozess gegeben, wenn alle Bewerbenden die gleichen Chancen besitzen und Zugang zu denselben Informationen haben. Das zieht sich durch die gesamte Candidate Journey – von der Bewerbung bis zum Eintritt ins Unternehmen. Barrierearm muss daher nicht nur die Karrierewebseite sein, sondern gänzliche Prozesse eines Unternehmens. Beispiele hierfür sind Bewerbungsportale, Online-Tests zur Einstufung, Informationsmaterialien sowie das Intranet oder Onboarding-Programm.
Kandidatenerfahrung
Für eine Employer Brand ist der erste Eindruck entscheidend. Und dieser entsteht oftmals online. Technische Hürden schrecken Talente jedoch direkt ab. Um Interesse und Sichtbarkeit für die eigene Marke zu erhalten, müssen die Navigation, aber auch einzelne Bestandteile einer Webseite, wie zum Beispiel Jobausschreibungen, leicht verständlich sein. Dazu zählt sowohl die Möglichkeit, Inhalte über verschiedene Endgeräte zu konsumieren als auch multisensorische Nutzerwelten zu schaffen.
Bewerbererfahrung
Sobald sich Bewerbende für eine Stelle interessieren, verändert sich die Kommunikation. Plattformen wechseln, aber auch der Informationsgehalt. Damit dies barrierefrei gelingt, müssen Interviews und andere Auswahlverfahren auf verschiedene Anforderungen optimiert sein. Nur so fühlt sich jeder ernst genommen, wertgeschätzt und kann die Candidate Journey zu Ende führen.
Mitarbeitererfahrung
Die Candidate Journey ist erst dann abgeschlossen, wenn sich neue Mitarbeitende an das Unternehmen binden und von der Candidate Journey in die Employee Journey wechseln. Das gelingt jedoch nur unter der Voraussetzung, dass die Arbeitsbedingungen für jeden einzelnen Mitarbeitenden barrierefrei sind. Personaler:innen können sich hier folgende Fragen stellen:
- Wie ist der Arbeitsplatz inklusiv gestaltet?
- Wie können Weiterbildungen barrierefrei erfolgen?
- Und wie schaffen es Unternehmen, die Arbeitsatmosphäre wohltuend und gleichzeitig produktivitätsfördernd auszurichten?
So prüfen Sie Ressourcen und Prozesse auf inklusive Aspekte.
Inklusion geht somit über das vermeintlich Sichtbare hinaus. Nur wenn digitale Medien für alle zu jedem Zeitpunkt der Candidate Journey zugänglich sind, ist die Barrierearmut auch garantiert.