Egal ob Bank, Handwerk oder Handel. Jeder macht mit bei den Heldenkampagnen im Ausbildungsmarketing. Bei all diese supertollen Ausbildungsstellen muss doch jeder junge Mensch vor Glück strahlen. Nicht wirklich, oder?
Als ich vor knapp einem 6 oder 7 Jahren die Kampagne des Fachverbands Sanitär Heizung Klima Nordrhein-Westfalen gesehen habe, staunte ich nicht schlecht. Der Claim „Superheldenkarriere“ war damals wirklich noch frisch, innovativ und modern. Klar, bereits einige andere Unternehmen und Verbände haben das Motto der „Helden“ genutzt, um offene Lehrstellen zu besetzen. Der SHK NRW war aber so die erste große Nummer im Markt.
Schaut man sich heute so im deutschen Ausbildungsmarkt um, so wirbt jeder mit irgendwelchen Helden. Seien es die Pflegekräfte, die Ditgitaler, die Bäcker oder auch die Banker. Jede Kampagne ist vollgepackt mit heroischen Motiven, starken Azubis und unendlich tollen Möglichkeiten. Den jungen Leuten hingegen ist das mittlerweile etwas zu doof geworden. Viele Studien zeichnen dieses Bild – zuletzt auch Azubi.Report 2016. Über 33% der Befragten Schüler sagten, dass durch die Anzeigen und Kampagnen falsche Erwartungen an den Beruf geweckt wurden.
Sie meinen das sind nicht viele? Schauen wir uns die Real-Zahlen doch mal an. Legen wir die 33% mal auf die ca. 1,3 Mio. Azubis in Deutschland haben wir rund 430.000 junge Menschen, die sagen, dass die Kampagnen einfach ein falsches Bild der Ausbildung vermitteln. Klingt auch nicht so schlimm? Na dann ist es vielleicht interessant zu wissen, dass jeder vierte Azubi seine Ausbildung mittlerweile abbricht. Die Dunkelziffer ist mit Sicherheit deutlich höher. Unzufriedenheit und falsche Vorstellung seitens der Jugendlichen – so sehen es Pädagogen und Ausbildungsbetriebe. Nebenbei bauen Sie aber weiter an der nächsten Heldenkampagne.
Die Helden müssen weg
Natürlich sollte man Ausbildungsabbrüche und Heldenkampagne nicht ganz so plakativ in einen Zusammenhang stellen, wie ich das eben getan habe. Wo kämen wir da hin? Dennoch sind die Auswüchse dieser Disziplin alarmierend. Doch warum tun Unternehmen das eigentlich und was wäre eine sinnvolle Alternative?
Aus über 10 Jahren Erfahrung kann ich mittlerweile sagen, dass viele Betriebe und Unternehmen tatsächlich eine hochwertige Ausbildung anbieten. Besonders engagierte Firmen sind auch meist sehr innovativ im Ausbildungsmarketing. Denn der Mut zu Qualität (statt Quantität) infiziert meist auch das Werbeverhalten dieser Betriebe. Aus dem Blickpunkt der Personalmitarbeiter ist es also nur logisch, dass man aus Stolzgründen die eigene Ausbildung auf ein Podest stellt. Warum auch nicht? Tu Gutes und sprich darüber. Der Navigationsfehler passiert erst dann, wenn man vergisst die Zielgruppe einzubinden und mit der Zielgruppe zu sprechen.
Junge Menschen sind viel bodenständiger und geerdeter als die meisten Personaler das vermuten würden. Meist wird die exesszive Nutzung der sozialen Netzwerke und der teilweise gewöhnungsbedürftige Humor als abgehoben und „nicht aus dieser Welt“ betitelt. Klar, wenn man selbst noch nie Snapchat genutzt hat, Instagram nur mal ab und zu besucht und YouTube Videos höchstens für aktuelle Trailer herhalten, ist das auch ein absoluter logischer Standpunkt.
Das Medienverhalten der jungen Menschen sagt aber wenig über deren Engagement, Zukunftswünsche und Ängste aus. Es spiegelt halt nur das wider, was es ist: Konsum und Unterhaltung. Aus diesem Verhalten jedoch die Schlussfolgerung zu ziehen, dass Jugendliche per se kein Interesse mehr an klassischen Ausbildungsberufen und inhaltsstarken Kampagnen hätten, ist mindestens so fahrlässig wie bei Rot über die Hauptstraße zu rennen.
Helden-Kampagnen tun aber genau das. Sie versprechen die große Welt, den Einsatz zu jeder Zeit, die Begeisterung des gesamten Teams für den Job und unglaublich spannende Aufgaben – jeden Tag. Und dann sitzt man halt trotzdem im Supermarkt an der Kasse und kassiert ab. Schlimm daran ist nicht, dass es halt „nur“ die Arbeit in der Filiale, im Büro, am PC usw. ist. Schlimm ist, dass Personaler denken, dass die eignen Aufgaben so öde sind, dass jetzt heroische Beschreibungen hermüssen, um zumindest den Außenauftritt zu optimieren.
Die Reaktion sehen wir aktuell. Abbrüche, Unzufriedenheit und irgendwann der Turnaround zu einem negativen Image. Spätestens nämlich dann, wenn man im Internet Erfahrungsberichte anderer Azubis lesen kann und diese überhaupt nicht mit den bunten Plakaten übereinstimmen.
Was also tun?
Was wäre also notwendig, um Jugendliche wirklich zu begeistern und die Ausbildungsplätze dennoch authentisch zu kommunizieren? Hier drehen wir uns wieder im Kreis. Am Anfang schrieb ich, dass ich es damals mutig fand, dass der SHK diese Heldenkampagne gestartet hat. Nun ist es Zeit, dass wieder jemand etwas Mut zeigt. Wohin der Trend geht ist leider nicht mit 2-3 Sätzen im „Fazit-Bereich“ eines Artikels beantwortet. Jeder Personal-Mitarbeiter sollte sich jedoch intensiv mit der Lebenswelt der Jugendlichen beschäftigen. Der Mythos „die sind ganz anders als wir“ sollte endlich verschwinden. Nur auf Augenhöhe und gemeinsam mit den Jugendlichen lassen sich erfolgreiche Kampagnen starten.