So ziemlich jeder Arbeitgeber hat sich schon einmal gefragt: Ist mein Unternehmen eigentlich „sexy“ für Talente und Bewerber? Die Themen Fachkräftemangel, War for Talents und demographischer Wandel treiben HR-Verantwortlichen derzeit Sorgenfalten auf die Stirn. Das Finden von Kandidaten ist schon schwer genug, aber es geht auch immer mehr darum, diese langfristig zu binden. Das macht das Stichwort Arbeitgeberattraktivität zu einem der Kernthemen in der Personalarbeit. Worauf es dabei ankommt.
Wie wird ein Arbeitgeber attraktiv?
Wer sich als Arbeitgeber für seine bestehenden und künftigen Talente „hübsch machen“ will, muss sich zunächst fragen, was diese eigentlich von ihm wollen. Denn je zufriedener ein Arbeitnehmer mit seiner aktuellen Situation ist, desto geringer seine Wechselbereitschaft. Wer weiß schon, ob er es andernorts noch einmal genauso gut trifft?
Aber welche Faktoren spielen die ausschlaggebende Rolle, um ein Talent langfristig zu binden? Antworten darauf liefert eine aktuelle Studie aus dem Hause YouGov. Für die Erhebung wurden 4.114 Arbeitnehmer in Großbritannien, Frankreich, Deutschland und den Niederlanden befragt.
Heraus kam eine ganze Bandbreite an Kriterien, die moderne Talente zufriedener im Job machen:
- 63 Prozent votierten für höheres Gehalt.
- Für 41 Prozent steht eine ausgewogene Work-Life-Balance im Vordergrund.
- 25 Prozent hätten gerne die Möglichkeit, von zu Hause aus zu arbeiten.
- 34 Prozent freuen sich über flexible Arbeitszeiten.
- Für 14 Prozent ist kontinuierliches Feedback wichtig.
- 27 Prozent sehnen sich nach einer Verbesserung der Führungsqualitäten.
Arbeitgeberattraktivität: Worauf kommt es an?
Arbeitgeber, die hinter einen Großteil dieser Faktoren ein Häkchen machen können, haben Grund zur Freude: Mission erfüllt. Denn ein guter Mix aus unterschiedlichen Kriterien ist der Garant für eine hohe Arbeitgeberattraktivität.
Die gute Nachricht: Viele Unternehmen scheinen in Deutschland ihre Sache bereits recht gut zu machen. 49 Prozent der befragten Teilnehmer zwischen 18 und 36 Jahren sind zufrieden, 21 Prozent sind sogar sehr zufrieden am aktuellen Arbeitsplatz. Doch ausruhen sollten sich auch diese Unternehmen nicht. Es ist wie in einer Beziehung: Man muss interessant für den anderen bleiben. Nun zur schlechten Nachricht: 32 Prozent der Arbeitnehmer sind auf dem Sprung. Mehr als jeder Dritte also.
Was passiert, wenn ein Unternehmen nicht dauerhaft in seine Arbeitgeberattraktivität investiert, liegt also auf der Hand: Die mühsam angeheuerten Talente springen schnell wieder ab. Handelt es sich dabei um wertvolle Wissensträger, kann das gerade kleineren oder mittelständischen Wettbewerbern den Todesstoß geben.
Arbeitgeberattraktivität ist besonders für kleine Player ein Thema
Stärker als die großen sehen sie sich von dem aktuellen Engpass auf dem Arbeitsmarkt betroffen: Sie sind meist weniger bekannt und können zum Beispiel das Gehaltsniveau der Großunternehmen nicht halten. Daher ist es für sie besonders wichtig, mit anderen Faktoren zu punkten, die das Arbeiten bei ihnen einzigartig macht.
Ansonsten kann es schnell kritisch um die Zukunftsfähigkeit eines Betriebs bestellt sein. Spätestens, wenn sich die folgende Frage stellt, sollten alle Alarmglocken läuten: Kann man zukünftig Aufträge noch angemessenen bearbeiten, wenn die Fachkompetenzen im Haus fehlen oder ein Großteil der Belegschaft innerlich gekündigt hat?
Das ist keineswegs übertrieben. Nach den Berechnungen des Gallup Instituts erwirtschaftet ein Mitarbeiter mit hoher emotionaler Bindung fast 70 Prozent mehr Ertrag als der durchschnittliche Beschäftigte. Der Faktor Arbeitgeberattraktivität ist in der aktuellen Konjunkturlage daher kein Nice-to-Have mehr, er ist längst zum Must-Have geworden. Neben der Mitarbeiterbindung spielt auch das Thema Personalmarketing eine wichtige Rolle.
Arbeitgeberattraktivität: Maßnahmen und Vorbereitung
Doch was ist zu tun, um die Arbeitgeberattraktivität zu steigern? Ziel muss es sein, einen einzigartigen Arbeitsplatz zu schaffen. Zum Beispiel, weil dort Werte gelebt werden, die zu den Vorstellungen der Mitarbeiter von Führung und Teamwork passen. Und das im besten Fall noch in einem Umfeld, in dem es Spaß macht zu arbeiten und das Entwicklungsmöglichkeiten bietet.
Hier aber einfach die Ergebnisse von einer der zahlreichen Employer Branding Studien herzunehmen und den Mitarbeitern überzustülpen, wird nicht greifen. Nein, es geht schon darum, die ganz individuellen Feel Good-Merkmale eines Unternehmens heraus zu kitzeln. Man will ja nicht einer von vielen, sondern einzigartig sein. Eine durchdachte Arbeitgebermarke hilft.
Auf dem Weg dahin muss der einzelne Mensch im Unternehmen in den Vordergrund gerückt werden. Dies ist eine Aufgabe vom Personalmanagement. Eine Mitarbeiterbefragung kann in diesem Zusammenhang zum Beispiel Aufschlüsse liefern, an welchen Stellschrauben gedreht werden sollte. Ist es das Unternehmensklima, die Bürogestaltung, der Umgang miteinander, die Personalführung, sind es die mangelnden Entwicklungsmöglichkeiten oder gleich alles zusammen? Die Ergebnisse können mitunter schmerzhaft sein, aber sie sind der Schlüssel zum Erfolg.
Arbeitgeberattraktivität: Die Umsetzung
Sind die Indikatoren für ein Plus an Arbeitgeberattraktivität ausgemacht, gilt es Maßnahmen zu deren Umsetzung zu ergreifen. Für eine angenehmere Atmosphäre im Büro können beispielsweise Lounge-Ecken oder Kuschelnischen eingerichtet werden, die den informellen Austausch untereinander fördern. Kein Witz! Microsoft Deutschland geht beispielsweise so weit, das Büro komplett abzuschaffen – zugunsten so genannter Work Areas, die genau auf die Bedürfnisse der Mitarbeiter abgestimmt sind. Plauderecken, Stillarbeitsräume, Räume für Meetings und, und, und. Einen festen Platz gibt es nicht. Man sucht sich immer die Area aus, die gerade zu dem jeweiligen ToDo passt.
Geht es um eine Verbesserung der Personalführung im Unternehmen oder das Miteinander im Team können gezielte Trainings für Führungskräfte und Mitarbeiter helfen, die Situation zu verbessern. In einem sehr angespannten Umfeld leisten bisweilen auch Mediationen für eine Auflockerung der Atmosphäre gute Dienste.
Arbeitgeberattraktivität: Beispiele aus der Praxis
Stichwort: Weiterentwicklungsmöglichkeiten. Hier wurde zum Beispiel in der Automobilbranche ein interessanter Ansatz entwickelt, um das Potenzial künftiger Führungskräfte zu erkennen. Hierzu entwickelte eine große Marke einen Potenzialtag für ihre Mitarbeiter.
Und so funktioniert’s: Vier bis fünf Mitarbeiter werden für einen Tag zu einer externen Tagung eingeladen, bei der sie in verschiedenen Situationen bestimmte Aufgaben lösen. Besondere Stärken können so erkannt und weiter entwickelt werden. Das ist aber nur eines von vielen Beispielen. Ein Patentrezept gibt es nicht. Jedes Unternehmen muss seinen eigenen Weg finden.
Stichwort Candidate Experience
Doch beim Thema Arbeitgeberattraktivität sollte eine Zielgruppe nicht vernachlässigt werden: Die zukünftigen Arbeitnehmer. Ob ein Arbeitgeber für Kandidaten und Bewerber attraktiv ist, entscheidet sich bereits im Bewerbungsprozess.
Hier hilft die Rückfrage bei neu eingestellten Kandidaten, wie sie den Einstellungsprozess empfanden und was verbessert werden könnte. Auch abgelehnte Kandidaten können freundlich um ein Feedback gebeten werden. Diese Antworten liefern wichtige Anhaltspunkte, ob die Candidate Experience in sich stimmig ist.
Ausschlaggebend dafür sind zum Beispiel folgende Punkte:
- Sind alle nötigen Informationen auf der Karriereseite abrufbar?
- Ist die Karriereseite mobiltauglich?
- War die Stellenanzeige ansehnlich und informativ gestaltet?
- Gab es lange Wartezeiten zwischen Erstkontakt, Vorstellungsgespräch und der Mitteilung der finalen Entscheidung?
- Hat sich der Kandidat immer informiert gefühlt?
- Verlief die Onboarding-Phase zur Zufriedenheit?
Fazit: Für seine Mitarbeiter ein attraktiver Arbeitgeber zu sein, ist zweifellos harte Arbeit. Doch wie sehr sich die Investition in seine Leute lohnt, zeigt spätestens die Kurve künftiger Quartalsabschlüsse, die keine Ups and Downs mehr kennen wird, sondern nur einen Weg: Steil nach oben.